Latex, Lust & Leggins

Übercool und chinarot: Susanne Wiebe zeigt auf der Fashion-Week in Berlin Trends. Über 1000 Kollektionen werden bis Samstag über die Bühne gehen - Justin Timberlake ist auch da.
Und dann fährt Anna Loos die lackierten Krallen aus, maunzt Starfriseur Udo Walz an. Der wirft ihr eine Kusshand zu und Loos lacht aus tiefster Brust, so dass ihr Seitenzopf auf dem Flechtmuster der roten Robe zittert. Es ist Fashion Week in Berlin – und statt cooler Mimik wird gefeiert in der Hauptstadt. Keine Attitüden, keine Arroganz, keine Haute-Couture – dafür viel Lässigkeit.
Über 1000 Kollektionen werden bis Samstag über die Bühne gehen. Wunderkind von Wolfgang Joop, Gant von Brian Rennie, Boss Orange von Eyan Allen, Streness Blue von Michalsky. Vier Tage Mode 2010, vier Tage Prêt-à-Porter aus Deutschland, vier Tage München in Berlin: Denn Münchens Designer sind neben den Berlinern am besten vertreten: Talbot Runhof, Escada, Susanne Wiebe, dazu Nachwuchs wie Patrick Mohr und Marcel Ostertag.
Der hat für seine Schau aus den 650 internationalen Models diejenigen geordert, die „lange Haare haben, über 1,80 Meter groß und extrem schlank“ sind. Ähnlich auch Susannne Wiebes Models, die übergroß durch High-Heels, überdünn durch fließende Stoffe, übercool durch chinarote Lippen und eine gelangweilte Mimik wirken. Ihr Publikum im China Club aber ist alles andere als cool: Das Make-up fließt bei den schwülen Temperaturen, der Champagner ist im Nu leer und die ehemalige Glücksradfee Maren Gilzer winkt aufgeregt in ihrem Minikleid mit Glitzersteinen. Bunte-Chefin Patricia Riekel setzt sich auf ein pinkes Kissen in die erste Reihe – und ist erst mal mit Nicken beschäftigt: Ein Gruß an Regine Sixt, an Regina Ziegler und Michaela May, an Sybille Beckenbauer und Sophie Schütt.
Ideen gibt es genug - Wiebes Fransen auf Lack und Leder zählen dazu
Dann geht es los, laufen die Models, zeigen Latex-Leggins unterm Fransenkleid, Futurama trifft auf Flapper-Girl. Riekel und ihre Redakteurinnen applaudieren, man ist sich einig, das wird was – genau wie wohl die gesamte Fashion Week in Berlin, in dieser Stadt, die „noch keine Form gefunden hat", wie Wolfgang Joop sagt. Dennoch setzt sie Trends – und zieht Glamour in der Stadt: Julia Stegner, ]Rupert Everett, Kim Cattrall, Diane Kruger, kommen. Justin Timberlake stellt auf der Modemesse Bread&Butter seine Jeans-Kollektion vor.
Die anderen schauen sich derweil die deutschen Shows an – und gehen gerne zu den ausländischen Labels Custo Barcelona und Black Coffee. Doch die Deutschen können etwas dagegensetzen. Ideen gibt es genug, Wiebes Fransen auf Lack und Leder zählen zum Beispiel dazu. Am ersten Abend haftet den Schauen noch etwas Flüchtiges an, es beginnt erst. Nach einem letzten Happen Peking-Ente und Garnelen-Sushi wartet unten die Limousine, denn, nein, aufhalten will man sich nicht: Escada lockt noch, danach ein eisgekühlter Champagner im Borcherts’. Die Nacht ist lang. Die Fashion-Week hat gerade erst begonnen.
Anne Kathrin Koophamel