Nachdenkliche Marianne Sägebrecht auf dem Friedhof: "Will niemandem zur Last fallen"

Die Schauspielerin Marianne Sägebrecht spricht im AZ-Interview auf dem Nordfriedhof über arme Seelen, ihren Vater, den 79. Geburtstag und eine sehr bedeutungsvolle Blume.
Daniela Schwan |
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"Mit diesem Friedhof bin ich verbunden": Marianne Sägebrecht beim Treffen mit der Abendzeitung.
"Mit diesem Friedhof bin ich verbunden": Marianne Sägebrecht beim Treffen mit der Abendzeitung. © BMC-Image/Dominik Beckmann

München - Es kommt nicht oft vor, dass Interviews in einer solchen Umgebung entstehen: Die AZ traf Marianne Sägebrecht, Erfolgsschauspielerin ("Der Rosenkrieg", "Ein ganzes Leben" und ab 24. Oktober mit "Münter & Kandinsky" im Kino) am Nordfriedhof. Hier pflegt die Charakterdarstellerin und Autorin, die in der Nähe von Schäftlarn lebt, regelmäßig das Grab ihrer Schwester Renate, ihrer Mutter Agnes und ihrer Tante Fanny. Und sorgt bei den vorbeihuschenden Friedhofsbesuchern für Aufregung und Getuschel: "Das ist doch…"

Marianne Sägebrecht über Billie Zöckler und Bernd Stockinger: "Diese armen Seelen haben noch immer keine Gräber"

AZ: Liebe Frau Sägebrecht, wie schön, Sie zu sehen! Sie wirken entspannt und in sich ruhend.
MARIANNE SÄGEBRECHT: Ich liebe die Stimmung, die Stille und das diffuse Licht, verweile gerne und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Hier entstehen auch oft kreative Ideen zu meinem Buch Nummer acht über Vergebung und Versöhnung und über die Zuordnung von Kräutern bei der Geburt jedes Menschen, an dem ich gerade arbeite. Mit diesem Friedhof bin ich verbunden, ich trage mich seit langem mit der Idee, für meine nahen Freunde, die 2019 verstorbene Kir-Royal-Schauspielerin Billie Zöckler und den Dietl-Film-Ausstatter Bernd Stockinger, der auch schon vor drei Jahren heimgegangen ist, hier ihre letzte Ruhestätte finden zu lassen. Ihre Urnen sind eingelagert; diese armen Seelen haben noch immer keine Gräber. Ich will das mit einem gebührenden Abschiednehmen kombinieren.

Vater von Marianne Sägebrecht im Krieg erschossen: Rose zieht sich durch ihr Leben

Am Dienstag, 27. August, feiern Sie Ihren 79. Geburtstag. Für Sie eine Gelegenheit, um innezuhalten und zurückzuschauen?
Ich gehe mit einer Handvoll Seelenmenschen zum Essen, das bedeutet mir sehr viel. Natürlich werde ich auch immer etwas sentimental. Das hängt mit meinem Vater zusammen, den ich leider nicht mehr kennenlernen durfte. Kurz vor meiner Geburt wurde er erschossen in der letzten Kriegsphase, als er sagte, "Gott sei Dank ist der Krieg jetzt zu Ende." Als meine Mutter von seinem Tod, seinem Heimgang, erfuhr, war ich erst ein paar Tage auf der Welt. Am Geburtstag bin ich voller Dankbarkeit für mein erfülltes Leben und gedanklich eng mit meinen Ahnen, meiner Familie und meinen Freunden verbunden. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Rose, die sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht.

Wieso die Rose?
Mein Vater war Gärtner und Rosenveredler. Mein Großvater war Gärtner und Schamane; in der Gärtnerei seiner Großfamilie durfte ich die ersten vier Jahre meines Lebens mit meiner Mutter erleben. Vom Regenwald und Suriname in Südamerika hat er mir viel erzählt; dem Land, in dem ich nächstes Jahr meine erste Dokumentation für meine neue Reihe "Voyages mit Marianna" auf die Welt bringen werde. Und viele meiner Filmtitel trugen dieses blumige Wort der Rose in sich: "Der Rosenkrieg" "Out of Rosenheim", "Rosalie goes Shopping" - das finde ich irgendwie geheimnisvoll.

Marianne Sägebrecht schreibt gerade an ihrem neuen Buch.
Marianne Sägebrecht schreibt gerade an ihrem neuen Buch. © BMC-Image/Dominik Beckmann

Das ist ungewöhnlich! Was machen Sie sonst im Moment?
Gerade hatte ich meinen guten Freund, den österreichischen Regisseur und Autor Thomas Kahry zu Besuch, wir haben an unserem gemeinsamen Multimedia-Bühnenprojekt für das Frühjahr 2025, "Harold und Maude", gearbeitet und schon ein bisserl meinen Geburtstag vorgefeiert. Ich habe ihm meine Überlebenssuppe gekocht. Dabei hab ich immer meine Urgroßmutter am Ohr, eine Heilerin namens Corona, das Suppenrezept ist von ihr; ich habe es von meinem Opa überliefert bekommen und baue es immer weiter aus.

"Positive Nahtoderfahrung": Marianne Sägebrecht beschäftigt sich mit "Hinübergehen"

Klingt so, also wäre Stillstand für Sie ein Fremdwort?
Ja, ich habe noch ganz viele Pläne! Und werde wohl noch vom Schöpfer hier auf Erden gebraucht. Seit meiner positiven Nahtoderfahrung im Alter von 13 Jahren beschäftigte ich mich mit dem "Hinübergehen", wie wir es im Hospiz, für das ich ehrenamtlich schon lange arbeite, nennen. Meine Aufgabe ist es wohl, Liebe unter den Menschen verbreiten, zwischen den Nationen und Religionen vermitteln, als Schauspielerin menschliche Wesen erschaffen. Und je älter ich werde, desto mehr erschließen sich mir die Zusammenhänge unseres Lebens. Das lebe ich mit großer Ehrfurcht.

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Und wenn Sie mal einsam sind?
Einsam bin ich nicht, aber bewusst viel allein. Ich schreibe, male, gestalte meinen Garten und bin dankbar für meine Gesundheit. Wenn ich Ungerechtigkeiten aushalten muss, bin ich schon mal traurig, aber die Vergebung ist ja ein wichtiger Lebensinhalt für mich. Ansonsten habe ich einen innigen Freundes- und Bekanntenkreis auf der ganzen Welt, meine wunderbare Tochter Dani, meinen super Schwiegersohn Carmelo und meine aufgeweckte 21-jährige Enkelin Alina. Dani und ich telefonieren jeden Tag, aber wir hocken nicht aufeinander. Ich bin autark, will mir in meinem Alter immer noch was Neues aufbauen - und werde später hoffentlich niemandem zur Last fallen. So Gott will.

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2 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 25.08.2024 14:25 Uhr / Bewertung:

    Da bin ich schon etwas sprachlos. DIE Billie Zöckler und Bernd Stockinger haben keine letzte Ruhestätte??? Traurig, traurig......

  • Mechthild S.-L. am 25.08.2024 14:17 Uhr / Bewertung:

    Den Spruch "... will niemanden zur Last fallen ..." kenne ich sehr gut. Gilt aber in meinem Fall immer nur für Fremde, oder Familienangehörige, die etwas weiter weg wohnen.

    In der Nähe wohnende Familienangehörige werden schonmal mitten am Tag auf der Arbeit angerufen, wenn der Fernseher nicht richtig funktioniert. Zum Arzt und zum Einkaufen gefahren werden, "belastet" ja auch nur entfernt Wohnende Familienangehörige oder Fremde.

    Aber wehe, man möchte auch, und sei es nur ein Wochenende lang, mal wegfahren ...

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