Norbert Rier: "Von einigen gehasst, aber von Millionen geliebt"

Der Frontmann der Kastelruther Spatzen Norbert Rier, gibt im Interview mit spot on news Einblicke in die nicht ganz so heile Welt der Schunkelmusik.
Die Kastelruther Spatzen sind die Superstars der Volksmusik. Heute erscheint ihr Jubiläumsalbum "Planet der Lieder". Den Erfolg haben sich die Südtiroler über mehr als drei Jahrzehnte aufgebaut. Auch ein vermeintlicher Skandal um ihre Studioproduktionen konnte das Nest der Spatzen nicht beflecken. Norbert Rier (53), Frontsänger der Combo, verrät im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news, warum die Spatzen so erfolgreich sind, wie es hinter den Kulissen der Branche zugeht und was das Musikgeschäft mit dem Filmbusiness gemein hat.
Herr Rier, vor 30 Jahren ist Ihr erstes Album erschienen, heute kommt Ihr neuestes Werk auf den Markt. In Deutschland konnten Sie sich aber noch nie auf den Chart-Thron setzen. Ärgert Sie das?
Norbert Rier: Wir waren zwar noch nie ganz an der Spitze, aber immer weit vorne mit dabei. Natürlich wäre es nach all der Zeit im Geschäft mal schön, die Chart-Spitze in Deutschland zu erklimmen, aber es war nie ausgewiesenes Ziel. Schauen Sie, es gibt genug Künstler, die kurzfristig in den Charts auf der Eins waren und dann für immer in der Versenkung verschwunden sind. Aber vielleicht klappt es ja diesmal.
Die Volksmusik erlebt zurzeit durch Künstler wie Andreas Gabalier oder Hansi Hinterseer, der jüngst den Chart-Olymp erobert hat, einen Boom. Sehen Sie das auch so?
Rier: Gott sei Dank kommt da neuer Schwung rein. Die Showbranche ist auch nicht anders als das Leben. Es gibt immer einen Wellengang mit Höhen und Tiefen. Der Andreas Gabalier macht das spitze. Er verbindet Volksmusik mit Rock und macht die Musik damit fetziger. Durch seine Tracht zeigt er Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit. Das kommt auch bei den jüngeren Leuten an. Musik kennt keine Grenzen, da gibt es immer wieder Überraschungen.
Gibt es in der Volksmusik-Branche wirklich diese heile Welt, die einem im Fernsehen immer verkauft wird?
Rier: Über die heile Welt wird man oft belächelt. Wo gibt es diese auch schon? Aber wir wollen unseren Fans eine schöne Zeit bieten - zum Zurücklehnen und Entspannen. Klar ist, bei den Fernsehshows versucht ein jeder sich so gut wie möglich zu präsentieren. Ein TV-Auftritt ist auch immer Promotion, da bietet man sich für weitere Veranstaltungen an. Da musst Du gute Laune versprühen.
Aber wie ausgeprägt ist der Konkurrenzkampf unter Kollegen?
Rier: Es ist überall ein harter Kampf. Mich persönlich stößt es aber sehr ab, wenn andere sich gegenseitig schlecht reden, nur um sich selber herauszuheben. So etwas bringt nichts. Ich verstehe mich mit den Kollegen gut. Es ist zwar keine Freundschaft, dazu gehört einfach viel mehr. Aber ich Freude mich, wenn ich Leute wie die Flippers, Zellberg Buam, Heino oder auch Florian Silbereisen sehe.
Heino hat mit seiner letzten Platte "Mit freundlichen Grüßen" alle überrascht. Wäre so etwas für die Kastelruther Spatzen auch denkbar?
Rier: Wie heißt es so schön: "Sag niemals nie!" Aber ich glaube nicht. Heino hat mit dieser Cover-Platte viel riskiert, aber es ist total aufgegangen. Ich war über diesen Mut in seinem Alter sehr überrascht. So etwas klappt aber nicht bei jedem. Die Gefahr ist groß, sich schnell alles kaputt zu machen, was man sich über Jahre hart erarbeitet hat. Aber an Heino sieht man: Alles ist möglich, nix ist fix.
Ihr wohl bekanntester Song "Eine weiße Rose" wurde von Schlagersänger Tobee gecovert und hat sich am Ballermann etabliert. Freude oder Schande?
Rier: Solange ein Lied nicht total durch den Kakao gezogen wird, ist das überhaupt kein Problem. Ich finde das eher eine Ehre, eine Bestätigung. Denn in der Regel werden nur besondere Lieder gecovert. Es macht es ja keinen Sinn, etwas zu covern, das Müll ist.
Stichwort "Kakao". Durch diesen wollte Sie im vergangenen Jahr auch Ihr ehemaliger Produzent ziehen...
Rier: Sie sprechen auf Walter Widemair an. Er war nicht unser Produzent, er war Aufnahmeleiter. Mit seinem Buch wollte er uns viel mehr durch den Dreck ziehen. Seine Anschuldigungen waren extrem unter der Gürtellinie. Stellen Sie sich mal vor, da arbeiten Sie mit einem Menschen gerade noch gemeinsam an einem Album und in Ihrem Rücken schreibt der schon ein Anschuldigungsbuch über Sie. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Der Schuss ging zum Glück nach hinten los. Wir haben viel Zuspruch von den Fans und auch aus der Musikbranche bekommen, weil da jeder weiß, wie das Geschäft läuft. Diese Branche ist nicht anders als das Filmbusiness. Da wird mit Stuntmännern gearbeitet. Bei uns sind es eben Studiomusiker. Aber ich kann mit ruhigem Gewissen bestätigen, dass wir bei Live-Auftritten schon immer alles live gespielt haben. Und das ist immer die Stunde der Wahrheit.
Auf der neuen Platte ist auch ein entsprechendes Lied, das sich diesem Verrat annimmt.
Rier: Genau, "Judas küsst noch immer" wurde uns schon vor Jahren angeboten, aber das lehnten wir ab. Wir dachten, so etwas ist doch viel zu extrem, das gibt es unter Freunden nicht. Aber leider Gottes gibt es so etwas doch. Es tut einfach weh, von Leuten enttäuscht zu werden, von denen man das nie erwartet hätte. Walter ist mit uns bekannt geworden, hat viel Geld verdient, hat uns mit geprägt. Mit diesem Lied wollen wir unsere Fans darauf aufmerksam machen, dass Freundschaft eben nicht so selbstverständlich ist.
1998 erlitten die Spatzen einen anderen Schicksalsschlag: Ihr Manager Karl-Heinrich Gross kam auf bisher ungeklärte Art und Weise ums Leben.
Rier: Das hat uns damals wirklich schwer getroffen. Immer wieder frage ich mich: Warum? Wahrscheinlich war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Es war tragisch. Er hat Familie gehabt. Vergessen wird man das nie.
Wie schwer ist es nach solchen Niederschlägen trotzdem weiterzumachen?
Rier: Das schlimmste wäre ja den Kopf in den Sand zu stecken. Es gibt immer wieder einen Lichtblick. Manchmal ist es auch nicht schlecht, wenn man ab und an merkt, es ist doch nicht alles Gold was glänzt. Aber durch die Musik, durch die Freunde und vor allem durch die Familie erfährt man einen Rückhalt und weiß, dass es weitergehen muss.
Ein Lichtblick in Ihrem Leben sind Ihre vier Kinder. Diese standen auch schon alle mit Ihnen auf der Bühne. Haben Sie Ihnen je davon abgeraten, in das Haifischbecken Showgeschäft zu springen?
Rier: Nein, abgeraten nicht. Ich habe ihnen damals freie Hand gelassen. Wichtig war mir nur, dass sie nebenbei auch noch einen normalen Beruf ausüben. Denn nur in den seltensten Fällen kann man von der Musik alleine Leben.
Sie haben es geschafft. 13 Echos sind dafür eine absolute Bestätigung.
Rier: Das ist für uns etwas ganz besonderes. Am Anfang wurden wir bei der Verleihung immer ein bisschen belächelt. Aber mit der Zeit hatten selbst die großen Musiker Respekt vor uns. Das hat uns sehr motiviert. Auf einer Verleihung habe ich ja dann auch mal gesagt: "Von vielen belächelt, von einigen gehasst, aber von Millionen geliebt". Daraufhin war tosender Applaus in der Halle. Da können wir auch den Fans nie genug Danke sagen.
Woher glauben Sie kommt dieser enorme Zuspruch? Was macht Ihren Erfolg aus?
Rier: Wir sind auch nach 30 Jahren in der Branche uns und unserer Linie immer treu geblieben. Wir sind volksnah, bodenständig und natürlich. Mit unserem ersten Lied "Das Mädchen mit den erloschenen Augen" sind wir bekannt geworden und haben den Grundstein für Lieder und Texte gelegt, die aus dem Leben gegriffen sind und die Leute persönlich ansprechen. Außerdem hatten wir das Glück, uns über die Zeit eine treue Fangemeinde aufzubauen. Wir entführen die Leute aus ihrem Alltagsstress.
Traditionell bringen Sie jedes Jahr ein neues Album auf den Markt. Fällt es manchmal schwer sich dafür zu motivieren?
Rier: Manchmal kostet es mich schon ein wenig Überwindung, weil ich nebenher noch Landwirt bin. Es ist nicht immer leicht die Zeit zu finden und sich aufzuraffen ins Studio zu gehen. Aber wenn man erst mal mit den Aufnahmen begonnen hat, kommt die Freude von ganz alleine. Am Ende rührt die Motivation auch daher, die Fans nicht enttäuschen und ein Werk abliefern zu wollen, das diesen auch gefällt. Bisher lagen wir zum Glück noch nie so ganz daneben.
Sie haben ihren zweiten Beruf gerade angesprochen. Ist Norbert Rier, der Landwirt, die gleiche Person, wie Norbert Rier, der Spatz?
Rier: Auf jeden Fall. Viele können nicht glauben, dass ich ein ganz normaler Bauer, Bürger und Mensch bin. Aber ich gehe am freien Sonntag in die Kirche oder auf die Alm. Diese ganz normale Arbeit lässt mich bodenständig bleiben und mich den Anschluss ans normale Leben nicht verlieren. Es gibt leider in der Musikbranche viele, die kurz mal Erfolg hatten und dann abgehoben sind.