Lisa Fitz: "Sex ist ein Politikum"
Kabarettistin Lisa Fitz über die Beschreibung ihrer wilden Jahre, die heutigen Frauen und ihren Umgang mit dem Älterwerden
AZ: Frau Fitz, in Ihrem Busch schildern Sie, wie Franz Josef Strauß Sie in eine Privatwohnung abschleppte (siehe Kasten). Erwarten Sie Post von Monika Hohlmeier?
LISA FITZ: Ich habe mir von allen Menschen, über die ich geschrieben habe, das Einverständnis geholt …
Von Ihrem Sohn, Ihrem Ex-Mann Ali Khan, Konstantin Wecker, Franz Xaver Kroetz und von dem Mann, der Sie entjungfert hat?
Ja. Nur im Fall von Strauß war das ja nicht gut möglich. Ich würde mich, wenn Post käme, auch mit Frau Hohlmeier auseinandersetzen. Aber diese kleine Anekdote wird sie wohl nicht gegen mich aufbringen.
Sie haben Strauß die Anmache nicht übel genommen?
Ich war von ihm persönlich beeindruckt, politisch hatte ich andere Ansichten. Diese Anekdote zeigt, wie bedenkenlos Politiker sich jungen Frauen nähern. Sie gehen davon aus, dass die qua ihrer Machtposition attraktiv sind. Das ist auch heute noch so. Strauß war nicht der Einzige, mit dem mir etwas in der Art passierte.
Kommt da noch was nach?
Nein, da kommt nix mehr.
Wie haben Sie entschieden, was Sie im Buch preisgeben und was nicht?
Ich wollte kein Enthüllungsbuch schreiben, aber auch keine nur nette Biografie. Zu mir und meinem Leben gehören die wilden Jahre wie der Senf zur Weißwurst, ich war geprägt von der 68er Zeit, sexueller Libertinage, Partys und Pille – mit der die Frauen ihre Lebensplanung selbst bestimmen konnten.
Verachten Sie schwache Frauen?
Aber nein, das wäre ganz falsch. Ich denke nur, dass ganz viele Frauen ihr Potential nicht erkennen und sich selbst sabotieren. Auch heute noch lassen Frauen den Männern viel zu oft den Vortritt. In den Führungsriegen finden Sie nach wie vor nur 2-3 Prozent Frauen.
Ärgert Sie das?
Die Welt würde mit einem größeren Frauenanteil an der Spitze möglicherweise verantwortungsvoller geführt. Es gibt noch unzureichende Möglichkeiten der Kinderbetreuung, die Männer engagieren sich in der Familie immer noch zu wenig. Und die jungen Frauen nehmen das hin, als sei es unverrückbar. Das finde ich sehr, sehr schade. Weil ich ja die Welt verbessern will, wie alle Kabarettisten.
Und funktioniert’s?
In kleinen Schritten. Das Bewusstsein können wir ein bisschen erweitern.
Hat sich frauenmäßig zu wenig verändert?
Es hat sich sehr viel verändert. Aber vieles bleibt zu tun, vor allem global gesehen. Und vieles ist rückläufig. Wenn ich mir die TV-Sex-Spots anschaue, in der sich Frauen als Schnäppchen zum Dumping-Preis verhökern... der Schuss geht nach hinten los.
Sie schreiben, Sie haben sich oft missinterpretiert gefühlt, wenn man Sie auf Ihr Image als Sex-Vamp reduziert hat. Ist Ihr Sexleben politisch?
In meinen Programmen ging es um Geschlechterrollen, die Texte hatten stets ein gesellschaftspolitisches Anliegen. Aus meinem Privatleben habe ich einiges veröffentlicht, um zu zeigen: Eine Frau darf auch das, was Männer machen. Weibliche Sexualität ist ein Politikum, eine sexuell erfahrene Frau hat keinen falschen Respekt vor Männern, sie ist frecher, sie traut sich mehr.
Wenn sich Uschi Glas mit 59 im Bikini fotografieren lässt, ist das auch politisch?
Unter Umständen, ja, es sprengt muffige Gehirnlimits. Es kommt drauf an, welche Zeitung das macht. Aber wenn es ihr Bedürfnis ist, dann soll sie es machen können. Andere Frauen sagen: „Ich bin 60, da darf ich dick sein.” Muss man nicht, wenn man nicht will.
Sie machen vier Mal pro Woche Sport, trinken nichts. Welche Rolle spielte Alkohol in Ihrem Leben?
Lange Jahre eine große. In der Jugend haben wir viel gefeiert, in meinem Beruf gehört für viele Alkohol dazu. Einige Kollegen und Kolleginnen sind hängen geblieben und viele sind daran zugrunde gegangen. Ich wollte das nicht. Ich möchte sehr alt werden und lange auftreten. Am liebsten würde ich sozusagen gesund sterben.
Sie schreiben auch, dass Sie in den 90ern in einer psychosomatischen Klinik waren.
Es kam alles zusammen: Trennung, falscher Mann, zuviel Beruf, zuviel Depression, und da habe ich mir helfen lassen. Ich möchte das nicht breit treten, es ist eine kleine Episode, aber ich habe im Buch vieles offenbart, weil ich zeigen will, dass der Weg zur Stärke steinig ist und man sein Lebensschiff aktiv steuern muss.
Rückblickend: War das Dschungelcamp ein Fehler?
Privat nein,beruflich vielleicht.
Der Schulmädchenreport?
Als Schauspielschülerin bot man mir einen Drehtag an und sagte, das sei ein pädagogischer Film über das Denken und Fühlen von jungen Mädchen. Mit 19 war ich zu naiv, das beurteilen zu können, am Set habe ich mich nicht getraut, zu widersprechen. Ich hatte keinen Erotikfilm vermutet, der die nächsten 40 Jahre und danach noch im Internet herumgeistert.
Und mehr Klicks hat als Ihre Kabarettprogramme.
Ja, klar, so was ist halt immer interessant. Aber ich weiß jetzt, wie man es anstellt, dass jemand, der ohne Rechte etwas auf Youtube stellt, es wieder rausnehmen muss. Also wieder was gelernt.
Ihre Mutter, die auch Künstlerin war, ist dement und im Pflegeheim. Haben Sie Angst vor Demenz?
Seltsamerweise überhaupt nicht. Ich finde, ein Mensch hat, wenn er alt wird, das Recht, sich geistig langsam zu verabschieden. Wir nehmen das auch bei meiner Mutter, die jetzt 88 ist, mit Humor. Wie erzählen dann halt die gleiche Geschichte fünf Mal.
Wie sind Ihre Begegnungen?
Das Pflegeheim ist fünf Minuten von uns entfernt, sie wird dort besser betreut, als ich es je könnte. Sie kann nicht mehr gut sprechen, weil sie die Sätze nicht mehr zu Ende kriegt. Aber die Gitarre meines Vaters steht dort und wir singen dann. Sie kann fast alle Texte noch auswendig, auch von ihren früheren Songs.
Sagen Sie jetzt doch mal den Satz: „Ich werde in zwei Wochen sechzig Jahre alt.”
Ja ja, ich weiß schon, ich nenne diesen Geburtstag den „Unaussprechlichen”. Aber ich kann es jetzt schon sagen. Den 40. fand ich ganz schrecklich, beim 50. dachte ich: Na und? Bei 60 war es so, dass ich mich gewundert habe, wenn ich in den Spiegel geschaut habe. Ich dachte, die da drin sieht noch gar nicht so aus? Aber man hat ja Zeit, sich daran zu gewöhnen. Und man macht eine Inventur: Was habe ich erreicht, bin ich damit zufrieden, was will ich in Zukunft?
Was wollen Sie?
Touren nervt manchmal, weil auf der Autobahn immer mehr Staus und Baustellen sind. 2012 kommt mein neues Programm „MUT!”. Ich will mehr schreiben, Theaterstücke, Kurzgeschichten, Romane, und ich werde Theaterregie machen.
Wie feiern Sie den Unaussprechlichen?
Auf einem Schiff auf der Donau mit 80 Leuten. Familie Freunde, Mitarbeiter – bis hin zum Steuerberater. Ich mag ihn und er hat ja auch Außerordentliches geleistet.