Lars von Trier wird 60: Genie und Wahnsinn in Personalunion

Hinter der Kamera meist genial, vor der Kamera häufig genial daneben: Bei Filmemacher Lars von Trier liegt das so oft zitierte Genie direkt neben dem Wahnsinn. Am 30. April feiert der Däne seinen 60. Geburtstag. Höchste Zeit sein Leben, Schaffen und seine Skandale zu beleuchten.
von  (stk/spot)

Bei einer öffentlichen Konferenz vor der internationalen Fachpresse von Cannes sein Verständnis für Adolf Hitler auszudrücken - das ist nicht die beste aller Ideen. Wer wüsste das wohl besser als der dänische Filmemacher Lars von Trier? Und während da also bei besagtem Pressetermin "Melancholia"-Hauptdarstellerin Kirsten Dunst (33) gute Miene zu katastrophalem Spiel machte und dabei zusah, wie sich ihr Regisseur um Kopf, Kragen und die Cannes-Teilnahme schwätzte, drängte sich die Frage auf: Hat von Trier einfach nur einen verheerenden Sinn für Humor, war es ein Moment der geistigen Umnachtung oder meinte er es etwa ernst? Am 30. April feiert der Regisseur nun seinen 60. Geburtstag. Dies sind seine Skandale, seine filmischen Meisterwerke und sein Leben.

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Die Frage nach dem Ursprung

Schon von Triers Herkunft müsste einer antisemitischen Gesinnung eigentlich einen Riegel vorschieben. Sein Vater Ulf war dänischer Jude und lernte seine Frau, Lars von Triers Mutter, während der deutschen Besetzung im dänischen Widerstand kennen. Erst mit 33 Jahren erfuhr er das wohlbehütete Geheimnis, dass Ulf gar nicht sein leiblicher Vater und er somit auch nicht jüdischer Abstammung ist.

Woher von Trier seine Faszination für das Film-Medium entdeckte, ist unklar. Vielleicht war es sein Onkel Borge Host, ein Filmemacher, der die Leidenschaft in ihm entfachte. Jedenfalls schnappte sich von Trier bereits als Grundschüler eine Kamera und begann auf Super 8 erste Kurzfilme zu produzieren. Doch so früh er seine Passion aufspürte, so rasch holten ihn seine Dämonen ein. Er litt unter zahlreichen Phobien und unter Depressionen, wurde als Kind psychologisch betreut. Eine Düsternis beherrschte früh sein Leben, die sich später auf seine Werke ausweiten sollte.

Vom Kurzfilm "Nocturne" bis "Nymphomaniac"

So wundert es auch nicht, dass der Schwermut ein ständiger Begleiter in quasi all seinen Filmen ist. Seinen ersten internationalen Filmpreis gewann von Trier 1980 beim Festival der Filmhochschulen in München mit seinem Kurzfilm "Nocturne" - über 50 weitere Auszeichnungen sollten folgen. 1984 dann sein erster Feature-Film, "The Element of Crime". Dieser stellte nicht nur von Triers internationalen Durchbruch dar, er machte ihn auch zu einem gern gesehenen Gast und Gewinner in Cannes...

Waren seine Filme stets schwere Kost unter dem Schutz der Kunstfreiheit, war es sein 1998 erschienener Film "Die Idioten", welcher mit seinen pornographischen Szenen selbst dem hartgesottenen Publikum aufstieß. Filmkritiker Marc Kermode war von dem Streifen gar so aufgebracht, dass er aus der Vorführung in Cannes geschmissen wurde.

Danach folgte mit "Dogville", "Antichrist" und "Melancholia" seine sogenannte USA-Trilogie. Ersterer glich einem Theaterstück, sämtliche Häuser wurden nur mit weißen Zeichnungen auf dem Boden dargestellt, Hauptdarstellerin war Nicole Kidman. Ungleich düsterer der zweite Teil des filmischen Triptychons: In "Antichrist" stellt von Trier die Natur als abgrundtief verdorben und böse dar. Der Film beginnt mit einer Sexszene in Super-Slowmotion, wie in "Melancholia" mit Kirsten Dunst leidet die Hauptfigur an einer schweren Depression - von Triers liebstes Leitmotiv, das auch in seinem bislang letzten Film "Nymphomaniac" deutlich zu sehen war. Nicht umsonst wurde er gemeinsam mit "Melancholia" und "Antichrist" schon gerne als "Trilogie der Depression" bezeichnet.

Die Sucht und das lose Mundwerk

Waren seine Werke mit wenigen Ausnahmen stets kontrovers, für die größten Skandale sorgte von Trier immer auf andere Weise. Mit den eingangs erwähnten Aussagen über Hitler etwa, die ihn binnen eines verhängnisvollen Interviews vom Cannes Liebling zum Geächteten machten. Oder als er im Interview mit der dänischen Tageszeitung "Politiken" keinen Hehl daraus machte, dass er sich nur unter Drogeneinfluss kreativ genug wähnt, um Filme machen zu können. Und dann war da noch der Moment, als von Trier die zu diesem Zeitpunkt erneut schwangere Mutter seines ersten Kindes für deren Erzieherin verließ. So sehr man sich bemüht, schreibt das Leben dann doch die skandalösesten Drehbücher. Aber nicht, dass es Lars von Trier nicht versucht hätte...

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