Kolumnistin Kimberly Hoppe erinnert sich an Christine Kaufmann

AZ-Kolumnistin Kimberly Hoppe erinnert sich an Christine Kaufmann – eine Frau, in die man sich nur verlieben konnte.
von  Kimberly Hoppe
Peter Fonda und Christine Kaufmann
Peter Fonda und Christine Kaufmann © Agentur Schneider-Press/WB

Sie liebt die morgendliche Dämmerung, wenn Stadt und Menschen, der ganze Trubel noch schlafen. Spätestens um sechs Uhr geht Christine Kaufmann jede Früh bei sich daheim in Schwabing raus auf den Balkon – ganz egal, ob es schüttet oder schneit. Sie trinkt dort ihren Kardamom-Tee. Atmet 20 Minuten lang kräftig ein und aus. Streckt sich dem Leben entgegen. Jetzt ist sie bereit. Der Tag kann kommen.

Gerne hat sie mich kurze Zeit später angerufen, mir amüsiert auf die Mailbox gesprochen, wohlwissend, dass ich noch schlafe: "Wahrscheinlich bist du gerade erst ins Bett, Liebes", sagt sie lachend. Auch wenn unsere Tagesabläufe um ein paar Stunden verschoben waren, so haben wir früh zusammengefunden. Durch die Abendzeitung, klar. Sie der Star, ich die Journalisten.

"Du schreibst, wie ich denke", sagt sie vor vier Jahren bei einem Treffen. "Lass uns ein Buch zusammen machen, ein freches." Wenige Tage vor ihrem Tod ist dieses Buch nun fertig geworden. Und mit der Zeit entwickelt sich zwischen Christine und mir eine Freundschaft, die so schön wie ungewöhnlich ist. Dass uns ein paar Jahre trennen? Wurscht. Ihre beiden Töchter sind zu dem Zeitpunkt unseres Kennenlernens weit weg von München. Aber Christine umgibt sich gern mit jüngeren Menschen, fühlt sie sich ja selbst viel jünger als sie ist.

Diese Zahl mit der Sieben, die sagt ihr nichts. Deshalb freut sie sich auch besonders, als Allegra endlich Mallorca verlässt und mit Sohn Raphael, gerade Teenager geworden, bei ihr einzieht. Natürlich stellen Allegra und Raphi Christines Bude – und ihr Single-Leben auf den Kopf.

Natürlich kann sie eine zickige Diva sein

"Ich werde zur richtigen Spießerin", erzählt sie mir. "Plötzlich koche ich für Raphi, lege ihm eine Serviette hin und frage nach den Hausarbeiten. Dann sagt er: Omi, du warst doch auch nie in der Schule. Ich entgegne ihm dann: Ja, ich wurde Kinderstar. Dabei wäre ich viel lieber zur Schule gegangen." Sie lacht.

Solche Geschichten liebt Christine. Sie reflektiert gerne, nimmt sich oft selbst auf die Schippe, all den Ruhm, den Glamour, die Männer, das ganze Leben. "Wenn es zum Weinen ist, kann man nur lachen", meint Christine. Egal, ob ihre Ehen scheitern, Filmrollen ausbleiben ("Die Produzenten denken, ich sei eine zickige Diva") oder das Geld mal knapp ist, Christine lässt sich nicht unterkriegen. Natürlich kann sie eine zickige Diva sein. Es ist ihr Temperament. Ihre Rolle, die sie seit über 70 Jahren spielt – und auch ihr Panzer, der sie vor zu viel Verletzung beschützt.

Voller Wärme, Herz, Esprit und Einzigartigkeit

Sie hat viele Kollegen und Affären am Ruhm zerbrechen sehen, Drogen, Alkohol, Tabletten, was auch immer. Christine bleibt sich treu, egal, ob es den anderen gefällt oder nicht. Sie braucht kein Koks, kein Botox, kein TV-Engagement, sie muss niemanden etwas beweisen. Nur sich selbst.

Dass sie ins KVR gehen kann, um Enkel Raphi umzumelden. Ein Vorgang, der ihr, die weder Führerschein besitzt noch jemals öffentliche Verkehrsmittel benutzen würde, völlig neu ist. Aber sie schafft das, wenngleich etwas fluchend, mit dem KVR – und ist stolz. Wer Christine kennenlernen und hinter die perfekt frisierte und geschminkte Fassade schauen kann, der verliebt sich sofort. Denn die echte Christine ist voller Wärme, Herz, Esprit und Einzigartigkeit, das man ab sofort nur eines machen kann: Morgens um sechs Uhr in den Himmel schauen. Er wird jetzt heller strahlen.

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