Judith Rakers: "Im Garten hat man alles selbst in der Hand"

AZ: Liebe Frau Rakers, wann waren Sie das letzte Mal im Supermarkt, um Gemüse, Obst oder Eier zu kaufen?
JUDITH RAKERS: Eier habe ich seit fast einem Jahr nicht mehr gekauft, Gemüse im Winter schon. Meine Winter-Selbstversorgung ist ausbaufähig.
Eier bekommt Judith Rakers von ihren eigenen Hühner
Schmeckt die Gurke überhaupt noch, wenn sie nicht aus dem eigenen Garten kommt?
Da gibt es große Geschmacksunterschiede. Salatgurken aus dem eigenen Anbau sind aromatischer und weniger wässrig. Alles schmeckt viel frischer und knackiger, wenn man es gerade aus der Erde gezogen hat. Bis auf eine Ausnahme: Paprika aus dem Supermarkt ist besser als die, die ich angebaut habe. Bei mir werden sie kleiner und schrumpelig. Da muss ich noch üben. Den extremsten Unterschied schmecke ich bei den Eiern meiner Hühner - und weil sie mich morgens so fröhlich begrüßen, beginnt der Tag jetzt immer mit einem Lächeln.
Vor drei Jahren fingen Sie an, vom "Vollhonk ohne grünen Daumen", wie Sie sich selbst bezeichnen, zu einer begeisterten Homefarmerin zu werden. Was war Ihr Schlüsselerlebnis, Ihr Leben radikal zu ändern?
Das war ein längerer Prozess. Ich habe 20 Jahre in der Stadt gewohnt, vierte Etage, Altbau, Café, Lieferdienst, alles um die Ecke. Das habe ich auch sehr genossen. Doch nach und nach machte sich in mir diese Sehnsucht nach mehr Natur breit. Ich wollte nicht nur im Urlaub oder am Wochenende Bäume und Felder sehen. Dazu kam ein immer stärker werdender Wunsch nach einem nachhaltigeren Leben. Ich esse so gerne Himbeeren, am liebsten täglich, doch diese Plastikverpackung störte mich immer mehr und dann diese in Plastik eingeschweißten Salatgurken. Ich stand oft im Supermarkt und dachte, das muss anders gehen. Dann lernte ich in meiner Sendung den Selbstversorger-Papst Wolf-Dieter Storl aus dem Allgäu kennen, der mich sehr beeindruckte. Irgendwann beschloss ich, aufs Land zu ziehen - an den Stadtrand von Hamburg mit kleinem Haus und großem Garten neben einem Naturschutzgebiet.
"Der Maulwurf ist nun regelmäßig mein Mitarbeiter des Monats"
Ein mutiger Schritt?
Und wie. Ich hatte Sorge, dass ich meine Freunde kaum mehr sehen würde - und wie zeitaufwendig die Fahrerei zum Studio wird. Als mein Vater, bei dem ich aufgewachsen bin, mich das erste Mal besuchte, sagte er: Um Himmels willen, was für ein großer Garten - was du da mähen musst und die Tonnen von Laub im Herbst. Womit er Recht haben sollte. Über all das hatte ich gar nicht nachgedacht. Aber das Laub kommt auf meinen Komposthaufen und in die Hochbeete. Selbst der Maulwurf, der mich erst fürchterlich ärgerte, ist nun regelmäßig mein Mitarbeiter des Monats. Er buddelt mir tolle Pflanzerde nach oben, die ich nur absammeln muss.

Vermissen Sie die Stadt?
Überhaupt nicht.
Rakers genießt mit ihrem Garten die "Freiheit, so autark zu sein"
Ist das Leben mit 13 Hühnern, einem Pferd, drei Katzen, Gewächshaus, unendlich vielen Pflanzen nicht anstrengend?
Null! Das ist es, was mich überrascht hat. Meine geliebten Hühner sind pflegeleicht, jeder Hund ist viel zeitaufwendiger. Fünf, sechs Minuten am Tag reichen fürs Ausmisten, Füttern, dazu zweimal im Monat das Gehege reinigen - und sie sind glücklich. Die Pflanzen erledigen viel alleine. Wenn ich Lust habe, eine Karotte zu snacken, geh ich in den Garten und muss nicht in den Supermarkt fahren. Das ist eine unglaubliche Freiheit, so autark zu sein.
Ist es auch der Kontrast zum glamourösen und stets perfekten TV-Alltag, der Sie am Herumwühlen in der Erde reizt?
Sicher. Im Garten habe ich alles selbst in der Hand, sehe meine Ergebnisse sofort. Es macht unglaublich viel Freude und erdet - im wahrsten Sinne. Es ist ein Zurück zu den Wurzeln. Ich will niemanden missionieren, nur ermutigen, dass man es ohne grünen Daumen schaffen kann, großes Glück in der Natur zu erfahren. Was auch guttut, ist das digitale Abschalten: Früher war ich nervös, wenn ich im Café mein Handy nicht dabei hatte. Heute werkel ich fünf Stunden im Garten und merke später: Da liegt mein Handy, das gibt's ja auch noch.
"Von Tomaten rate ich Anfängern ab, effektiv sind Radieschen"
Ist Homefarming nur etwas für Menschen mit viel Geld?
Das würde ich nicht sagen. Mein kleiner Himbeer-Busch, den ich für 16 Euro kaufte, das sind etwa sieben Supermarkt-Himbeer-Schälchen, hat sich schnell amortisiert. Ich habe ein Dreivierteljahr supersaftige Monsterbeeren geerntet. Im Übrigen kann man auch ohne Garten auf der Fensterbank oder dem Balkon pflanzen.
Womit wir bei München wären: Hier wohnen die meisten Menschen für viel Geld auf wenig Platz. Was empfehlen Sie?
So, wie ich angefangen habe: mit einem Kräuterkasten und einem Hochbeet im Wohnzimmer. Von Tomaten würde ich blutigen Anfängern abraten, die sind echt knifflig. Effektiv sind Pflücksalat, Rucola, Radieschen. Nach vier, sechs Wochen kann man schon ernten, der Salat wächst ständig nach. Man kann nix falsch machen. Auch gut: ein Jutebeutel mit Erde, vier gekeimte Kartoffeln rein, aus denen mindestens 25 werden. Es sind vielleicht gerade jetzt die kleinen Dinge, die großen Spaß machen.
Was fehlt noch zu Ihrem Glück - die erste Kuh?
Ich habe schon wie Pippi Langstrumpf ein Pferd im Garten und das bekommt bald das erste Fohlen. Wenn es so weit ist, weiß ich gar nicht mehr, wohin mit meinem vielen Glück.
In vier Wochen die dritte Auflage: Die Moderatorin Judith Rakers (45, "Tagesschau") trifft mit ihrem Bestseller "Homefarming - Selbstversorgung ohne grünen Daumen" (Gräfe und Unzer Verlag, 240 Seiten) ins Schwarze- pardon: Grüne.