Otti Fischer: "Ich bin wieder glücklich"
MÜNCHEN - Mit der Krankheit hat er sich arrangiert, sein neues Kabarett-Programm führt ihn zurück zu seinen Wurzeln. Im AZ-Gespräch redet Ottfried Fischer über sein neues Leben und neues Freiheitsgefühl.
Konstantin Wecker geht auf Ottfried Fischer zu, als er das Café betritt, umarmt ihn lange: „Mensch Otti, spitze. Ich bin sehr gespannt auf dein Programm, das ist ja mein Thema“, sagt er, und Otti Fischer verspricht ihm ein paar Karten für die Premiere. Zufällig haben sich die zwei im Café Ringelnatz getroffen, ganz in der Nähe der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, wo Ottfried Fischer in wenigen Tagen mit seinem neuen Kabarett- Programm „Wo meine Sonne scheint“ Premiere hat.
Heimat ist das Thema. Für Ottfried Fischer ist es eine ganz besondere Heimkehr: Er kehrt zurück auf die Live- Bühne, zurück zu seinen Anfängen, und er will allen zeigen: Mich gibt’s noch, trotz Parkinson, und zwar stärker denn je.
Hansdampf auf allen Kanälen
Seit Mitte der 90er war Fischer ganz oben, er war der Quoten-Garant. Bulle, Pfundskerl, Bestseller, Pfarrer Braun, Ottis Schlachthof, Ottis Oktoberfest, Otti überall: Die Kabarett- Puristen haben ihm immer übel genommen, dass er Hansdampf auf allen Kanälen wurde. „Man muss das Heu einfahren, solange es geht, damit man im Winter was zum Füttern hat“, hat der Bauernsohn damals gerne gesagt. Er hat alles mitgenommen. Und wenn Karl Spiehs, der Wiener Produzent, der ihm in dürren Jahren ein paar Rollen gegeben hatte, wieder anfragte, dann hat er halt aus alter Verbundenheit noch eine Knalltüten- Komödie gedreht.
Doch jetzt ist alles anders. Nach der auch von den Fischers selbst öffentlich zelebrierten Ehekrise, nach der Diagnose der Parkinsonschen Krankheit hat er sich zurückgezogen, hat seine Prioritäten neu gesetzt. Jetzt tritt ein Ottfried Fischer nach draußen, der noch etwas zu sagen hat. „Ich komme wieder ein bisschen dahin zurück, warum ich angefangen habe, Kabarett zu machen. Das hat etwas mit Engagement zu tun“, sagt er im AZ-Gespräch. „Anfangs wollten wir die Welt verändern, dann haben wir bemerkt, dass es nicht geht. Jetzt sage ich zu mir selbst: warum nicht probieren?“
An der Seite der Milchbauern
Das tut er nicht nur auf der Bühne, sondern auch im echten Leben. Mit Milchbauern hat er gegen Müller-Milch demonstriert, hat vor 4000 Bauern gesprochen. Er, der niederbayerische Bauernsohn, der den Hof verlassen hat, der lieber mit dem Kopf als mit den Händen arbeiten wollte und der als junger Wilder in einem Buch über Landwirte geschrieben hat: „Die interessieren sich nur für ein KZ, wenn es auf ihrem Hof errichtet wird.“ Für einige daheim war er damals ein Nestbeschmutzer, heute ist ihm seine Zugehörigkeit zu den Bauern bewusst. „Als ich vor den Milchbauern gesprochen habe, habe ich gemerkt, dass das meine Leute sind.“ Auch er sei, nicht nur beim Heu einfahren, stark geprägt vom bäuerlichen Denken.
Jetzt will er die „Milchrevolution“, ist Schirmherr der Bauern, denen Müller die Verträge gekündigt hat und die ihre Milch jetzt selbst vermarkten. „Auch wenn ich die Milchrevolution vermutlich nicht auslösen werde. . . Martin Luther war auch nur einer. Oder Gabriele Pauli, sie war als Einzelne Auslöser für etwas Großes, Wichtiges. Man sollte mit seiner Meinung nicht hinterm Berg halten – lieber ein kleiner Beitrag als keiner.“
Die CSU hat ja jetzt zwei Kabarettisten"
Gut zwölf Jahre sind vergangen seit seinem letzten Kabarettprogramm. Damals war für Fischer noch klar, dass die CSUler die Bösen und die Grünen die Guten sind. Jetzt verlässt er die Tagespolitik. „Die Aktualität ist nicht mein Thema: Die CSU demontiert sich ja eh grad selbst, die braucht mich nicht, die haben ja jetzt zwei Kabarettisten. Bei mir wird in alle Richtungen ausgeteilt, aber es geht mir eher philosophisch darum, welche Rolle der Staat haben sollte.“
Mit Heimat hat er sich ein Thema ausgesucht, das in seinen frühen Jahren, in seinem Schwabing der 80er, ein Tabu war. „Wir, die wir uns als progressiv, satirisch oder links bezeichneten, haben beim Begriff Heimat gesagt: Bleib mir mit dem Karl Moik vom Leib.“ Fischer heute, fast 55 Jahre alt, begibt sich auf die Suche nach Werten, nach Zugehörigkeit abseits der Zurschaustellung trachtlerischer Bierseligkeit. „Heimat ist auch sinnstiftendes Element, die Menschen einen Lebensraum bietet, die kulturelle, weltanschauliche, sittliche Werte vermittelt.“ Natürlich gibt es immer noch die, deren Heimatempfinden er mit Borniertheit, Engstirnigkeit und Dummheit gleichsetzt. „Aber das ändert nichts daran, dass ein Heimatgefühl den Menschen fähig macht, Lokalpatriot zu werden, der das Recht auf Heimat für jedermann akzeptiert.“ Eben dieses Recht auf Heimat lässt er in seinem Programm ins Grundgesetz eintragen.
Die Prägung bleibt
Für Fischer selbst ist immer noch der Bayerische Wald Heimat. „Wenn der Wind hochsommerlich Fetzen von Blasmusik herüberträgt, dann zieht an mir die Heimat meiner Kindheit vorbei. Diese Prägung bleibt.“ Genauso wie das Schicksal, schon als Bub zu den Sechzgern mitgenommen zu werden: „Dann bleibt man ein Leben lang Sechzger.“ Aber auch in München fühlt er sich daheim. „Das hat ja viel damit zu tun, wo man sich verstanden fühlt. Und das ist in München, bei den Bühnen, den Menschen, die auch die Zwischentöne verstehen.“
Am 10. Juni wird er seine Zwischentöne in der Lach und Schieß präsentieren. Einige Auftritte auf kleineren Bühnen hatte er schon – auch als Test seiner Kraft. Regelmäßig muss er Medikamente nehmen. „Nach den ersten vier Auftritten habe ich gemerkt, das funktioniert wunderbar. Ich möchte meine Kräfte gut einteilen“, sagt er. Die Bühnenluft hat ihn auch aufgeputscht „Ich habe richtig Blut geleckt, es kam das alte Gefühl zurück.“
Bei den Proben hat er noch Hänger. „Ich kann mir die Sachen gut merken, nur mit der Reihenfolge ist es schwierig. Beim Film sagt ja der Regisseur immer, jetzt kommt das, jetzt kommt das.“ Für das neue Programm hat er alles andere hintenangestellt. „Ich habe in diesem Jahr noch keinen Film gemacht, um Zeit zu haben. Ich konzentriere mich aufs Wesentliche, und das ist das Kabarett, das will ich, das brennt mir unter den Nägeln. Ich bin sehr glücklich, dass das Programm fertig ist.“
"Ich war fremdbestimmt"
Sein Leben in der Fernsehmühle sieht er heute mehr als kritisch. In elf Jahren hat er über 100 Filme gedreht. „Ich habe jeden Tag Pläne gekriegt, was ich wann wo zu tun habe. Ich war ein fremdbestimmter Mensch“, sagt er. Beim Schreiben war das anders. „Ich habe mir die Zeit selbst eingeteilt, das war toll. Es entstand ein richtiger Sog. Das hat mir ein Gefühl von Freiheit gegeben.“ Dass er in seinem neuen Leben nicht mehr so leistungsfähig sein wird, hat Fischer angenommen. „Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich werde weniger machen als früher.“
Umso wichtiger ist ihm, selbst zu bestimmen. Everybody’s Otti gibt’s nicht mehr, er macht nur noch, was er für wichtig hält. Im Herbst dreht er einen Pfarrer Braun; ob es weitere Bullen gibt, ist unklar. „Das hängt von Ruth Drexels Gesundheit ab. Und da bleibe ich dabei: Wenn sie nicht mehr kann, höre ich auch auf.“
Nach Jahren als Großverdiener im Privatfernsehen kann er es sich wahrlich leisten, wählerisch zu sein. Er würde das natürlich so nicht sagen, er nennt das anders – und dabei zeigt er endlich mal sein verschmitztes Bauernbubenlächeln: „Ich hab’ ja schon ein bissl Heu daheim.“
Fischer ist ab 10. Juni neun Mal mit „Wo meine Sonne scheint“ in der Lach- und Schießgesellschaft. Die ersten beiden Aufführungen sind schon ausverkauft. Es gibt noch Karten für den 13., 14., und 17. bis 21. Juni.
Tina Angerer