Iris Berben: "Manchmal fühlt man sich verletzt und klein"

Iris Berben gilt als sehr starke Frau. Dass dieser Eindruck manchmal täuscht, verrät die Schauspielerin im Interview.
von  (jic/spot)
Iris Berben (re.) als Elisabeth Selbert in "Sternstunde ihres Lebens"
Iris Berben (re.) als Elisabeth Selbert in "Sternstunde ihres Lebens" © WDR/ARD DEGETO/Martin Rottenkolber

Das Selbstbewusstsein wurde der Schauspielerin nicht in die Wiege gelegt

Lange kämpfte Elisabeth Selbert um die Aufnahme des simplen Satzes "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" in das deutsche Grundgesetz - für die Politikerin die "Sternstunde ihres Lebens" (der Fernsehfilm läuft am 21. Mai um 20.15 Uhr im Ersten). Hauptdarstellerin Iris Berben (63, "Miss Sixty") kann ebenfalls den bedeutendsten Moment in ihrem Leben benennen - welcher das ist, verrät sie im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Iris Berben weiß schon lange: "Frauen bewegen die Welt" - welche Frauen das unter anderem sind, beschreibt sie in diesem Buch

Das Wort Feministin ist häufig sehr negativ besetzt - würden Sie sich als Feministin bezeichnen?

Iris Berben: Wahrscheinlich gerade weil die merkwürdige Besetzung des Wortes Feministin immer noch so einen komischen Beigeschmack hat, würde ich mich eher als eine emanzipierte Frau bezeichnen. Radikalität war ja einmal ein wichtiger Bestandteil des Feminismus. Ich würde allerdings immer alles in Zusammenhang mit Männern sehen, und nicht gegen Männer. Da unterscheidet sich die Emanzipation in der Bedeutung vom Feminismus, denke ich.

Oft schlägt ja in Zeiten des Umbruchs die Welle eher in die andere Richtung um. Denken Sie, dass sich heute vielleicht eher die Männer wieder emanzipieren müssen?

Berben: Das ist im Grunde das, was man hofft und gerne einfordern möchte, dass es eben auch die Männer sind, die sich emanzipieren müssen. Und zwar nicht nur jetzt: Die Emanzipation der Frauen und der Moment, als sie sich ihr Selbstbewusstsein erarbeitet haben, das alles ist ja letztlich immer nur möglich, wenn die Männer mitziehen. Und das funktioniert nur, indem man nicht gegen sie arbeitet, sondern sich auf Augenhöhe begegnet. Wir müssen uns eine Gesellschaft auf Augenhöhe schaffen, die keinen von beiden ausgrenzt. Und Emanzipation, die man immer nur den Frauen als Thema unterstellt hat, gilt in der Entwicklung genauso für den Mann.

Im Film geht es ja eben um diese Gleichheit, um den simplen Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt".

Berben: Richtig, aber über Elisabeth Selbert muss man bezeichnenderweise auch sagen: Sie hat einen sehr starken Mann an ihrer Seite. Sie hat einen Mann, der sie in allem unterstützt, was sie macht. Er erkennt ihre Stärke, wie man sich das letztendlich für die Gesellschaft wünschen würde. Er hat ihr diesen Weg ermöglicht, weil er nach dem Krieg und die daraus resultierende körperliche Versehrtheit eben nicht die alten Rollenmuster wieder eingefordert hat. Stattdessen hat er sie unterstützt, wo er konnte. Für sie war es ein Glücksfall, einen solchen Mann an ihrer Seite zu haben.

Sie bezeichnen ihn als starken Mann. Gehört Stärke dazu, die Frau an seiner Seite in einer solchen Zeit als gleichberechtigt anzuerkennen, wenn es in der Gesellschaft anders gelebt wird?

Berben: Absolut! Man muss auch mit diesem Wettbewerb aufhören, den wir teilweise führen: Wenn der eine im Moment auf der Erfolgswelle schwimmt, bekommt der andere dadurch das Gefühl, schwach zu sein. Nein, es ist auch eine Stärke, den anderen zu erkennen und zu unterstützen.

Im Film wird auch ein anderer Fall dargestellt.

Berben: Richtig. Eine Frau findet ihren beruflichen Weg und geht ihn auch, und sobald ihr Mann aus dem Krieg kommt, tritt sie selbstverständlich wieder in den Hintergrund. Sie meint, dass sie ihrem Mann wieder normalen Alltag geben muss, und das bedeutete für sie, ihre Stelle aufzugeben. Allerdings wird ja auch erklärt, wie Frauen im Krieg sozusagen ihren Mann stehen mussten. Sie haben Männerberufe ausgeführt und sind mit Maschinen umgegangen wie Männer. Nur in dem Moment, in dem die Ausnahmesituation eines Krieges vorbei ist, ist das wie vergessen. Dass die Frauen versucht haben, das ganze Land am Leben zu erhalten, mit allem was dazugehört, war dann ausgeblendet. Dann hieß es ganz selbstverständlich, dass die alte Rollenverteilung doch die bessere war.

Trotz der im Grundgesetz festgelegten Gleichberechtigung dauerte es bis 1977, bis Frauen ohne Erlaubnis ihres Mannes berufstätig sein durften. Muss Veränderung nicht doch zuerst in den Köpfen stattfinden?

Berben: Nun ja, manchmal muss eine Gesellschaft vielleicht ein bisschen zu ihrem Glück gezwungen werden. Natürlich muss die Veränderung auch in den Köpfen stattfinden. Allerdings leben wir heute in einer Zeit, in der junge Frauen mit all diesen Errungenschaften und dem Kampf für diese Errungenschaften nichts mehr zu tun haben. Das kann man niemandem zum Vorwurf machen. Ich glaube aber, dass viele wieder ein bisschen bequem werden, weil momentan so viel möglich und selbstverständlich ist. Bei den jungen Menschen schleicht sich wieder ein leicht konservatives Lebensgefühl ein. Da muss man vor allem an die Frauen appellieren, nicht nur an die Gesetze - schlimm genug, dass wir wieder über eine Quote reden müssen. Man muss immer wieder Möglichkeiten und Wege finden, jungen Frauen zu vermitteln, dass es ein sehr kräftiges und wichtiges Gefühl ist, selbstbewusst und selbstständig zu sein. Eigenbestimmung ist doch die größte Freiheit, die wir haben können.

Sie selbst sind ja auch eine sehr starke Frau...

Berben: In den Filmen! Verwechseln Sie mich nicht mit den Rollen!

Wollen Sie wirklich sagen, dass Sie nicht stark und selbstbewusst sind?

Berben: Selbstbewusstsein ist etwas, das man trainieren kann. Es gibt vielleicht auch Menschen, die das in die Wiege gelegt bekommen haben, aber zu denen gehöre ich nicht. Trainieren kann man es, indem man etwas leistet, und sich nicht immer den bequemen Weg sucht, sondern den, der eine Chance bietet. Man lernt durch Erfahrungen und Erfolge, aber übrigens auch durch Misserfolge. Die Frage ist dann, wie man damit umgeht und wie man den Erfolg und auch den Misserfolg analysiert. Aber letztlich bleiben die gleichen Schwächen und Unsicherheiten.

Bei jemandem wie Ihnen tatsächlich schwer zu glauben.

Berben: Das wird ja auch medial immer gerne ausgeblendet. Man hat selbstverständlich auch die Souveränität und das Selbstbewusstsein. Nur manchmal hat man die Souveränität überhaupt nicht und fühlt sich einfach nur verletzt und klein. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, versucht man aber natürlich auch, nicht jeden daran teilhaben zu lassen. Denn wir wissen um die Häme, und wir wissen um die Vermarktung.

Sie waren auch schon im Playboy und Penthouse zu sehen - Ist es Teil der Emanzipation, mit dem eigenen Körper frei umgehen zu können?

Berben: So war es zumindest in dem Alter und zu der Zeit, in der ich das gemacht habe. Das hat sicher was damit zu tun, dass man sich die Freiheit nehmen konnte, ohne dass einem danach keinerlei Seriosität mehr zugestanden wurde. Und auch das sind Entwicklungen meines Lebens gewesen und Entwicklungen aus dem Kontext einer Zeit heraus. Ich schäme mich auch nicht, dass ich das gemacht habe.

Was war denn Ihre persönliche Sternstunde?

Berben: Der Moment der Entscheidung, mein Kind bekommen zu wollen und auch bekommen zu haben. Dieser Moment hat in meinem Leben alles verändert. Das ist und bleibt die Sternstunde meines Lebens. Es ist die beste und wichtigste Entscheidung, die ich bis jetzt getroffen habe.

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