Karl beleuchtet Passau
Modeschöpfer Lagerfeld ist für eine Nacht die Lichtgestalt der Drei-Flüsse-Stadt, die er auf den Kopf stellt – Graeter trifft einen alten Bekannten
Mit zweieinhalb Stunden Verspätung taucht die Lichtgestalt in Passau auf, das sich gerade zügig vernebelt. Das gepuderte Silberhaar mit dem Mozart-Zopf blitzt auf, zusammen mit der Sonnenbrille, dem Markenzeichen von Karl Lagerfeld, als er leibhaftig aus der Limousine steigt.
Der Modeschöpfer kommt aus Linz, dem für diesen Trip nächstgelegenen Flughafen. Die Drei-Flüsse-Stadt liegt nicht unbedingt auf der Jet-Set-Reiseroute des Couturiers, Zeichners und Fotografen. „Haben Sie sich verirrt, Herr Professor? Weil Passau mit P anfängt genauso wie Paris?“ Die Frage beantwortet der eilige Karl, mein zeitloser Bekannter, später. Er muss jetzt schnell ins örtliche Museum, wo Fotos von ihm hängen.
Begleitet wird Lagerfeld, der erste Mann, der inzwischen als eigene Inszenierung globetrottet, von Britta von Maydell, der geprüften Front-Dame von „Bunte“ in Paris, und einem drahtigen jungen Mann. Es ist nicht seine neue Waschbrettbauch-Muse, sondern ein streng dreinblickender Roadmanager mit Stromschlag-Frisur, der kaugummikauend Karl die Wege zuteilt, und bestimmt, wann Auto, wann Lift, wann Treppe, wann Abflug (22.05 Uhr).
Immer mit der linken Hand fliegenfächernd bahnt der Manager sich eine Gasse durch die geballte Reporter-Meute, und Britta wacht gouvernantig darüber, dass Karl keine gefährlichen Fragen an den Kopf geworfen werden. Eigentlich unnötig, weil Lord Silberhaar mit seiner sonnengottartigen Schlagfertigkeit den Fragensteller meist treffend bedient.
Später avanciert „Bunte“-Direktorin Patricia Riekel zur Schutzpatronin und nimmt Lagerfeld im Medienzentrum nahezu keimfrei wie in einer Intensiv-Station in Beschlag. Bis er dort erscheint, rudert Moderator Walter Berndl mit Worten und einem Lächeln aus der Abteilung: „Wes’ Brot ist ess’, des Lied ich sing.“ Designer-Witze fallen ihm nicht ein, nur, dass es sich noch um Minuten handeln kann.
Zwischendurch lässt er für etwas Pausenmusik ein Trio ans Mikrofon, mit der Königlichen Hoheit Karl Friedrich Erbprinz von Hohenzollern am Saxophon. Er ist mit seiner hübschen, langbeinigen Tochter Flaminia da. Regional-Prominenz, angeführt von Uschi Glas und ihrem huldvollen Gatten, der den Eindruck macht, dass er pro Abend nur ein bestimmtes Kontingent von Füllwörtern aufsagen darf, ist anwesend, und sogar der immer kugelrund gesund aussehende BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb sitzt im mit Lagerfeld-, Chanel und Cloe-Garderobe aufgemaschelten Publikum. Der Fernseh-Boss ist mit Dienst-Taxi und Frau Gisela aus München nach Passau vorgefahren.
Zwei First Ladies der Passauer Fleetstreet – Verlegerin Angelika Diekmann, blond, liebenswürdig und aufmerksam, und ihre Tochter Simone Tucci-Diekmann, blond, mit falscher Bescheidenheit – haben Karl in ihr niederbayrisches Imperium gelockt.
„Falsche Bescheidenheit“, das lernen wir von ihm, die hasst er. Da hat er es lieber mit Leuten zu tun, die über Leichen gehen. Sein Outfit spielt er als „normal klassisch“ herunter. Er trägt schwarz, die Kaschier-Farbe, bei seinen Windkanalwerten nicht relevant: zur schwarzen Hose ein schwarzes Hemd mit weißem, gestärktem Kragen und schwarzen Blazer sowie einen schwarzen Seidenschlips mit Krawattennadel in der Größe eines Kindertennischlägers, „von Chamet, 1911“, wie er Fotografin Sabine Brauer erklärt, die übrigens das erste Foto von Claudia Schiffer schoss, als mir Lagerfeld das unbekannte Girl in Paris vorstellte.
Auf der Bühne, wo Patricia Riekel mit einem auf Großbildschirm übertragenen Jungmädchenblick die Fragen stellt, erfahren wir, dass Ehrengast Lagerfeld asketisch-luxuriös in einem 1,60 Meter breiten Bett schläft, in antiker Bettwäsche mit Stickereien. Und dass er in eiskalten Räumen lebt, nicht trinkt und nicht raucht. „Das hält frischer“, behauptet er und verrät, dass er sich am meisten um sich selbst kümmert. „Das ist meine Hauptbeschäftigung.“
Die fingerkuppenfreien Rocker-Handschuhe trage er wie andere eben Schuhe, aber vor allem deshalb, weil ihm seine strenge Mutter in Hamburg weismachte, er habe keine schönen Hände. Obwohl der Stromschlag-Mann zur Eile mahnt, nimmt sich Karl ein paar Minuten Zeit für mich ganz allein.
Warum es ihn ausgerechnet nach Passau verschlagen hat? Er sei folgsam, es wäre von der Verlagsgruppe ausgegangen, die ihm den „Menschen in Europa-Kunst Award“ verliehen hat, verbunden mit zwei Fotoausstellungen im „Museum Moderner Kunst“ und im Atrium des Medienzentrums.
Die vielen Bücher, die in letzter Zeit ohne sein Zutun über ihn erschienen sind?
Karl: „Ich habe keines gelesen. Ich wundere mich über die Cremeschnitte (meint er etwa den Kollegen Paul Sahner?), die vor acht, zehn Jahren einmal mit mir gesprochen hat und jetzt mit einem Buch daherkommt“.
Die Kleidung von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel?
Karl: „Die Hosen könnten länger sein.“ Und tschüss.
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