"Männer, macht klare Ansagen!"

Ariane Sommer galt lange als "Partyluder", ein Mädel des roten Teppichs. Mittlerweile lebt die 32-Jährige in Los Angeles, treibt viel Sport, geht früh ins Bett. Mit der Journalistin Esma Annemon Dil hat sie jetzt ein Buch über Verlorenheit in der Glitzerwelt geschrieben. Ein Gespräch über Erwachsenwerden, ewige Sinnsuche und Sex.
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"Frauen in unserem Alter wollen sich nicht einschränken", sagen Esma Annemon Dil (r.) und Ariane Sommer
Ronald Zimmermann "Frauen in unserem Alter wollen sich nicht einschränken", sagen Esma Annemon Dil (r.) und Ariane Sommer

Ariane Sommer galt lange als "Partyluder", ein Mädel des roten Teppichs. Mittlerweile lebt die 32-Jährige in Los Angeles, treibt viel Sport, geht früh ins Bett. Mit der Journalistin Esma Annemon Dil hat sie jetzt ein Buch über Verlorenheit in der Glitzerwelt geschrieben. Ein Gespräch über Erwachsenwerden, ewige Sinnsuche und Sex.

Liebe Frau Sommer, liebe Frau Dil, in Ihrem Buch "Foreign Affairs" werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen der High-Society von Los Angeles und entdecken Getriebene und Rastlose, die vergeblich einem Glück hinterher laufen. Könnten die Geschichten nicht ebenso hier, in Deutschland, spielen?

Ariane Sommer: Es stimmt schon: Menschen haben überall dieselben Sehnsüchte, dieselben Ängste, Wünsche und Hoffnungen. Egal, ob Sie in der Pfalz leben oder in Paris. Ich glaube aber, in Los Angeles zeichnen sich viele Dinge noch härter ab. Noch krasser, noch scharfkantiger.

Esma Annemon Dil: Obsessionen haben in Städen wie L.A. mehr Energie, können stärker gelebt werden, wegen der großen Anhäufung des Geldes. Diese finanzielle Freiheit ist aber ein zweischneidiges Privileg. Man kann tolle Dinge machen, kann helfen, Stiftungen gründen. Andererseits: Wer eine Veranlagung zum Dunklen hat, zu Süchten und Brüchen, bei dem kann sich alles schnell ins Negative verkehren.

Ist Verlorenheit und Traurigkeit an solchen Sehnsuchtsorten größer als anderswo?

Ariane Sommer: Ja. In L.A. gibt es viele traurige, verlorene Glücksritter, Menschen, die mit einer vagen Hoffnung ins Ungewisse ziehen. Die sich sagen: „Hier wird es passieren für mich, hier wird es beginnen.“ Ich glaube, Unglück und Scheitern zeichnet sich in Umgebungen stärker ab, in denen andere glauben, man müsste eigentlich glücklich sein. Bloß, weil die Infrastruktur besser ist als anderswo auf der Welt.

"Man kann nicht ewig das Partygirl geben"

Frau Sommer, Sie galten mal als „Partyluder“, standen auf so ziemlich jedem roten Teppich der Hauptstadt. Nun leben sie selbst in L.A. Eine Flucht?

Ariane Sommer: Nein, keine Flucht. Ich habe in Berlin sechs Jahre gelebt, dann bin ich für zwei Jahre nach London gegangen. Jetzt lebe ich mit meinem Freund eben in L.A. Seit fünf Jahren.

Bereuen sie die wilde Zeit?

Ariane Sommer: Warum sollte ich? Ich gehe immer noch gern auf Partys, ja. Aber man kann nicht ewig das Partygirl geben. Irgendwann muss man etwas finden, mit dem man glücklich und erfüllt ist. Bei mir hat sich das mit dem Schreiben ergeben. Mein Leben ist jetzt ruhiger, geregelter.

Wie muss man sich dies vorstellen?

Ariane Sommer: In Los Angeles stehe ich um sieben Uhr auf, lese internationale Zeitungen. Dann setze ich mich zwei Stunden an den Schreibtisch, dann geht es zum Sport. Mittags noch mal zwei, drei Stunden Schreiben. Und abends um elf ins Bett.

Klingt nach innerer Einkehr…

Ariane Sommer: Naja. Ich hab’ gelernt, dass man das Glück nicht nur außen suchen darf. Sonst ist es wie Quecksilber, es läuft einem immer davon. Man muss innen, in sich selbst anfangen zu suchen. Das kann sehr beängstigend sein. Aber nur dort findet man das Ende des Regenbogens.

"In Deutschland wird man zum Angestellten erzogen. Nicht zum Unternehmer"

Was ist der Hauptunterschied zwischen Amerika und Deutschland?

Ariane Sommer: An Amerika liebe ich die grundsätzliche Haltung der Menschen, die Tatsache, dass einem die Möglichkeit zu träumen, eigene Wege zu gehen, viel mehr als in Deutschland eingeräumt wird. Hier, merke ich, wird man eher zum Angestellten erzogen. Nicht zum Unternehmer seiner selbst.

Esma Annemon Dil: Dinge solange zu drehen, bis sie positiv erscheinen, ist ein typisch amerikanisches Talent. Aber als Deutscher, als Realist, kann das auch mal nerven. Ich sag’ meinem Mann auch manchmal: Lass mich bitte mal kurz in Ruhe leiden…

Ihre Geschichten handeln auch vom Erwachsenwerden bzw. davon, es nicht zu können. Viele Figuren stehen an einer Schwelle, sie spüren, dass sie sich entscheiden, sich langsam festlegen müssen – und schaffen es nicht.

Esma Annemon Dil: Ja, ich glaube, Erwachsenwerden ist ein großes Thema für unsere Generation. Man sollte irgendwann einmal unbedingt erwachsen werden, klar. Aber: Es gibt keine Veranlassung dazu, außer, dass man älter wird. Ich bin immer noch gelegentlich überrascht kein Student mehr zu sein. Und wäre es jetzt Mitte dreißig nicht Zeit Kinder zu bekommen?

"Wir sind die Generation der Relativierten"

Ariane Sommer: Ich will auch Kinder haben, dann kann ich mit denen Playstation spielen. Und verstecken.

Woran liegt es, dass die Generation der 30-Jährigen nicht erwachsen wird?

Esma Annemon Dil: Ich glaube, wir haben alles gesehen. Jede große Utopie, jede starke Bewegung hat sich vor unseren Augen relativiert. Wir sind die Generation der Relativierten, wir surfen mit den Wellen.

Ariane Sommer: Und wir mussten nicht kämpfen, niemals. Wir sind nicht wie heutige Jugendliche, die Krise und Kriege miterleben. Wir hatten wahnsinnig viel Zeit gehabt uns zu entwickeln, Dinge auszuprobieren, an seiner Biografie herumzubasteln.

Esma Annemon Dil: Ich habe noch an den perfekten Lebenslauf geglaubt, daran, sein Leben planvoll und systematisch zu designen. Aber wenn man damit fertig ist, dann fällt einem auf, dass man vielleicht gar nicht der Mensch ist, den man entworfen hat und dass man schon deshalb keine Karriere machen kann, weil man sich dafür ja für etwas entscheiden müsste.

"Ich ertappe mich dabei, auf dem Bett zu springen"

Ariane Sommer: Andererseits: Sich nicht entscheiden, ist auch eine Entscheidung – und zwar die schlimmste. Sich alle Wege offen halten wollen, heißt im Grunde doch nur, sich alle Wege zu versperren. Dieses Wissen tut weh.

Wie erwachsen sind Sie denn?

Ariane Sommer: Ach je. Ich finde es wichtig, niemals dieses kleine, wilde, verrückte innere Kind zu verlieren, sich Neugier und Unbefangenheit zu bewahren. Ich selbst ertappe mich jedenfalls noch dabei, wie ich am Wochenende auf dem Bett herumspringe

Esma Annemon Dil: Dafür habe ich mein eigenes Trampolin!

Die Frauen in den Geschichten sprechen deutlich und direkt über Sex, wirken auf den ersten Blick stark, nehmen sich, was sie brauchen – und doch sind viele von ihnen Opfer.

Esma Annemon Dil: Das stimmt. Aber sie sind nicht Opfer von Männern, sondern eher von ihren Ansprüchen und Illusionen, dem Irrglauben, Ziele durch Abkürzungen schneller erreichen zu können…

"Frauen sollen alles sein dürfen, was Sie wollen"

Ariane Sommer: …und irgendwann merken sie dann, dass es sehr viel kostet. Auch, wenn sie anfangs glauben, Dinge direkt greifen zu können.

Inwieweit sind die Figuren Abbild heutiger junger Frauen?

Ariane Sommer: Da gibt es Ähnlichkeiten. Um es direkt zu sagen: Frauen in unserem Alter haben die Schnauze voll von Doppelmoral und von ständigen Erwartungen, davon, dass man sich als Frau angeblich entscheiden muss, wer man sein will: Entweder Freundin oder Mutter oder Vamp. Frauen sollen aber alles sein dürfen, was sie wollen.

Und Sexualität ebenso direkt einfordern wie Männer...

Esma Annemon Dil: Ja. Aber das bedeutet nicht automatisch Schnelligkeit: Heute hat man die Wahl zu sagen, „Hey, ich brauch drei Monate“ oder „Ich will gleich heute Nacht“. Und man soll bitte nichts beschönigen. Trotz aller Aufklärung und scheinbarer Gleichberechtigung gibt es noch immer Kommunikationsproblem zwischen den Geschlechtern.

"Bitte nicht immer die große Liebe versprechen"

Zum Beispiel?

Ariane Sommer: Zum Beispiel müssen Männer den Frauen nichts vorgaukeln. Nicht immer die große Liebe versprechen. Es ist völlig in Ordnung, wenn sie sich hinstellen und klare Ansagen machen.

Und wo bleibt bei alldem die Liebe?

Esma Annemon Dil: Liebe, ach Gott, das ist nochmal eine ganz andere, eigene Ebene.

Ariane Sommer: Um die Liebe geht es in meinem nächsten Buch: Das wird eine Liebesgeschichte in Rom. Geschrieben von Roman Libbertz aus männlicher und von mir aus weiblicher Perspektive. Aber mehr möchte ich dazu noch nicht sagen.

Jan Chaberny

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