„Künstler sind die besseren Menschen“

Werner Schneyder spricht im Interview über sein neues Buch "Die Socken des Kritikers", Uli Hoeneß, Finanzzuhälter und die Lust am Scheitern
von  Abendzeitung
Kabarettist, Schauspieler, Moderator, Regisseur – und, ach ja, Autor ist Werner Schneyder auch. Als solcher liest er im Schlachthof.
Kabarettist, Schauspieler, Moderator, Regisseur – und, ach ja, Autor ist Werner Schneyder auch. Als solcher liest er im Schlachthof. © AZ

Werner Schneyder spricht im Interview über sein neues Buch "Die Socken des Kritikers", Uli Hoeneß, Finanzzuhälter und die Lust am Scheitern

Werner Schneyder sitzt im Zug, er möchte sofort über sein Buch „Die Socken des Kritikers“ reden, aber der Empfang ist schlecht. Also lieber daheim, über Festnetz – dort hört man dann auch die Bissigkeiten des 72-Jährigen, der am Dienstag um 20 Uhr im Schlachthof liest, viel besser.

Guten Tag, Herr Schneyder, in Ihrem neuen Buch porträtieren Sie Künstler, die viel wollen und meist scheitern. Was fasziniert Sie am Scheitern?

WERNER SCHNEYDER: Scheitern hat große Lebensqualität.

Wie meinen Sie das?

Nun, Scheitern zwingt einen auf den Boden der Tatsachen, bringt einen ganz nah zu sich. Das macht menschlich. Ich bin lieber mit einem erfolglosen Dichter befreundet als mit einem erfolgreichen Vermögensberater. Künstler sind überhaupt die besseren Menschen.

Das ist nicht Ihr Ernst!

Aber unbedingt. Künstler wollen sich selbst aufbauen, ihre Persönlichkeit. Nicht ihre Reputation. Oder ihr Konto. Obwohl: Am komischsten finde ich es, wenn Businessleute etwas nicht erreichen.

Der FC Bayern ist am Wochenende 1:5 in Wolfsburg untergegangen...

Ja, und daran sieht man doch die große Komik des Scheiterns. Der Uli Hoeneß. Meine Güte! Ich schau ihm so gerne zu, wenn er so belämmert dasteht mit rotem Kopf. Da sieht man doch, dass alles Tragische zugleich auch komisch ist.

Gilt das auch für die Wirtschafts- und Finanzkrise?

Aber natürlich. Auch bei der darf man seinen Spaß haben.

Hm, sicher? Tausende Menschen haben jetzt Angst um ihren Job...

Ja, das ist mörderisch, was da gerade geschieht. Aber das meine ich gar nicht. Ich denke, man muss die Finanzkrise satirisch kommentieren, um auf diese Weise den „Big-Playern“ ihren Nimbus zu nehmen. Das sind alles Finanzzuhälter...

Herr Schneyder...

Doch, Finanzzuhälter! Und eigentlich rangieren sie noch unterhalb gewöhnlicher Zuhälter. Bei denen gibt es ja noch einen Gegenwert: die Damen.

Themenwechsel, bevor Sie völlig explodieren. Sind Sie ein disziplinierter Schreiber?

Ich bin ein Triebtäter. Ich kann erst schreiben, wenn ich die Figuren, die Pointe im Kopf habe. Dann speie ich es aus.

Sie sind Kabarettist, Autor, Regisseur, Moderator. Wie, um Himmels Willen, geht das?

Das werde ich nur in Deutschland gefragt. Wer hier Unterschiedliches macht, gilt rasch als Hallodri. Damit muss ich leben – obwohl es natürlich ein Quatsch ist.

Jan Chaberny

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