Richard Süßmeier wird 90: Ich bereue keine Sekunde
Am Samstag wird Wirte-Legende Richard Süßmeier 90 Jahre alt – das Geburtstags-Interview in der AZ.
AZ: Lieber Herr Süßmeier, wie fühlt es sich an, 90 zu werden?
RICHARD SÜSSMEIER: Passt scho. Mittelmäßig. Es hilft ja nix. Die Materialermüdung spür ich, ich bin kein Springinsfeld mehr.
Aber im Kopf sind Sie fit?
Zumindest zeitweise (lacht).
Hätten Sie gedacht, so alt zu werden?
Na, niemals. Als Wirt lebt man nicht vorschriftsmäßig, ist immer gefährdet, schneller mal Servus zu sagen. Ich hab meine Baustellen, bin klapprig geworden, aber: Ich freu mich jeden Tag, an dem ich aufwache.
Wie feiern Sie Ihren 90.?
Gar nicht. Durch Corona wär das nur künstlich. Schon früher waren im damals noch katholischeren Bayern die Namenstage wichtiger. Ich hab gleich zwei davon, keine Ahnung, warum. Im Februar und im April, ich könnte ständig feiern. Jetzt werde ich mit meinen beiden Kindern bei schönem Wetter mittags in ein Wirtshaus gehen und draußen was Essen. Dazu ein alkoholfreies Bier. Ich trink seit Jahren keinen Alkohol mehr, mein Arzt sagt, ich soll Wasser trinken, doch das liegt mir nicht.
Wo geht eine Wirte-Legende wie Sie zum Geburtstagsessen?
Ha! Das sag ich nicht, da gibt's nur Ärger von den anderen Wirten, die sind eingeschnappt, wenn ich nicht bei ihnen einkehre.
Die Wirte werden immer eine eigene Welt für sich sein, oder?
Und was für eine! Da muss man aufpassen. Ich hab's geliebt, Wirt zu sein. Es gibt keinen schöneren Beruf. Alle Welt kommt zu dir, bezahlt dich dafür, bei dir sein zu dürfen. Das ist doch toll. Heute bin ich auf dem Beobachterposten, lese alles, kriege alles mit.
Süßmeier: "Das Virus ist ein hinterfotziger Kerl"
Sind Sie froh, in Corona-Zeiten kein Wiesnwirt zu sein?
Mei. Dass das Oktoberfest ausfällt, wohl auch der Fasching, ist traurig, aber richtig. Die Gesundheit geht vor. Das Virus ist ein hinterfotziger Kerl, der nicht mit sich reden lässt.
Halten Sie sich an alle Regeln?
Kürzlich war ich in Grünwald in der Post und hab meine Maske vergessen, da sind alle gleich ganz erschrocken. Ansonsten bleib ich daheim und verhunger trotzdem nicht.
Sie kochen gut?
Zumindest mir schmeckt's, ich hab keine hohen Ansprüche.

Darf ich fragen, was mit Ihrer Frau ist – Christa Pschorr, die Sie damals nicht gerade zur Freude Ihres Schwiegervaters geheiratet haben?
Der Brauereibesitzer war total gegen mich, ich konnte ihn verstehen. Er war unglaublich konservativ, ich war ihm zu munter. Heute bin ich nicht mehr verheiratet, aber wir sind befreundet. Auch schön.
Sie sind also, wie es gern heißt, glücklicher Single?
Zufriedener Single.
Ihr Solo-Sein war bisher geheim, könnte sein, dass sich jetzt ein paar Frauen melden.
In meinem Alter meldet sich doch niemand mehr.
Könnten Sie sich vorstellen, nochmal mit einer Frau unter einem Dach zu leben?
Für die Frau könnte ich's mir nicht vorstellen (lacht). Wie meine Mama immer sagte: Man kann nicht alles haben.
"Krieg, Corona – nichts kann München umbringen"
Mögen Sie Ihren Spitznamen als Wirte-Napoleon?
Lange hielt ich es für eine Ehre, bis ich dahinterkam, dass selbst Napoleon ein paar Niederlagen beklagen musste. Wobei mein richtiger Spitzname Wirtsbua war. Als mein Vater starb, hab ich mit 17 den Straubinger Hof am Viktualienmarkt übernommen (heute Zum Straubinger, Anm. d. Red.) und da ich auch damals nicht sehr groß war, war ich bei den Gästen halt der Wirtsbua. "Servus Wirtsbua", riefen sie mir zu. Als ich lange erwachsen war und für die Gäste immer noch der Wirtsbua war, sagte ich: Jetzt reicht's, ich bin der Wirt, ohne Bua. Ich hab mein Selbstbewusstsein nochmal angeschraubt, damit mich die Leute ernst nehmen.

Das mit dem Selbstbewusstsein hat geklappt, was besonders Peter Gauweiler als damaliger KVR-Chef erfahren durfte. Wegen der Parodie auf ihn haben Sie letztendlich das Armbrustschützenzelt verloren. Bereuen Sie Ihre Späße mit dem Hendl, das in drei Hälften geteilt wurde, und Ihre "Gauweiler is watching you"- Plakate im Nachhinein?
Im Gegenteil. Ich bereue keine Sekunde in meinem Leben.
Gratuliert Gauweiler Ihnen zum Geburtstag?
Glaub ich eher nicht. Da gibt's nichts mehr zu reden zwischen uns. Ich seh ihn oft genug in der Zeitung, das reicht mir.
Erkennen Sie Ihr München von früher heute noch wieder?
Ja, doch. Nichts gegen andere Städte. Aber München hat einen eigenen Charakter. Nichts kann München umbringen. Als der Straubinger Hof zerbombt wurde, war ich mit meiner Mama im Hochbunker am Ende der Schrannenhalle. Sie hatte Angst, ich komischerweise nicht. Die halbe Stadt war danach weg, aber sie kam wieder zurück. So wird es auch mit Corona sein. Es geht immer irgendwie weiter. Wichtig in einer Stadt sind die Menschen – die machen die Stadt aus.
War das Ihr Erfolg: die Menschen zu kennen, zu schätzen?
Wahrscheinlich. Ich kannte damals fast alle. Ob das der Vogel war, Königin Beatrix oder die Callas, die zu den Reherln Radi reinschnippelte und sich alle Gäste fragten, wie sie so einen seltsamen Geschmack und gleichzeitig so eine unglaubliche Stimme haben kann. Zeiten, die ich nicht missen will.
Süßmeier: Der Tod lässt nicht mit sich verhandeln
Denken Sie über den Tod nach?
Manchmal.
Haben Sie Angst davor?
Nein. Der lässt ja eh nicht mit sich verhandeln. Was danach kommt, sollen meine Kinder entscheiden. Mich braucht's dann nicht mehr kümmern.
Ihr Wunsch zum 90.?
Zufrieden bleiben und das auch die Umgebung spüren lassen. Früher kam mal ein Neuheitenverkäufer in mein Lokal. Er verkaufte ein Mittel und sagte: Wenn Sie das nehmen, können Sie nicht mehr sterben.
Und Sie haben einen extra großen Schluck genommen?
Ja.
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