Ist das wirklich komisch, Herr Hermanns?

Der Jury-Vorsitzende des deutschen Comedy-Preises Thomas Hermanns über den politischen Witz in der Krise, über Tunten und Tigerenten, den Zickenkrieg im Kabarett und warum er mit Wehmut an München zurückdenkt
AZ: Herr Hermanns, als Jury-Mitglied mussten Sie alle Comedy-Nominierten anschauen. Qual oder Freude?
THOMAS HERRMANNS: Ich sehe mir auch die Nicht-Nominierten an. Der Comedy-Marathon ist für mich wie ein Fitness-Programm, dazu gibt es nur grünen Tee.
Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie gesehen haben?
Sehr. In den Siebzigern gab es das altehrwürdige Kabarett und es gab Karl Dall und Didi Hallervorden. Die Comedy hat da doch andere Farben reingebracht. Wer komisch ist, muss nicht blöd aussehen oder die Leute belehren, es gibt auch vieles dazwischen.
Wir verändern Krise und Politikwechsel die Comedy?
Die Krise ist nicht mehr das Thema. Aber Michael Mittermeier hat die FDP bereits als neuen Feind ausgerufen. Ich glaube, wir werden künftig noch mehr Politik in der Comedy sehen. Die neue Regierung polarisiert viel mehr als eine große Koalition.
Westerwelle gibt ja auch für die untere Kategorie einiges her. In der „heute-Show“ des ZDF fragte Oliver Welke: „Was bekommt man, wenn man einen Tiger mit einer Ente kreuzt? Tinte? Oder eine Tunte?“
Tja, Homophobie wird nicht dadurch besser, dass da jetzt jemand im Amt ist. Bisher finde ich aber, dass bei Westerwelle der platte Tuntenwitz nicht allzu oft bemüht wurde. Der ist auch nicht mehr gefragt. Man wird sich inhaltlich daran abarbeiten, was er macht.
Gibt es für Sie den Unterschied zwischen Kabarett und Comedy noch?
Die Grenzen verwischen. Kabarettisten trauen sich, Comedy aufs Plakat zu schreiben, Michael Mittermeier spricht auch über Politik. Aber es gibt immer noch unterschiedliche Herangehensweisen: Kabarett ist von oben, Comedy von unten. Der Comedian kommt aus der Situation des Leidens, der Kabarettist aus der des Besserwissens.
Ist die Langzeitarbeitslose Cindy aus Marzahn politisch?
Abgesehen davon, dass sie innerhalb von zwei Jahren eine Karriere hingelegt hat, die wirklich rasant ist: Cindy aus Marzahn ist meines Erachtens hochpolitisch, sie beschreibt ja die Auswirkungen von Politik. Aber sie stellt sich nicht hin und sagt, wie man es besser machen soll.
Dieter Hildebrandt hat sich mit Matthias Richling überworfen, weil der zu viele Comedians in den Scheibenwischer einlud. Ist das ein Generationenproblem?
Ich glaube, das war ein Problem zweier Stars, die in einem Genre um Vorherrschaft streiten. Der Streit zweier Diven - Barbra Streisand gegen Donna Summer.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, das Niveau ginge immer mehr nach unten?
Das kommt ja meist aus dem Feuilleton, und wie man weiß, hat das Feuilleton den Humor erfunden. Die 68er haben Heinz Erhardt auch vorgeworfen, er sei nicht gesellschaftskritisch. „Hinter eines Baumes Rinde, wohnt die Made mit dem Kinde.“ Dieses Gedicht können Sie heute noch einem Kind vorlesen und es wird lachen. So einfach ist das.
Mario Barth füllt Stadien. Ist ein Witz, über den viele lachen, besser?
Nein, er ist deswegen aber auch noch nicht schlechter. Angefangen mit dem Riesen-Publikum hat Michael Mittermeier. Mario Barth hat nur noch einen Rekord draufgesetzt, weil Jungs untereinander ihre Hallen vergleichen. Und Kabarettisten sind ja in ihrer Region genauso Popstars. Sie verheimlichen es nur mit Trenchcoat und Baskenmütze.
Als Sie in den 80ern in München studierten, waren Sie weniger in der seriösen Lach- und Schieß zuhause...
Nein, wir waren in den kleinen Büdchen. Die Shows fanden in den Kneipen statt, man trat im Café Größenwahn auf oder auf vier zusammengestellten Bierkästen mit einer Platte drüber. Marianne Sägebrecht war die Königin, die Mutter der Undergroundszene. Gibt es eine solche Szene noch?
Es gibt immer noch kleine Bühnen. Und es hat sich durchs Internet viel geändert. Viele stellen ihre Sachen ins Netz und gewinnen dadurch Publikum für ihre Live-Auftritte. Die Live-Erfahrung ersetzt es natürlich nicht, wenn man ein lustiges Handyvideo ins Netz stellt.
Wenn ein Kandidat von Bohlens Supertalent „An der schönen blauen Donau“ furzt - ist das Comedy?
Nein, dass ist unfreiwillige Komik. Man lacht vielleicht über einen Freak, der vor die Kamera gezerrt wird und das nicht steuern kann. Aber man lacht anders. Die Leute können zwischen einem Freak und einem Humorfacharbeiter sehr wohl unterscheiden.
Was können die Deutschen humormäßig nicht?
In Amerika sind Comedians verrückter, sie arbeiten mehr mit einem element of danger, da hat das Publikum streckenweise richtig Angst. In Deutschland fiele mir keiner ein, wo ein Vater etwas dagegen hätte, wenn seine Tochter hinterher mit ihm Essen ginge. Dafür liefern unsere Comedians ihre Gags immer pünktlich ab.
Interview: Tina Angerer