Männer sind nicht farblos
MÜNCHEN - Brian Rennie wollte nach 20 Jahren bei Escada nie mehr entwerfen. Doch nun ist der Designer wieder zurück im Modezirkus. Und zurück in München, wo er den größten Teils gelebt hat. Ein Gespräch über die Farbe Lila, über Wurzeln und wahre Freunde.
Es gibt Waffeln mit Lemon Curd, Scones mit Orangenmarmelade und Earl Grey. „Müssen Sie unbedingt alles probieren“, sagt Brian Rennie, als er die AZ in seinem Showroom in der Parkstadt Schwabing empfängt. Er selbst, ganz Brite, hält sich an den Tee, kuschelt sich tief in den violetten Samtsessel.
Für zwei Tage ist der Designer aus Stockholm nach München gereist, um seine erste Kollektion für das Sport-Chic-Label Gant zu präsentieren. Es ist ein PR-Termin, aber auch ein Heimkommen für Rennie: 20 Jahre hat er mit Ehemann Ferdinand in Schwabing gelebt, war dort Liebling der Schickeria.
"Im Nachtleben war ich vielleicht zu viel unterwegs"
AZ: Herr Rennie, Sie sind als Partytier bekannt. Wohin geht’s heute Abend?
BRIAN RENNIE: Ins Brenner, eine gemütliche Runde mit Freunden. Ich war zu viel unterwegs im Nachtleben. Danach brauchte ich einen ganzen Tag, um wieder zu mir zu kommen. Das ist es mir heute nicht mehr wert. Und ganz ehrlich: Ich weiß nicht mal mehr, wo man hingeht.
Ins Pacha, das war doch Ihr Stammclub.
Dort war ich tatsächlich vor ein paar Wochen. Tagsüber. Wir haben die Winterkollektion dort fotografiert. Sie sehen, mein Herz schlägt noch für München.
Kein Hass, weil Escada Sie nach 20 Jahren gefeuert hat?
"Ich musste auf die harte Tour lernen, wer meine Freunde sind"
Nein, man kann keine Firma hassen, bei der man die Hälfte seines Lebens verbracht hat. Ich habe dort Freunde, auch wenn ich auf die harte Tour lernen musste, welche die wahren sind. Ich hoffe, dass Escada nach den Wirren jetzt wieder eine Richtung findet.
Welche Richtung haben Sie Gant verpasst?
Mehr Farben, mehr Luxus. Die Schnitte sind schmaler, die Stoffe feiner. Es ist ein bisschen gewagter, aber doch leger. Es ist Mode die jeder versteht, selbst Männer.
Sind Männer Modemuffel?
Nein, sie kaufen einfach anders: nur bei Bedarf. Und Männer sind auch nicht so farblos wie ich dachte. Es ist unglaublich, aber pinke Pullis gehen super. Für den Herbst haben viele Läden sogar Lila geordert.
Dazu braucht es aber Mut.
Lila, pink - mutig sind die Männer von heute
Sie können auch klein anfangen, mit farbigen Details. Ein lila Innenfutter, ein bunt umnähtes Knopfloch, ein Gedicht im Manschettenaufschlag. Andere sehen das nicht, aber der Mann selbst weiß, dass er etwas besonderes trägt.
Sie entwerfen auch für Frauen. Warum können das Männer so viel besser?
Weil kein Neid dabei ist und weil ich nicht für mich designe. Jil Sanders Stil ist persönlich, es ist hundert Prozent sie. Wer sich damit nicht identifizieren kann, kauft das nicht. Männliche Designer entwerfen für verschiedene Typen. Ich mag es modisch, feminin, aber nicht aufgetakelt. Kleidung sollte stets Tradition haben.
Wieso?
Wurzeln gewinnen in der Krise an Bedeutung
Es geht nicht mehr nur um Trends, sondern um Qualität. Eine tolle Jacke kann man auch drei Winter anziehen. Marken mit Geschichte verkaufen sich besser in der Krise. Es ist eine Balance zwischen Mode und Wurzeln.
Wo sind Ihre Wurzeln?
Bei Escada, aber auch in der Natur. Dass habe ich erst in meiner Zwangspause nach Escada festgestellt. Es war reinigend, ohne Glamour und Designerklamotten auskommen zu müssen. Meine Familie, die Hunde und ein paar Gummistiefel, das war mein Leben. Erst war es gewöhnungsbedürftig, aber nach ein paar Wochen ist mir nicht mal mehr was abgegangen, wenn ich im Schlabberlook Schafe beobachtet habe.
Interview: Anne Kathrin Koophamel
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