Joachim Fuchsberger über Tod, Liebe und Zwetschgendatschi
Körperliche Gebrechen? Für Joachim Fuchsberger kein Grund für Klagen. Mit Humor und eisernem Willen stemmt sich der 86-Jährige gegen die Beschwerden des Alters – so wie in seinem Film „Die Spätzünder 2“. Im Interview redet „Blacky“ über Tod, Liebe und Zwetschgendatschi.
München – Von Klagen hält Joachim Fuchsberger wenig. Auch wenn ihn zahlreiche Gebrechen plagen, will sich der 86-Jährige davon nichts anmerken lassen. Im Gegenteil – er scherzt sogar, etwa über seinen Rollstuhl. „Ihr müsst immer stehen. Ich bin das Sitzenbleiben schon von der Schule her gewöhnt“, sagte Fuchsberger in Grünwald bei München anlässlich seines neuen Films „Die Spätzünder 2 – Der Himmel soll warten“ über eine Revolte im Altersheim, zu sehen am Mittwoch (23. Oktober) um 20.15 Uhr im „Ersten“. Im dpa-Interview redet er über Entmündigung im Alter, seine Kochkünste und den Tod, den er sich wie die bayerische Theaterfigur „Brandner Kasper“ als „Boandlkramer“ vorstellt.
Frage: Im Film werden die Heimbewohner mit einer Fülle an Freizeit- und Therapieangeboten nahezu erschlagen. Sie bekommen püriertes Essen, damit sie sich nicht verschlucken. Fühlt man sich bei so viel Fürsorge nicht entmündigt?
Antwort: Es sind so viel Therapien und so viel Möglichkeiten, dass das über die Hutschnur geht. Es ist erkennbar, wie schwierig es ist, mit alten Leuten umzugehen. Menschen bleiben bis ins hohe Alter Individuen. Altersheime stehen immer unter der großen Erkenntnis: Es jedermann recht zu machen, ist eine Kunst, die keiner kann. Meine Rolle ist hier noch besser, als im ersten Teil („Die Spätzünder“), weil ich die Revolution starte. Ich verweigere die Nahrungsaufnahme und sage, fresst das Zeug selber! Da beginnt die Revolution im Heim.
Sie haben ja auch im echten Leben nie den Konflikt gescheut. Entspricht ihnen diese Rolle des Revoluzzers denn nicht ohnehin?
Das ist richtig. Ich bin nicht in der Lage, mich unterzuordnen, wenn ich etwas nicht einsehe. Ich nenne meine Frau meine Regierung. Das ist die einzige Obrigkeit, die ich in meinem Leben anerkannt habe. Alle anderen waren entweder Idioten, oder es war irgendeine dämliche Organisation, die mich zu etwas zwingen wollte, was ich nicht wollte. Deshalb habe ich auch jedes politische Engagement abgelehnt, als man mich gefragt hat.
Was macht Ihre Frau anders, dass sie auf ihren Rat hören?
Ich weiß einfach, dass sie es gut mit mir meint. Sie sagt mir schonungslos Dinge. Die anderen pinkeln einem glatt ans Bein. Wie die das sehen, ist mir völlig wurscht. Ich mache prinzipiell nur das, wovon ich überzeugt bin und nicht das, wovon andere überzeugt sind. Das war auch in meinem Berufsleben so.
Nach den Dreharbeiten ging es Ihnen gesundheitlich sehr schlecht. Fühlen Sie sich inzwischen besser?
Ich sehe mich heute als alten Mann, der vorne und hinten nicht mehr richtig hochkommt, der aber versucht, das beste daraus zu machen. Ich habe zwar meinen Schlaganfall gehabt. Aber alle Menschen leider unter irgendetwas. Ich habe im Augenblick überall Schmerzen, in den Beinen, in den Füßen, im Kopf, in den Gelenken. Aber ich bin trotzdem eigentlich ganz fröhlich.
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Wie kommt das?
Man muss das Alter so akzeptieren, wie es ist. Wenn ich irgendwo hin muss, muss ich mit dem Rollstuhl fahren. Jetzt ist die Frage, wie gehe ich psychisch damit um? Klage ich aller Welt, dass ich im Rollstuhl sitzen muss? Ich sage, ihr habt es nicht so gut wie ich, ich kann sitzen. Ihr müsst immer stehen. Ich bin das Sitzenbleiben schon von der Schule her gewöhnt.
Bei den „Spätzündern“ sorgt Rapper Sido dafür, dass die Bewohner des Heims neuen Lebensmut fassen. Wie haben Sie die Dreharbeiten mit ihm erlebt?
Meine Frau und ich waren vollkommen dagegen, das er mitmacht, und wir waren damit nicht allein. Wir haben gesagt, der passt nicht da rein. Aber der Regisseur hat sich dessen Lied eingebildet, „Der Himmel kann warten“ und da haben wir gesagt, das passt natürlich wie das Deckelchen auf den Topf. Und dann kam Sido und wir waren alle begeistert von ihm. Er war von einer Höflichkeit, von einer kooperativen Bereitschaft, alles mitzumachen und uns zu helfen. Die Rapgeschichte hat uns zum Schluss begeistert. Wir sind rumgeflippt auf der Bühne, als ob man uns Pfeffer in den Hintern gestreut hätte.
Haben Sie auch privat noch Kontakt zu jungen Leuten?
Viele kennen wir noch aus der Jugendzeit unseres Sohnes Thommy. An seinem Todestag gehen wir immer an sein Grab und sind mit einigen seiner besten Freunde zusammen. Die Jungen von damals, die sind jetzt auch alle so 57, die kommen immer noch zu uns. Sie sind immer noch mit uns verbunden. Sie fragen, wie es geht, können wir euch irgendwo hinfahren oder etwas einkaufen? Das ist etwas, was uns ungeheuer viel gibt. Eine der letzten großen Begegnungen, die mich zutiefst berührt hat, war erst mit Ralf Bauer und jetzt mit Jan Josef Liefers. Mit ihm empfinde ich eine tiefe Verbindung, fast eine Seelenverwandtschaft.
Haben Sie Angst vor dem Tag, an dem es weiter bergab geht?
Jede neue Krankheit, jeder neue Herzschrittmacher oder Bypass ist für mich ein Déjà-vu-Erlebnis. Das habe ich alles schon durchgemacht. Was soll ich mich da aufregen? Sehr gravierend war der Schlaganfall. Ich habe keine Angst vor dem Tod, sondern vor einer irreparablen Hinfälligkeit.
Wie gehen Sie mit dem Lebensende um?
Ich bin nicht gläubig und kann mich nicht an Gott wenden. Ich sehe den Himmel und was danach kommt zu meinem Vergnügen wie der Brandner Kaspar. Ich sehe den Tod immer als Boandlkramer. Der Boandlkramer ist für mich die Inkarnation des Todes. Vor dem habe ich keine Angst, der ist mir schon oft begegnet. Dann hat er immer seinen alten Kopf geschüttelt und gesagt, der ist noch nicht dran, der Alte, den entsorgen wir später.
Wie stellen Sie sich den Tod denn dann vor?
Dass endlich Ruhe herrscht! Nur so ist es erträglich, darüber zu sprechen. Es gibt für mich kein Leben oder Wiedersehen nach dem Tod. Der Tod ist für mich das Ende und Feierabend. Ich habe damit kein Problem. Manchmal beneide ich Menschen, die ihre Kraft aus einem tiefen Glauben holen. Die haben das als Hilfe, wenn es ihnen schlecht geht, weil sie an etwas glauben, was für mich irreal ist, was nicht erreichbar ist. Die guten Dinge, die das Leben bescheidet oder nicht, muss ich zu Lebzeiten ausnützen, so gut es geht.
Was sind diese guten Dinge des Lebens?
Es sind nicht immer die, von denen wir meinen, es seien die guten Dingen. Das Glück besteht meistens aus einem großen Anteil von Verzicht auf vieles, was man haben könnte, aber von dem man erkennt, dass man es nicht braucht. Das macht einem schon vieles leichter.
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Was ist ihr größter Wunsch?
Ich habe keine Wünsche mehr, was soll ich mir wünschen? Das höchste Gut auf dieser Erde habe ich. Das ist nicht mein Haus und mein Grundstück. Das macht auch frei und unabhängig. Das höchste Gut auf der Erde ist die Hand meiner Frau, die kann ich nehmen und sagen, im Moment geht es mir schlecht, hilf mir und umgekehrt. Es ist mein größter Wunsch, solange wir beide leben, dass wir gegenseitig für uns da sein können.
Ihre Ehe gilt als vorbildlich – fast 60 Jahre und keine Skandale. Kommendes Jahr feiern Sie diamantene Hochzeit. Die Gründe dafür haben Sie schon oft genannt, vor allem Vertrauen spielt eine große Rolle. Wie haben Sie die Aufgaben in ihrer Beziehung verteilt?
Meine Hauptaufgabe in unserer Ehe: ich koche, seit wir verheiratet sind, praktisch jeden Tag, mit Ausnahme, wenn ich Filme gedreht habe. Meine Frau ist sehr viel begabter, mit Geld umzugehen, sie macht die Finanzen. Bei unserer Hochzeit vor nunmehr fast 60 Jahren habe ich ihr die gesamte Verantwortung für die Finanzen übergeben und habe auch nie mehr mit Geld zu tun gehabt. Ich habe auch selten Geld in der Tasche.
Wann haben Sie denn mit dem Kochen angefangen?
Angefangen zu kochen habe ich bei der Geburt meiner Brüder vor nunmehr 70 Jahren. Als mein mittlerer Bruder geboren wurde, war niemand zu Hause, da habe ich mich hingestellt und gesagt, ich mache mir mein Lieblingsessen selber, das waren damals Bratkartoffeln mit Salat und Zwiebelsoße.
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Und was kochen Sie heute besonders gerne?
Schwäbische Hausmannskost. Ich brate, ich mache jedes Geflügel, ich mache wunderbare Suppen, ich mache Linsen mit Spätzle, saure Kartoffelscheiben. Und ich mache, wenn es drauf ankommt auch Dampfnudeln und Maultaschen. Kuchen backen überlasse ich meinem Bruder. Der ist gelernter Konditor und kann das ausgezeichnet. Am allerliebsten mag ich Zwetschgendatschi und einen trockenen Guglhupf. Und dazu eine kleine Tasse Kaffee!
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