Michael Graeter: Die „Hasen“ Uschi, Nastassja & Iris
... und die „Münchner Raben“: Wer mit wem das süße Leben von Schwabing genießt. Und wie der AZ-Klatschreporter die junge Kinski-Tochter dem 28 Jahre älteren Regisseur Polanski näher bringt
Es ist eine schöne, prickelnde, wilde Zeit, damals in den 60er Jahren. Schwabing lockt als Nabel der Welt. Schöne Mädchen heißen Hasen. Von Aids hat man noch nichts gehört. Das Vergnügen pur ist angesagt. Die „Münchner Raben“, so werden die Playboys der Szene genannt, kokettieren mit mehreren „Baustellen“. In dieses süße Leben taucht ein rehäugiges Mädchen vom Lande ein. Schon damals ein Schätzchen. Uschi Glas aus Landau an der Isar ist dem engen Elternhaus entflohen und erfüllt sich den lang ersehnten Wunsch: München. Zusammen mit Dörthe aus Itzehoe bei Hamburg mietet sie sich in der Schelling-straße eine kleine Wohnung.
Die dunkelhaarige Uschi, die als Mitgift entzückenden Babyspeck mit in die bayerische Metropole bringt, findet bei Anwalt Rolf Bossi in der Bayerstraße einen Job als Sekretärin und zudem ganz schnell Anschluss bei den führenden Mitgliedern der Eroberungsmatadore. Sie rangiert unter „Frischfleisch“, so wird jeder Neuzugang betitelt. Vor ihrer Wohnungstür sieht man ab sofort exotische Sportwagen parken. Man reißt sich um die Neue aus Landau.
Wie ein Blitz trifft es Horst Wendlandt, Erfolgsproduzent der Edgar-Wallace- und Karl-May-Filme, als er die Fotos von Uschi Glas in der „Quick“ sieht. Er hat Pierre Brice gefunden und als Winnetou erfunden.
Das visionäre Räderwerk Wendlandts setzt ein, als er die Fotos des Mädchens mit den Bambi-Augen länger betrachtet. Er will sie sofort kennen lernen. Als das Girl mit der dunklen Kurzhaarfrisur vor ihm steht und seine Plüschaugen schüchtern auf den Boden richtet, übertrifft es alle seine Erwartungen. Wendlandt gibt ihr 1965 eine kleine Rolle in dem Edgar-Wallace-Krimi „Der unheimliche Mönch“ mit Harald Leipnitz und ein Jahr später neben Pierre Brice den Titelpart in dem Karl-May-Opus „Winnetou und das Halbblut Apanachi“. Für viele Jahre spielt Uschi im Stillen die eigentliche Hauptrolle in seinem Herzen. Wenn nicht Wendlandts charmante Frau mit dem goldenen Gemüt gewesen wäre, hätte Horst Uschi womöglich zum Standesamt geführt.
Zu den Schwabinger Mädels, die auf Partys herumhuschen, zählt damals Iris Berben. Oft muss sie bibbern, um die Miete für ihre Wohnung in der Oberföhringer Straße zusammenzukratzen. Als Schauspielerin hat man sie noch nicht entdeckt. Ihr erster Versuch im Showbusiness ist ein Film von Sportfabrikant Willy Bogner. Es wird ein Flop. Nach einer Woche Laufzeit verschwindet der Streifen aus den Filmtheatern. Der geniale Regisseur Michael Pfleghar, der später leider selbst über sein Lebensende entscheidet, rückt Iris endlich ins Rampenlicht. Er macht sie, Elisabeth Volkmann und Ingrid Steeger zu Stars seiner inzwischen legendären „Klimbim“-Comedy-Serie. Erst in den 90ern steigt der Stellenwert von Iris Berben. Sie dreht Fernsehfilme und spielt Werbe-Schneewittchen für Pharmazie-Produkte.
Heute ziert sie die Titelblätter. Ihr gutes Aussehen hält sie geschickt. Als Schönheitskorrekturen noch unschicklich sind, meldet sie sich als Einzige auf eine Kolumne von mir, in der ich über die ersten Eingriffe der plastischen Chirurgie bei deutschen Damen berichte.
1971 wird sie eine allein erziehende Mutter der frühen Stunde. Sie bekommt einen Sohn, den sie Oliver nennt und der später, dank Mama, als Produzent, wie ich finde, ziemlich unkompliziert seinen Weg macht. Er wird wohl selbst nicht so genau wissen, wer sein Vater ist, denn darum macht Iris das größte Geheimnis ihres Lebens. Bis heute hat sie nie – warum auch immer – den Namen preisgegeben und die Gerüchteküche sogar noch angeheizt, indem sie verlauten lässt, dass der Vater ihres Sohnes ein „prominenter Mann“ sei. Als Kandidaten gehandelt werden ihre damaligen Favoriten, Abi Ofarim und der Nachtclub-Chef Sergio Cosmai. Sie sind es nicht. Als Olivers Papa gilt ein Unternehmer aus München, der in den USA eine große Karriere gemacht hat.
Als der Bub im Kindergarten-Alter ist, wendet sich Iris Berben einem ganz anderen Beschützer zu. Erstmals sehe ich ihren späteren Langzeitbegleiter in einem Fernsehstudio beim Bayerischen Rundfunk in Freimann, wo er als Kabelträger für die großen, zentnerschweren Elektronikkameras arbeitet.
Über Nacht – in Insiderkreisen staunt man – verfügt er über viel Geld und startet ein Schuhgeschäft. Er heißt Gabriel Lewy und trägt sein Haar gegelt nach hinten und wirkt auch sonst ziemlich glatt. Merkwürdigerweise begegne ich ihm noch ein paarmal, bevor er Iris kennen lernt. Begegnungen, die ihn nicht im besten Licht zeigen...
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Als Roman Polanski an der Münchner Staatsoper „Rigoletto“ inszeniert, treffen wir uns öfter. Zu einem kleinen Dinner, wieder in der Grünen Gans, bringe ich zwei Damen mit: Renate von Holzschuher und ihre nicht weniger attraktive Freundin. Als die beiden Ladys gerade im Waschraum sind, moniert der Regisseur meine Wahl. Die blonde Renate ist eines der schönsten germanischen Vollweiber mit Wunschliegenschaften, sie spricht sechs Sprachen und würde sogar Lucrezia Borgia in den Schatten stellen. Zehn Jahre lang ist sie ständige Begleiterin von Prinz Johannes von Thurn und Taxis. Aber sie passt anscheinend von der Generation her nicht in Romans Beuteschema.
„Sehen wir uns übermorgen“, schlage ich vor. „Jeder hat einen zweiten Versuch.“ Dieses Mal lade ich die Schwabinger Lolitas Nastassja Kinski und Caroline Seiser ein, beide extrem frühreif. Nasti pflegt aus ihrer Wohnung in der Feilitzschstraße die unanständigsten Worte auf die Straße zu schreien, und Caroline, spätere Frau von Konstantin Wecker, blickt einem halben Dutzend Kellnern auf dem Sofa der Disco Tiffany tief in die Augen, weil jeder von ihnen versprochen hat, ihr Mick Jagger vorzustellen. Im Südseerestaurant Trader Vic's nehme ich mit den beiden einen Tisch. Wir sind schon bei unserem dritten Tai-Mai-Drink, als der Überraschungsgast an den Tisch kommt. Erst als Singapore Noodles und delikaten Vorspeisen wird Nasti und Caroline klar, dass Roman Polanski vor ihnen sitzt.
Seine Augen glänzen, die Girlies gefallen ihm. Er gibt zu verstehen, dass wir möglichst schnell das Lokal verlassen sollten. Wir fahren zum Residenz-Hotel am Arthur-Kutscher-Platz in Schwabing, wo Roman eine Suite gemietet hat. Kaum nehme ich mit Nastassja auf der Couchgruppe im Wohnraum Platz, schon fliegt ein roter Pumps aus dem Schlafzimmer heraus...
Nastassja gefällt diese Entwicklung des Abends nicht. Sie bittet sie mich, sie nach Hause zu bringen, in die Schleißheimer Straße, wo ihre Mutter wohnt. Am nächsten Morgen ruft mich Polanski in der Redaktion an und verlangt hektisch die Telefonnummer von Nastassja. Er schimpft auf sie, spricht von „spießig“ und legt wieder auf.
Erstaunlicherweise trifft er sie dann allein und lädt sie als „Hauptdarstellerin“ auf die Seychellen ein. Dort macht er mit ihr eine Foto-Session für die „Vogue“. Ich treffe beide getrennt in München wieder und mich stich der Hafer: „Na, Frau Polanski“, provoziere ich die Kinski. „Nee, nee, er ist ein wunderbarer Mensch und es ist faszinierend zu sehen, wie er arbeitet, aber mehr nicht.“
Erst bei den Dreharbeiten zu „Tess“ Ende der 70er lernt Polanski die Kinski dann doch sozusagen „porentief“ kennen. Zur Europa-Premiere erscheint er wegen seiner Auslieferungsprobleme mit den USA aber nicht, lässt sich durch seine Hauptdarstellerin vertreten. Nastassja glänzt in einem weißen Seidenkleid im Mathäser in Begleitung von Bernd Eichinger und trägt an dem Abend die Nase sehr hoch. Mich kennt sie nicht mehr, was ich überlebe. Ihre Mutter behauptet kühn: „Auch ohne Michael Graeter hätte meine Tochter Roman Polanski kennen gelernt.“ Wenn etwas leicht erreicht wird, reagieren Kleingeister gern auf so eine Weise. Aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Für alle großen Regisseure, allen voran Francis Ford und Polanski, wird sie zum Kassengift.
Mehr Charisma besitzt ihr genial verrückter Vater Klaus Kinski, dessen Charme etliche Klasseweiber erlegen sind. Ein Weltstar. Schade, dass es ihn nicht mehr gibt.
Michael Graeter