Nachruf auf Franziskus: Ein außergewöhnlicher Papst

Freundlich, humorvoll, bescheiden, doch auch beharrlich und durchsetzungsstark: So bleibt Papst Franziskus in Erinnerung. Ein Nachruf auf einen außergewöhnlichen Papst.
(hub/ln/spot) |
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Papst Franziskus wird als außergewöhnlicher Papst in Erinnerung bleiben.
Papst Franziskus wird als außergewöhnlicher Papst in Erinnerung bleiben. © imago/Dreamstime / Copyright:xDreamstimexJonkurdiax

Nur einen Tag nach dem Ostersegen ist Papst Franziskus am Ostermontag im Alter von 88 Jahren verstorben. "Heute Morgen um 07:35 Uhr ist der Bischof von Rom, Franziskus, in das Haus des Vaters zurückgekehrt", wird Kardinal Kevin Farrell von "Vatican News" zitiert. "Sein ganzes Leben war dem Dienst des Herrn und seiner Kirche gewidmet", heißt es weiter.

In der Tat hat Franziskus als Papst neue Wege beschritten. In seiner Autobiografie "Hoffe", die im Januar erschien, hat er sein eigenes Leben skizziert. Die ungewöhnliche Situation, in der Jorge Mario Bergoglio 2013 zum Oberhaupt der katholischen Kirche aufstieg, wurde aber auch filmisch verewigt...

Netflix-Film "Die zwei Päpste" verewigt Benedikt und Franziskus

Zwei Päpste treffen sich im Vatikan und in der Sommerresidenz Castel Gandolfo: der amtierende empfängt seinen Nachfolger. Sie plaudern über den lieben Gott, essen Pizza, trinken Fanta. Es sind kollegiale, auch kontroverse Gespräche, bei denen der deutsche Papst Benedikt XVI. (1927-2022) das Rücktrittsgesuch des Erzbischofs von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, ablehnt. Der bescheidene Argentinier will wieder als gewöhnlicher Gemeindepfarrer arbeiten, Benedikt wittert hinter dem Rücktrittsgesuch Protest gegen seine Politik.

Schließlich eröffnet der Papst dem Kardinal, er sei seinerseits amtsmüde und habe den einsamen Kampf gegen die Kurie satt. Er werde zurücktreten, Bergoglio solle sein Nachfolger werden. Der lehnt entsetzt ab, er sei nicht würdig genug. Es geht hin und her zwischen den geistlichen Herren, beide nehmen sich gegenseitig die Beichte ab, schließlich versucht der Argentinier dem Deutschen einige Tangoschritte beizubringen.

Ob und wie weit der brillante Spielfilm "Die zwei Päpste" von 2019, in dem zwei geniale Schauspieler glänzten - Jonathan Pryce (77) als Bergoglio, Anthony Hopkins (87) als Benedikt - die wahre Geschichte widerspiegelt, wissen nur wenige Eingeweihte im Vatikan. Eines ist jedoch sicher: Der Film porträtiert das Wesen von Bergoglio geradezu 1:1. Der britische Darsteller Jonathan Pryce sieht Franziskus nicht nur verblüffend ähnlich, er zeigt die gleiche Körpersprache und demonstriert absolut überzeugend die wahren Charaktereigenschaften des Heiligen Vaters, der jetzt gestorben ist.

Humorvoll und durchsetzungsstark

Jorge Mario Bergoglio war ein charismatischer Mann. Freundlich, humorvoll, bescheiden, doch auch beharrlich und durchsetzungsstark - und unkonventionell. Einer, der im Fan-Schal des argentinischen Erstligaclubs San Lorenzo bei Fußballübertragungen vor dem Fernseher saß und übrigens auch seit 2014 Mitglied bei TSV 1860 München war. Dass er mit dem neun Jahre älteren, zerbrechlich wirkenden und durchgeistigten Benedikt Tango übte, ist durchaus vorstellbar, denn der joviale Opern-Fan liebte Tango.

Papst Franziskus hatte keine Berührungsängste und, im Gegensatz zum deutschen Theologie-Ass Prof. Dr. Joseph Ratzinger, eine weltliche Vergangenheit: Vor seiner Berufung zum Priester war der junge Bergoglio als Hausmeister, Türsteher und Chemietechniker tätig.

"Er ist mein Papst!"

Tatsächlich hatten beide Männer, wie im Film geschildert, trotz aller Gegensätzlichkeiten stets Kontakt: Bergoglio wurde, wie vom amtsmüden Benedikt XVI. erwünscht, nach dessen Rücktritt am 13. März 2013 zum neuen Papst gewählt. Das neue und das zurückgetretene Kirchenoberhaupt lebten über neun Jahre in enger Nachbarschaft bis zum Ableben Benedikts im Vatikan.

Benedikt bekannte sich zum Argentinier: "Er ist mein Papst!" Und Franziskus sagte, Benedikt sei für ihn "ein Großvater, der im gleichen Haus wohnt." Er habe "eine große Klarheit, und wenn ich ihn sprechen höre, werde ich stark".

Dass 2013 auf den Traditionalisten und theologischen Bewahrer Benedikt XVI. ein Reformer folgen würde, zeichnete sich bereits am Abend nach dem Konklave ab: Da stand der Neue auf der Loggia des Petersdoms und begrüßte die Menschen mit "Fratelli e sorelle, buona sera!" - "Brüder und Schwestern, guten Abend!" Damit vermittelte er den Gläubigen das Gefühl: Dort oben steht einer von uns.

Franziskus gab sich stets bescheiden

So hat er sich selbst gesehen. Nicht als Oberhaupt der Kirche, sondern als Dienender im Namen Gottes. "Der Karneval ist vorbei", sagte er und beschloss, die üblichen roten Papstschuhe nicht anzuziehen, auch nicht die Prachtgewänder. Er trug keine Stola und maßangefertigte Mozetta, den päpstlichen Schulterkragen.

Seinen Mercedes mit Chauffeur benutzte er ebenfalls nicht, sondern fuhr mit dem Bus zu seiner Unterkunft, zahlte seine Zimmerrechnung und ging zu Fuß zurück zum Apostolischen Palast, der Residenz des Papstes, in der er auch nicht in die päpstliche Wohnung einzog, sondern in das vatikanische Gästehaus Santa Maria. Dort frühstückte er zusammen mit Gästen, die er sich zur Morgenandacht eingeladen hatte. Danach ging er zu Fuß in den Apostolischen Palast.

Er hat wiederholt Gärtner und Reinigungskräfte des Vatikans sowie Obdachlose und Häftlinge zum Essen ins Gästehaus Santa Maria eingeladen und fuhr bisweilen mit einem gebrauchten R 4, ein Geschenk, durch den Vatikan, er verschenkte Schlafsäcke an Obdachlose und ließ für sie Duschen rund um den Petersplatz aufbauen.

Hilfe für Bedürftige

Als erstes und wichtigstes Signal nannte sich dieser Papst Franziskus nach dem Bettelmönch Franz von Assisi (1181-1226). Franziskus sei für ihn der Mann der Armut, des Friedens, der die Schöpfung liebe und bewahre. Anzustreben sei eine "arme Kirche für die Armen", ihre materielle Zurückhaltung und mehr Hilfe für Bedürftige. Das Verhältnis der Menschen zur Schöpfung, sprich: zur Natur, sei "nicht sehr gut".

Papst Franziskus fuhr - als erste Dienstreise - zu den Geflüchteten auf die Insel Lampedusa und sprach über die grassierende Gleichgültigkeit: "Die Wohlstandskultur, die uns dazu bringt, nur an uns selbst zu denken, macht uns unempfindlich gegen die Schreie der anderen. Sie lässt uns in Seifenblasen leben, die schön sind, aber nichts. Die eine Illusion des Nichtigen, des Flüchtigen sind, die zur Gleichgültigkeit gegenüber den anderen führen."

Bewegende Familiengeschichte

Dieses demonstrative Bekenntnis zu den Bedrängten, zur Bescheidenheit und urchristlichen Hingabe war vermutlich ein Erbe seiner Eltern, die in den 1920er-Jahren vor dem italienischen Faschismus aus Turin nach Argentinien geflüchtet sind, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Franziskus besaß zeitlebens neben der argentinischen Staatsangehörigkeit auch die italienische. Italienisch war neben Spanisch seine zweite Muttersprache.

Er wurde am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires geboren, trat 1958 in den Jesuitenorden ein und studierte zunächst in Chile Geisteswissenschaften und nach der Rückkehr nach Buenos Aires Philosophie und katholische Theologie. 1998 wurde er zum Erzbischof von Buenos Aires ernannt, drei Jahre später zum Kardinal.

Nach der Papstwahl wurden Vorwürfe laut, Bergoglio habe während der Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983) oppositionelle Priester und andere Kritiker der staatlichen Willkür ausgeliefert. Andere Zeugen wie die Menschenrechtlerin Graciela Fernández Meijide sagten aus, er habe viele gerettet und versteckt, die von der Junta verfolgt wurden.

Ist er auf dem Stuhl Petri nach Benedikt XVI. der so sehnsüchtig erwartete Reformer geworden? Der deutsche emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper sagte 2023 in einem Bericht der "Tagesschau": "Ein Papst ist nicht so allmächtig, wie die Leute sich das vorstellen. Er muss auf die Situation der Kirche achten und der gerecht werden. Er darf die Kirche ja nicht spalten."

Gegenüber Homosexuellen hat Franziskus neue Töne angeschlagen: "Wenn ein Mensch schwul ist und guten Willens den Herrn sucht, wer bin ich, dass ich darüber urteilen könnte?" Er forderte die Kirche auf, Schwule nicht auszugrenzen. Die Priesterweihe von Frauen lehnte er dagegen ab. Gleichwohl hat er die Leitungsebene der Kirche für weibliche Laien geöffnet. Einen Schwangerschaftsabbruch hat er dagegen mit Auftragsmord verglichen.

Die große Stärke von Franziskus

Angesichts des großen Problems des weltweiten Missbrauchs von Minderjährigen durch Kirchenleute hat Franziskus das Strafrecht der Kirche verschärft und die Nähe von betroffenen Opfern gesucht. In dieser fast instinktiven Zuwendung zu anderen Menschen wurde die große Stärke dieses Papstes sichtbar. Da habe er, so Kardinal Kasper, die katholische Kirche zu einer Weltkirche gemacht.

Seit Jahren wurde Franziskus von Krankheiten geplagt. Er musste wegen einer Darmerkrankung mehrfach operiert werden, hatte Knieprobleme und saß zeitweise im Rollstuhl, doch er scherzte: "Mir geht's gut. Es ist alles normal für mein Alter." Im Februar 2025 erkrankte er dann an einer Lungenentzündung. Der Papst soll besonders anfällig für Lungeninfektionen gewesen sein, nachdem er als 21-Jähriger eine Rippenfellentzündung hatte. Anschließend sagten ihm die Ärzte, dass er drei große Zysten an der Lunge hätte, "die man schnellstens chirurgisch entfernen müsse", wie er in seinem Buch "Hoffe" schrieb. Man nahm ihm anschließend den oberen Teil des rechten Lungenflügels ab.

Keine Bestattung im Petersdom

Für den Fall seines Ablebens hatte Franziskus eine Überprüfung des päpstlichen Begräbnisses angeordnet. Die Totenwache für seinen Vorgänger Benedikt XVI. sei die letzte gewesen, bei der der tote Papst auf einem Katafalk aufgebahrt wurde. Er lehnte die öffentliche Darstellung des Leichnams ab, auch Päpste "sollten wie jedes andere Kind der Kirche beerdigt werden. Mit Würde, wie jeder Christ". Er wolle nicht auf Kissen gelegt werden, sondern in einen schlichten Sarg wie jeder andere auch.

Franziskus hat zudem verfügt, dass er nicht im Petersdom bestattet wird, sondern in Santa Maria Maggiore. Die größte Marienkirche Roms hat er oft besucht, schon vor seinem Pontifikat. "Man wird mich dahin bringen, wo jetzt die Kandelaber aufbewahrt werden, ganz in der Nähe der Regina della Pace, zu der ich im Laufe meines Pontifikates immer um Hilfe gebetet habe und von der ich mich mehr als hundert Mal habe umarmen lassen", erklärte Franziskus in seiner Autobiografie "Hoffe".

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