Krupp-Erbe Arndt von Bohlen: Der Paradiesvogel der Münchner Nächte

MÜNCHEN - Die Trilogie über die Krupp-Familie lockt Millionen an den Fernseher. Michael Graeter hat Arndt von Bohlen und Halbach, den letzten Sproß der großen Industriellen-Dynastie, gekannt – hier berichtet er.
Er war der funkelnde Saphir der grauen Dynastie und die Deutsche Mark noch hart wie Krupp-Stahl. Bis zu seinem 28. Lebensjahr schien für Krupp-Erbe Arndt von Bohlen und Halbach die Welt noch in Ordnung, als er in einer Nacht- und Nebelaktion vom Generalbevollmächtigten Bertold Beitz über den Tisch gezogen wurde. Der „Baron“, wie Arndt sich gern nannte, musste auf vier Milliarden Mark verzichten und erhielt als Trostpflaster ein jährliches Taschengeld in Höhe von zwei Millionen Mark.
Von da an ging er Beitz aus dem Weg, was nur auf Sylt ziemlich schwierig war, wo beide Ferien-Domizile besaßen. So sah man Arndt Ausflugsinsel der Hamburger nur im „KC“ in Westerland, wo sich Bertold nie hinverirrt hätte. Den Paradiesvogel der 60er und 70er Jahre, der am 8. Mai 1986 an Krebs starb, hat das ZDF mit einem Früh-„Dallas“-Dreiteiler „Krupp – eine deutsche Familie" nun in Erinnerung gebracht.
Ein perfekter Playboy mit blendenden Manieren
Arndt, vom Auftreten her ein bisserl König Ludwig II. und ein bisserl Inka-Herrscher, pflegte schon in seiner Studentenzeit Lifestyle, da wussten die meisten noch gar nicht, was das heißt. Bis auf das Beuteschema war Bohlen ein perfekter Playboy mit blendenden Manieren und Allüren. Seine rauschenden Feste, oft mit viel Verkleidung, aber wenig Stoff, waren das reinste Glockenbach. Für ein Entgegenkommen belohnte er so manchen Partygast reichlich, wie zum Beispiel Max Dietls damaligen Laufburschen Rudolph Moshammer. Der junge Krupp verhalf ihm zu seiner Boutique „Carnaval de Venise" in der Maximilianstrasse und Rudi kopierte fortan Bohlen und Halbach ohne die Mittel zu haben. Bis er dann abstürzte, als Mama Else nicht mehr war, und das Modegeschäft in „Moshammer" umgetauft wurde.
Gönner-Gelder erhielt auch der schöne Walter Schmollinger, Wirt des „Pimpernell". So verschwenderisch sich der Industrie-Erbe auch gab, so gönnerhaft war er, wenn es galt, armen Leuten zu helfen, ohne PR daraus zu schlagen, wie seine Kopisten. In Thailand und auf den Philippinen verteilte er höchstpersönlich Spenden, die in die Hunderttausende gingen. Er kontrollierte peinlich genau das Geld. Das thailändische Königspaar war amused und lud ihn oft an den Hof.
Krupp lebte lieber in München als in Essen
Krupp lebte lieber in München als in Essen, wo er als bestgehasstes Familienmitglied galt. Außer: Anneliese, die Mama, ließ nichts auf ihn kommen und war immer an seiner Seite, als die Ehe mit Prinzessin Hetty von Auersperg längst in die Brüche gegangen war. In Schwabings Georgenstraße, gleich neben dem Café Extrablatt, besaß er im Pacelli-Palais oberhalb des George-Clubs eine doppelstöckige Stadtwohnung mit eigener Bibliothek. Arndt ließ sich im Rolls Royce oder Mercedes-Pullmann kutschieren und die Haare bei Herbert Seidlitz in dessen Damensalon machen, wo Julia von Siemens, Annelies Grundig oder die Prinzessin von Preussen unter der Haube waren.
Lange Zeit hieß sein Schneider Christian Breidert, bei dem er von einem Modell immer gleich sieben Anzüge anfertigen ließ. Mit einem smaragdgrünen Samtanzug mit Stehkragen und halblanger Jacke wurde Arndt von Bohlen und Halbach im Wiener Restaurant „Sacher“ nicht bedient. „Sie müssen hier im Jackett erscheinen", belehrte ihn der Kellner, „dös, was Sie trag'n is ka Jackett, dös is a Mantel. Dös geht bei uns net."
Als der Krupp-Erbe auf seinem Schloss Blühnbach 1969 Hetty von Auersperg heiratete, sorgte die Braut dafür, dass die turtelnde Männer-Entourage um ihn herum ziemlich ausgedünnt wurde. Nur Prinz Ruppi zu Hohenlohe, Sekretär und freundliche rechte Hand von Arndt, wurde akzeptiert. Erstaunlicherweise hielt die Ehe bis 1975, als sich Bohlen dafür entschied, mehr Zeit auf seiner 34 Meter langen Yacht „Antinous" zu verbringen. 1980 stellte die Prinzessin ernüchtert fest, dass sie Arndt nicht so oft sieht, wie sie Weihnachten feiert. „Ich habe von Anfang an gewusst, dass Arndt ein schwieriger Mensch ist. Aber, dass er mir so durch die Finger geglitten ist, hätte ich mir nie gedacht."
Arndt tuschte seine Wimpern und trug lange Haare
Ich traf den jungen Krupp, der in der Münchner Gesellschaft wie ein Mars-Wesen bestaunt wurde, erstmals im November 1970 beim gemeinsamen Bestaunen von modernem Design der Londoner Avantgarde in den „Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk AG". Es sprach seine Exzellenz, der britische Botschafter Sir Roger Jackling. Den Rundgang durch die Ausstellungsräume führte ein Dudelsackpfeifer an. Im Blickpunkt war Arndt von Bohlen und Halbach, eine Lichtgestalt inmitten der betagten Cocktailgäste, die bei der „Schlossführung" an eine Stellprobe fürs Wachsfigurenkabinett erinnertern. Die ferngebliebene Hetty ersetzte der katzensanfte Prinz Rupprecht, der wegen allzu enger Hosen immer ein Handtäschchen mit sich führte.
Millionär-Privatier Bohlen trug einen Strickanzug, die Hosen in den Stiefeln, und um die Hüfte einen breiten Ledergürtel. Bedeutungsschwer senkte Arndt seine Wimpern (getuscht mit Harriet-Hubbart-Ayers-Super-Long-Mascara) beim Anblick eines Sheraton-Esszimmers, welches ihm gefiel. Das seidig glänzende Haupthaar ließ Arndt neuerdings sprießen. Es verdeckte die Ohren und reichte bis zum Kragen. „Sie lassen länger stehen", sagte ich. Arndt: „Ja, das tun doch alle. Meine Haare waren sogar noch länger. Ich habe sie mir nur ein bisschen kürzer machen lassen". „Haben Sie noch den Friseur, den sie stets von London nach München einfliegen lassen?" Bohlen: „Natürlich, aber er kommt nur zum Schneiden. Waschen kann man ja selber". Zum Schluss verriet er noch ein Geheimrezept: Um die Haare möglichst lang und gut zu erhalten, rieb er sie alle zwei Tage mit Rindermark ein.