Michael Graeter: Hannelore, Liz und die Bardot

Der Kolumnist und die Frauen: Elsner spielt für ihn daheim Hauskätzchen und Panther, die Taylor küsst ihn und Sexsymbol Bardot steht barfuß vor ihm – und verhilft ihm zu einer Weltsensation.
von  Abendzeitung
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Illustration © Graeters Leute-Buch

Der Kolumnist und die Frauen: Elsner spielt für ihn daheim Hauskätzchen und Panther, die Taylor küsst ihn und Sexsymbol Bardot steht barfuß vor ihm – und verhilft ihm zu einer Weltsensation.

Der erste Weltstar, über den ich für die Abendzeitung exklusiv eine Reportage schreibe, ist Liz Taylor. Sie wohnt mit ihrem Mann Richard Burton, der gerade „Der Mann, der aus der Kälte kam“ dreht, im Hotel Post in Garmisch. Ich greife zum Telefon und werde sofort durchgestellt. Eine alte Erkenntnis: Man muss es nur probieren, selbst wenn es aussichtslos erscheint. Liz ist selbst am Apparat und will mich zunächst abwimmeln, aber dann muss ich wohl mütterliche Instinkte in ihr geweckt haben. Am meisten zündet meine Notlüge, dass ich ein ganz junger Reporter sei, der hinausfliege, wenn er es nicht schaffe, ein Interview mit ihr zu bekommen. Mit ihrer angenehmen Stimme teilt sie mir mit, dass sie am nächsten Tag am Münchner Flughafen sei und ich sie im Transitraum für eine halbe Stunde sprechen könne. „See you tomorrow“, sind ihre abschließenden Worte.

Ich fahre mit meinem Fotografen Franz Hug anderntags nach Riem, wo damals alles noch recht provinziell ist und man über das Gras zu den Maschinen schreitet. Überpünktlich sind wir im Transitraum.

Eine Verspätung einkalkulierend, umkreise ich den Tresen, wo ringsherum Fluggäste warten, im Kaffee rühren und Zeitungen lesen. Ich muss so nervös gewesen sein, dass ich die Dame mit dem großen, tintenblauen Kopftuch übersehe.

Doch dann treffen mich diese blauen Augen wie Pfeile. Sie ist es. Sie ist schon vor mir da. Die Taylor ist kleiner, als ich dachte. Sie lächelt ein wenig. Ich gehe Freude auf sie zu und überreiche ihr einen Strauß Maiglöckchen. Schon habe ich gewonnen. Sie riecht an den Blumen und bedankt sich überschwänglich.

Liz Taylor gefällt meine Geschichte in der Zeitung, und es entsteht ein witziger Kontakt. Sie lädt mich auf eine Party nach Gstaad ein. Ich fahre natürlich hin. Bei unserem Wiedersehen nimmt sie mich wie einen alten Freund in den Arm und küsst mich mitten auf den Mund. Burton lächelt gönnerhaft. Die beiden sind das Traumpaar der Jetsetter, beruflich wie privat.

Liz gibt sich so natürlich wie alle großen Menschen. Als Langläufer in der Langustenliga habe ich immer wieder festgestellt, dass die wirklich Großen die umgänglichsten, und jene, die sich für etwas Besonderes halten, meist die kompliziertesten Zeitgenossen.

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Es ist Mittag und die Redaktion verwaist. Auch ich will gerade rausgehen. Da hält mich ein lang anhaltendes Telefongeklingel zurück. Ich hebe ab, und es meldet sich ein Münchner Zöllner mit markiger Stimme. Er lässt Unglaubliches vom Stapel: „Ich glaube, dass Sie das interessiert. Eben sind bei mir Gunter Sachs und Brigitte Bardot durchgegangen. Ich habe beide Pässe abgestempelt.“

Sachs? Bardot? Ich wiederhole: „Sind Sie sich sicher, Gunter Sachs und Brigitte Bardot leibhaftig zusammen?“ „Ja, klar, sonst hätte ich Sie ja nicht angerufen." Die sensationelle Information kommt so unvermittelt und klingt gleichzeitig so absurd, dass ich spaßhaft antworte: „Ja, und bei mir sitzt Napoleon auf dem Schoß.“ Diese Bemerkung verärgert meinen Anrufer, und er sagt ziemlich energisch: „Werden Sie bitte nicht unverschämt! Seien Sie froh, dass ich Ihnen das sage. Von Amts wegen dürfte ich Ihnen das gar nicht mitteilen. Ich bin ein festangestellter Grenzbeamter am Flughafen Riem."

Ich lenke ein und entschuldige mich. Ich kann die Nachricht noch immer nicht fassen. Gunter Sachs mit der Bardot bei uns in München – eine Riesenstory. Ich beginne zu recherchieren und überlege, wo Sachs seinen Gast hinbringen wird. Ich checke die wichtigsten Restaurants und Hotels in München. Fehlanzeige. Ich muss vorsichtig arbeiten, um nicht schlafende Hunde zu wecken. Da fällt mir die Rechenau ein, der Sachs-Besitz bei Oberaudorf in der Nähe von Rosenheim.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Gunter zu diesem idyllischen, versteckt gelegenen Jagdhaus fährt. Ich rufe dort an, und meine Suggestivfrage bestätigt die Information des Zöllners. „Ist Herr Sachs schon angekommen?“ erkundige ich mich scheinheilig. Die Haushälterin nimmt an, es mit einem Eingeweihten zu tun zu haben, und erklärt: „Nein, noch nicht, aber die Herrschaften müssen gleich kommen. Wir warten schon.“

Eine Stunde später kurve ich mit dem Fotografen Alfred Hase die schmale Bergstraße zur Rechenau hinauf und stoppe das Cabrio in geziemendem Abstand. Es folgt eine nervige, endlose Stille. Irgendwann hören wir plötzlich leises Motorenbrummen weiter unten im Wald. Äste knacken, der Kies knirscht, auf der schmalen Straße quält sich ein schwarzer Mercedes Pullman nach oben.

Die schwere Limousine muss halten, weil mein VW im Weg steht. Aus dem Fond steigt wahrhaftig Gunter Sachs, gut gelaunt, aber auch überrascht: „Was machst du denn hier?“ Daraufhin antworte ich: „Man hat so seine Quellen.“ Es folgt ein Smalltalk unter Tannen, dann steht sie da, die schönste Frau der Welt, in verwaschenen Jeans und barfuß. Eine Eva, die vom Himmel gefallen ist. Der Liebestraum von Millionen von Männern, blond, lasziv, verführerisch.

Für die Fotos zieht sie rasch Schuhe an. Ein paar Bilder, wie Sachs und BB Händchen haltend zum Jagdhaus gehen, erlauben die beiden unter der Bedingung, drei Tage über die Entdeckung ihrer Liebe zu schweigen und mit der Veröffentlichung über die größte Romanze des Jahrzehnts zu warten. „Bis wir wieder weg sind; wir wollen so lange wie möglich bleiben“, sagt Sachs. Ich kann das verstehen, leide aber drei Tage und Nächte unter der Angst, die Konkurrenz könnte von dem Knüller Wind bekommen. Die Nachricht bleibt Gott sei Dank geheim, und nach der abgemachten Frist drucke ich exklusiv in der Abendzeitung die Weltsensation.

Danach wimmelt es im Wald der Rechenau vor Fotografen aus aller Herren Länder. Doch da ist das Paar längst über alle Berge.

Es ist weit nach Mitternacht, und ich will eigentlich nicht mehr auf diese Party gehen, die in der Villa Stuck stattfindet, fahre dann aber doch noch vorbei. Das Fest ist in vollem Gange. Ich entdecke ein paar Bekannte und spreche mit ihnen über das Wetter. Plötzlich sehe ich ein regenbogenfarbenes Pucci-Kleid hinter einer Säule hervorblitzen. Das Gesicht der Trägerin bleibt vorerst verdeckt. Es macht mich neugierig, und dann schaue ich in braune Bambi-Augen. Das Mädchen trägt dunkelbraunes, langes Haar bis zur Schulter, das seidig glänzt. Vom Typ her ist sie gar nicht so mein Fall. Ich gebe zu, dass mich blond weit mehr interessiert.

Sie ist eine klassische Schönheit. Ihr Charme funkelt, wenn sie einen ansieht, und die vollen Lippen legen beim Lachen eine perfekte Zahnreihe frei. Ich mustere sie aus der Entfernung, und sie hält meinem Blick stand, spricht jedoch weiter mit einem Herrn, ohne ihn anzusehen. Ihr Blick gehört mir.

Als sie lächelt, spreche ich sie ein paar Minuten später an. Ich habe keine Hemmungen und das Gefühl, sie längst zu kennen. In Wahrheit habe ich sie noch nie gesehen und weiß nicht einmal, dass es sich um die junge Schauspielerin Hannelore Elsner handelt.

Wir sprechen weder über ihren noch meinen Beruf. Das Pucci-Kleid, das mich hinter die Säule gelockt hat, steht ihr vortrefflich und schmeichelt durch den hauchdünnen Stoff ihren festen Brüsten. Hannelore ist mit Theater- und Filmstar Georg Thomalla auf dieser Party, einem großartigen Komiker, der auch die deutsche Synchronstimme von Weltstar Jack Lemmon im Kino ist.

Er kann so schnell reden wie ein spanischer Radioreporter, ohne sich zu verhaspeln. Von ihm stammt die Gaumenübung mit den Worten „Wachs-Maske – Mess-Wechsel“. Schnell hintereinander wechselweise gesprochen, sind sie das ideale Warming-up für das Sprechen. „Löst jeden Knoten im Mund“, verrät der Schauspieler.

Hannelore und Thomalla, scheint mir, wissen sehr viel voneinander, was nicht jeder wissen soll. Nur neun Monate hat Elsners Ehe mit Schauspielerkollege Gerd Vespermann gedauert, dem zweiten Mann in ihrem blutjungen Leben. Der erste hieß Peter Wortmann, Musiker in der „Nachteule“ in Schwabing.

Immer mehr verlagert sich die Unterhaltung. Hannelore spricht nur noch mit mir. Als ich zwei neue Weißwein-Schorlen besorge, ist Thomalla verschwunden. Ist er eingeschnappt? Hannelore Elsner scheint es nicht zu stören. Ich liebe auf Anhieb das Timbre ihrer klaren, sexy Stimme. Hannelore ist etwas kleiner als ich und ein Jahr älter. In ihren Augen kann ich lesen, dass sie Hauskätzchen, aber auch Panther sein kann.

Als ich ihr beim Gehen in den Trenchcoat helfe, küsse ich sie herzhaft und sie mich auch. Am nächsten Morgen erlebe ich das perfekteste und delikateste Frühstück meiner frühen Single-Zeit. Das Ganze im Bett.

Mit melancholischem Blick bringt sie ein großes Tablett mit duftendem Kaffee, gekochten Eiern in gelben Küken-Bechern auf kleinen weißen Batist-Sets, dazwischen liegen Blümchen. In kleinen Eisenpfännchen brutzelt knuspriger Speck. In großen Gläsern steht frisch gepresster Orangensaft bereit, und es gibt Joghurt mit frischen Früchten, Honig vom befreundeten Imker, Weißbrot, Bauernbrot und Wurstaufschnitt sowie hausgemachte Marmeladen. Trotz dieser lukullischen, frühmorgendlichen Überraschung muss ich ihr lange in die Augen sehen und sie umarmen.

Hannelore ist eine Morgenschönheit. Wir bleiben über vier Jahre ein Paar.

Michael Graeter

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