"Looking for Eric": Wohlfühlkino mit coolem Cantona

Der erfolgreiche britische Filmregisseur Ken Loach setzt in seinem neuen Werk auf Gefühlskino im großen Stil - und einen ehemaligen Fußball-Querkopf: Frankreichs Enfant Terrible Eric Cantona versucht sich in "Looking for Eric" als Lebensratgeber.
Der britische Regisseur Ken Loach hat sich vor allem mit ernsten Sozialdramen wie zuletzt „It's a Free World“ oder „The Wind That Shakes the Barley“ einen Namen gemacht. In deren Mittelpunkt rückt der überzeugte Sozialist meist einfache Arbeiter. Das trifft auch auf seinen jüngsten Film „Looking for Eric“ zu, der sich jedoch als überraschend heitere Wohlfühlkomödie mit romantisch-märchenhaften Akzenten entpuppt.
Die Ausgangslage ist wie trist wie immer in den Filmen von Ken Loach: Der Postbote Eric Bishop (Steve Evets) kommt mit seinem Leben in Manchester nicht mehr klar: Der Job überfordert ihn so, dass er Briefe im Wohnzimmerschrank hortet. Seine Stiefsöhne Ryan (Gerard Kearns) und Jess (Stefan Gumbs) tanzen ihm auf der Nase herum. Zudem soll er auf das Baby seiner Tochter Sam (Lucy-Jo Hudson) aus erster Ehe aufpassen, die für ihren Uni-Abschluss büffelt. Als er dann auch noch seiner Jugendliebe Lily (Stephanie Bishop) begegnet, die er mit 20 Jahren hochschwanger verlassen und 25 Jahre nicht gesehen hat, baut er prompt einen Verkehrsunfall.
Rat von Cantona
Vergeblich versuchen seine Freunde von der Poststelle, die wie er passionierte Fans des Fußball-Clubs Manchester United sind, den depressiven Eric aufzubauen. Doch als er eines Abends Gras aus dem Versteck des halbkriminellen Ryan raucht, steht als Retter in der Not sein großes Idol Eric Cantona vor ihm: Der legendäre französische Kicker spricht ihm Mut zu und gibt praktische Ratschläge. Mehr noch: Er bringt Eric bei, wieder Nein zu sagen, und ermuntert ihn, endlich wieder auf Lily zuzugehen.
Das gewohnte klassenkämpferische Pathos bleibt der Filmemacher Loach diesmal schuldig. Stattdessen setzt der 73-jährige Altmeister des britischen Kinos überraschenderweise auf komödiantische, ja geradezu märchenhafte Töne. Mit dem immer noch populären Eric Cantona setzt der bekennende Fußballfan Loach zudem nicht nur auf einen realen Kickerhelden als publikumswirksames Zugpferd, sondern überhöht die ansonsten realistische Szenerie durch den imaginären Lebenshilfe-Coach zugleich ins Phantastische.
Imaginäre Lebenshilfe
Die wundersame Rückkehr des Antihelden Eric ins Leben schildert Loach beiläufig und ohne Anflug von Sentimentalität. Dazu tragen vor allem die geschliffenen Dialoge von seinem Stammdrehbuchautor Paul Laverty und die vorzüglichen Schauspielerleistungen bei.
Wie schon so oft ist dem Regisseur mit dem unbekannten Steve Evets als Mittvierziger in der Lebenskrise abermals eine schauspielerische Entdeckung gelungen. Evets und seine ebenbürtige Filmpartnerin Stephanie Bishop machen kitschfrei glaubhaft, dass eine frühe Liebe auch nach 25 Jahren wieder aufleben kann.
Cantonas coole Sprüche
Trotz einiger Längen im Mittelteil ist „Looking for Eric“ der seit vielen Jahren heiterste und zugänglichste Film von Ken Loach und hat daher gute Chancen, ihm wieder einen größeren Zuschauererfolg zu bescheren. Dabei helfen dürfte nicht nur Cantona, der etwas hölzern agiert, aber mit coolen Sprüchen aufwartet.
Für Spannung sorgt kurz vor Schluss eine Krimi-Nebenhandlung mit grandiosem Finale, in dem Erics Gesinnungsgenossen eindrucksvoll zeigen, wie man Werte wie Solidarität, Freundschaft und Zivilcourage buchstabiert. Dabei nutzen sie nicht nur Baseballschläger, sondern auch das Internet. Mehr sei aber nicht verraten. (ddp)