"Natürlich habe ich auch Vorurteile"
Die kleine Firma von Bauunternehmer Karlheinz (Hannes Jaenicke) steht vor der Pleite - und er meint auch genau zu wissen, wer daran Schuld hat: Osteuropäische Schwarzarbeiter, die ihm angeblich alle Aufträge wegschnappen. Als der alleinerziehende Vater die quirlige Wanda (Karolina Lodyga) als Kindermädchen einstellt, werden seine Vorurteile auf eine harte Probe gestellt, denn wie sich herausstellt, ist sie nicht nur Polin, sondern arbeitet auch schwarz... Die Idee zu "... und dann kam Wanda" (am 17.10., 20:15 Uhr im Ersten), einer Komödie über die Vorurteile der Deutschen, stammt von Hannes Jaenicke (54, "Die große Volksverarsche") selbst. Wie er auf das Thema kam, verriet er der Nachrichtenagentur spot on news im Interview.
Der Film basiert auf Ihrer Idee. Wie kamen Sie auf das Thema?
Hannes Jaenicke: Wir hatten die Idee, mal eine Komödie über den Hang des Deutschen zum Vorurteil zu machen. Denn es gibt wenige Dinge, die wir so begeistert pflegen wie unsere Vorurteile gegen gewisse Minderheiten. In diesem Fall sind es eben die Osteuropäer - Polen, Rumänen, Bulgaren. Sie brauchen nur mal Horst Seehofer von der CSU fragen, was er von rumänischen oder bulgarischen Einwanderern hält. Er hat immerhin sehr erfolgreich Wahlkampf mit dem Slogan "Wer betrügt, fliegt" gemacht. Wir wollten aber kein Drama darüber machen, sondern eine Komödie.
Warum ausgerechnet Osteuropäer?
Jaenicke: Wir fanden die Baubranche einen lustigen Hintergrund. Gerade Berlin ist seit der Wende eine einzige, gigantische Baustelle. Das erschien uns zeitgemäß und hat Humorpotential. Außerdem finde ich, dass die meisten anderen Themen durchgeackert sind. Ich möchte ehrlich gesagt nicht noch einen Film über Antisemitismus machen. Und über Moslems und Türken in Deutschland ist auch schon sehr viel gemacht worden. Die Serie "Türkisch für Anfänger" und den Film "Almanya" fand ich zum Beispiel großartig. Deswegen fanden wir das eine frische Idee, die auch noch ein aktuelles Thema anspricht, denn wir haben nun mal eine massive Einwanderung aus dem Osten.
Sie wollten eine Komödie daraus machen. Die neigt natürlich eher zur "political incorrectness" als ein Drama.
Jaenicke: Das war Absicht. Die Hauptfigur kann ja nicht schon am Anfang politisch korrekt sein, dann lernt sie ja nichts mehr dazu. Deswegen haben wir aus Karl-Heinz diesen deutschen Kleinbauunternehmer gemacht, der der festen Überzeugung ist, dass Osteuropäer die deutsche Bauindustrie ruinieren.
Wie wichtig ist Ihnen denn "political correctness", sei es ihm Film oder im Leben?
Jaenicke: Da bin ich ein bisschen gespalten. Einerseits finde ich es wichtig und richtig, sich politisch korrekt zu verhalten und nicht gegen Minderheiten zu hetzen. Andererseits ist es auch das Ende des Humors, denn beinahe jeder Witz ist politisch inkorrekt. Wir sind verpflichtet, uns Minderheiten gegenüber mit Respekt und einer gewissen Neugier zu verhalten. Gleichzeitig muss es erlaubt sein, gelegentlich Witzchen zu machen - solange es mit Sympathie geschieht.
Entdecken Sie Vorurteile auch bei sich selbst?
Jaenicke: Natürlich habe ich auch Vorurteile. Ich bin gerade erst aus Ruanda zurückgekommen, und wenn man dort am Flughafen eincheckt, dauert das dreimal so lange wie bei uns. Dann merke ich selbst, dass ich denke, wieso die das nicht schneller hinkriegen. Klar hat man da Vorurteile: Der Afrikaner ist langsam, der kriegt nichts gebacken und so weiter. Ich glaube, keiner von uns ist vollkommen frei von Vorurteilen.
Wie gehen Sie mit solchen Gedanken um?
Jaenicke: Ich komme ursprünglich aus Köln, und einer meiner Lieblingssprüche aus dem Kölschen ist: "Jeder Jeck ist anders." Jede Gruppierung und jede Nationalität hat eine eigene Mentalität, und die muss man einfach akzeptieren. Ich suche dann auch immer das Positive darin. Denn Afrikaner machen nicht andauernd soviel Stress wie wir. Die kennen kein Burnout. Es bringt auch große Vorteile mit sich, nicht alles im schnellstmöglichen Tempo zu machen. Es ist ganz wichtig, immer auch das Positive in der Andersartigkeit zu suchen.
Erwarten Sie von Einwanderern, dass sie sich integrieren, oder tolerieren Sie es, wenn sie die eigene Kultur behalten wollen?
Jaenicke: Zunächst einmal gilt ganz einfach: Wenn jemand einwandert, egal ob in die USA, Kanada oder Deutschland, hat er sich an unsere Gesetze zu halten. Das hat oberste Priorität. Solange das gegeben ist, finde ich es ganz wichtig, dass die Leute das Recht haben, ihre eigene Mentalität und Identität weiter kultivieren zu dürfen. Wenn es dann aber zu Zwangsverheiratungen, Beschneidungen oder Ähnlichem kommt, dann muss der Gesetzgeber einschreiten. Ansonsten sollte man jedem Einwanderer zugestehen, sein kulturelles Gepäck mitzubringen.
Was halten Sie zum Beispiel davon, dass Frankreich ein Burka-Verbot eingeführt hat?
Jaenicke: Ehrlich gesagt kann ich das verstehen. Bei uns ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau gesetzlich verankert. Wenn Frauen von Männern dazu verdonnert werden, sich zu verschleiern, dann halte ich das nicht mit unserem Gesetz vereinbar.
Sie sind Sprecher für "Ethics in Business". Geht es Ihnen dabei auch um besseren Umgang mit Gastarbeitern?
Jaenicke: Es geht darum, nachhaltig und sozial verträglich zu produzieren. Ich halte es für moralisch verwerflich, in Bangladesch billig Textilien produzieren zu lassen, diese hier wieder teuer zu verkaufen und sich mit der Gewinnmarge die Taschen vollzumachen.
Sollten die Arbeitsplätze also lieber im eigenen Land bleiben?
Jaenicke: Das meine ich damit nicht. Bangladesch und andere Entwicklungsländer haben teilweise eine Arbeitslosigkeitsrate von 50 bis 60 Prozent. Ich finde es großartig, dass wir dort Arbeitsplätze schaffen. Aber es sollten gewisse Sozialstandards eingehalten werden. Es kann nicht sein, dass dort Menschen zu tausenden in Fabriken verbrennen und sterben, weil wir möglichst billig Klamotten kaufen wollen. Es wäre schön, wenn das endlich angegangen würde - auch von Seite des Gesetzgebers.
Sie engagieren sich für verschiedene Projekte und reisen dafür viel. Geht Ihnen das, was Sie dort sehen und erleben, nicht an die Nieren?
Jaenicke: An die Nieren geht es mir eher dann, wenn man nichts dagegen unternimmt. Wenn ich mich engagiere, kann ich auch mit einem ganz guten Gewissen ins Bett gehen. Das Einzige, wozu das bisschen Promistatus, das man als deutscher Schauspieler ergattern kann, gut ist, ist auf wichtige Dinge aufmerksam machen zu können. Ich hatte in meinem Leben derart viel Glück und bin so privilegiert, dass ich das in irgendeiner Form zurückgeben will. Und als Fernsehpappnase kann ich eben erstaunliche Spendengelder generieren - und es wäre bescheuert, wenn ich das nicht täte.
Nebenher drehen Sie auch noch sehr viel. Können Sie vielleicht einfach nicht stillsitzen?
Jaenicke: Ich bin bestimmt kein sesshafter Mensch und kann auch nicht gut stillsitzen. Aber das würde ich jetzt nicht zur Neurose machen. Ich kann damit gut leben.
Apropos sesshaft: Die Vaterrolle im Film stand Ihnen gut. Wollen Sie doch noch eigene Kinder?
Jaenicke: Wenn es passiert, dann freue ich mich. Wenn nicht, dann kann ich damit aber auch gut leben.
- Themen:
- CSU
- Horst Seehofer