"München ist die internationalste Provinzstadt"

Privat wie nie: Wirtschafts-Boss Randolf Rodenstock spricht im AZ-Interview über Familienleben, die Stadt München, Kochkurse – und sein Ehe-Rezept.
AZ: Herr Rodenstock, Glückwunsch zum 60. – was war Ihr schönstes Geschenk?
RANDOLF RODENSTOCK: Meine Kinder haben mir einen Segeltörn geschenkt. Auf einer gemieteten Yacht, das war immer mein Traum. Es ist ein schöner Liebesbeweis, wenn die Kinder was mit dem alten Vater machen. Sehr Freude habe ich mich auch über das Geschenk meiner Freunde.
Wie viele haben Sie?
Vier enge Freunde. Einen kenne ich seit 54 Jahren. Auf einer Berghütte führten sie für mich ein Kasperltheaterstück auf. Über mich: „Kasperl Larifandi auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.“
Irgendwelche Erkenntnisse?
Ich suche noch, das Ende des Theaterstücks war offen gehalten.
Der Sinn des Lebens – wie wollen Sie den finden?
Ich habe früher Physik studiert, würde in diesem Bereich gerne dazulernen. Mich interessiert es, bis wohin Naturwissenschaft die Welt erklären kann und wo der liebe Gott ins Spiel kommt. Diese Frage hat mir das Studium nicht beantwortet.
Wie wär’s mit einem Senioren-Studium?
Warum nicht? Ich bin Lehrbeauftragter an der TU, da darf ich umgekehrt auch mal was beziehen – wenn ich das intellektuell noch stemme.
Sie sind Familienmensch und Firmen-Chef – das war nicht immer leicht, oder?
Meine Kinder haben früher sicher gelitten – und ich auch. Als Familie machten wir zwar Urlaub, sonst hatte ich keine Zeit. Deshalb empfinde ich es als Glück, dass mich meine Kinder heute von einer nicht so hektisch-nervösen Seite kennenlernen.
Hatten Sie wegen der Familie ein schlechtes Gewissen?
Bei einer 70-Stunden-Woche ist das so. Ich hatte mit meinen Kindern den ein oder anderen Konflikt, den wir richtig erwachsen diskutierten. Alle Beteiligten scheinen zum Glück keinen nachhaltigen Schaden davongetragen zu haben.
Hat Ihnen Ihre Ehefrau je Vorwürfe gemacht?
Nein. Meine Frau kommt aus einer Unternehmerfamilie und weiß wie das ist. Zwischen uns war die Verteilung klar: Ich arbeite, sie hält mir den Rücken frei. Heute darf man das kaum mehr sagen, weil es gegen das moderne Frauenbild verstößt.
Ist die klassische Rollenverteilung das Erfolgsmodell?
Ich habe eine liberale Einstellung, jeder soll auf seine Weise glücklich werden.
Sie selbst wurden früh Vater – mit 24.
Ich gebe zu, dass meine Frau und ich diese Entscheidung nicht getroffen haben. Das war der liebe Gott. Eines Tages hat sich Beatrice angemeldet und da war es selbstverständlich, dass wir heiraten. Ich kannte meine Frau schon seit ich 15 war.
Sie sind seit 37 Jahren verheiratet – was ist der Trick?
Nur meine Frau weiß, wie sie mich so lange ertragen und getragen hat. Ich habe ihr sehr viel zu verdanken.
Haben es Frauen in der Wirtschaft immer noch schwerer?
Es ist schwierig für eine Frau, die auch Mutter sein will. Allein wegen der zeitlichen Anforderungen in Top-Positionen. Das ist nicht leichter als früher. Leider.
Ihr Schreibtisch ist Ihr Zuhause – auf Partys sieht man Sie kaum . . .
Ich bin kein Gesellschaftslöwe, das hat mich nie interessiert. Das Leben war für mich die Firma.
Wie entspannen Sie?
Bei einem Glas Rotwein vorm Kamin – und dann im Sessel einschlafen.
Haben Sie wirklich eine Sehschwäche oder muss man mit dem Namen Rodenstock auch eine Brille tragen?
Beim ersten Fernseh-Spot hatte ich die Brille in der Hand, weil ich keine brauchte. Da regten sich die Optiker auf. Jetzt bin ich älter und brauche sie wirklich.
Ihrer Brille sind Sie treu.
Die Designabteilung hat sie extra für mich gemacht. Sie sitzt gut und geht obendrein dem Verlauf meiner Tränensäcke nach.
Machen Brillen die Menschen schöner?
Ja. Helmut Kohl sieht mit Brille deutlich besser aus.
Bedauern Sie den Rückzug aus der Chef-Etage?
Nach 30 Jahren ist es auch mal gut. Heute sehe ich, wie sich das Unternehmen entwickelt – und bin froh, dass es gut läuft. Wehmut ist aber sicher auch dabei.
Ihr Name ist eng mit München verbunden. Was schätzen Sie an dieser Stadt?
Es ist die internationalste Provinzstadt, die ich kenne.
In der Hochhäuser und Transrapid keine Chance haben – ist das typisch München?
Es gehört dazu. Man muss sich ja treu bleiben, was den Provinzialismus betrifft. München erhebt nicht den Anspruch, Metropole zu sein.
Hätten Sie sich den Transrapid gewünscht?
Es wäre für Bayern und München ein Geschenk des Himmels gewesen. Der Stadt werden Millionen geschenkt, um ein Problem zu lösen, nämlich die Anbindung des Flughafens, und dann wird es abgelehnt. Da verstehe ich Herrn Ude wirklich nicht.
Und Günther Beckstein – macht er einen guten Job als Ministerpräsident?
Er bleibt – auch als Person – sichtbar auf dem dem Boden der Tatsachen. Das macht ihn symphatisch.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Ich werde nicht mehr Präsident der Verbände sein. Aber ich habe Verpflichtungen in der arabischen Welt, einen Lehrauftrag an der TU. Es macht mir Spaß, jungen Leuten meine angehäuften Erfahrungen weiterzugeben.
Klingt nach Unruhestand.
Einfach nur entspannen, nichts tun – das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Aber mit meiner Frau habe ich einen Kochkurs besucht.
Was kochen Sie am liebsten?
Lammcurry. Richtig schön scharf.
Interview: Kimberly Hoppe, Georg Thanscheidt