Iris Berben: "Der seichte Smalltalk fällt mir schwer"

Sie ist eine sehr beliebte, preisgekrönte Schauspielerin und trotzdem fällt ihr der seichte Smalltalk nicht leicht, wie Iris Berben im Interview zu ihrem neuen Film "Das Zeugenhaus" erklärt.
von  (ili/spot)
Eine Frau des klaren Wortes: Schauspielerin Iris Berben
Eine Frau des klaren Wortes: Schauspielerin Iris Berben © ddp images

Berlin - "Das Zeugenhaus" (24. November, 20.15 Uhr, ZDF) erzählt ein besonderes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Nürnberg im Herbst 1945: Zu Beginn der Kriegsverbrecherprozesse richten die US-Amerikaner in einer beschlagnahmten Villa ein Gästehaus ein. Hier werden ehemalige NS-Funktionäre und enge Vertraute der Angeklagten, aber auch KZ-Überlebende und Nazi-Gegner untergebracht, die auf ihre Termine vor Gericht warten. Als Gastgeberin soll die eigens dafür engagierte Gräfin Belavar (Iris Berben) mit festen Hausregeln und gepflegter Konversation eine kultivierte Atmosphäre schaffen. Doch mit Beginn der Gerichtstermine ist eine Konfrontation unausweichlich. Soweit die Ankündigung des Senders.

Iris Berben im Interview zu "Miss Sixty" - hier im MyVideo-Clip

Iris Berben (64, "Liebesjahre"), Tobias Moretti (55, "Das Finstere Tal"), Edgar Selge (66, "Hattinger und die kalte Hand"), Matthias Brandt (53, "Polizeiruf 110") und Gisela Schneeberger (66, "Und Äktschn!") - allein dieser Schauspieler wegen lohnt sich das Einschalten, der Film erzählt allerdings auch eine faszinierende und wahre Geschichte in der sogenannten Stunde null. "Es ist ein Kammerspiel und ein Ensemblefilm, in dem jeder Künstler genug Platz für die Biografie seiner Rolle hat", bestätigt auch Iris Berben im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Außerdem erklärt die engagierte Künstlerin, warum der Film für das Heute relevant ist, was am Smalltalk besonders schwer ist und wie ihr Lieblingsfrühstück aussieht.

 

Frau Berben, warum ist der Film für das Heute relevant?

 

Iris Berben: Er zeigt sehr viel über eine Gesellschaft, über Menschen, die etwas verdrängt haben, die bewusst oder unbewusst mitgemacht haben. Derzeit verhandeln wir zehn Neonazi-Morde, es gibt Aufmärsche mit antisemitischen Äußerungen, Diskussionen darüber, wie viel Fremdes wir vertragen können und wie wir mit Menschen umgehen, die um Asyl bitten. So ein Film kann im Optimalfall sensibilisieren, um eine Haltung zu all diesen Themen zu entwickeln. Wichtig ist, dass man um die Verführungskraft der Menschen weiß, die sich genau diese Stimmung jetzt zunutze machen. Jede Generation muss sich diesen Themen neu stellen.

 

Im "Zeugenhaus" wohnen Täter, Opfer und Mitläufer unter einem Dach, die Grenzen zwischen Sympathie und Antipathie verschwimmen. Haben Sie es schon mal erlebt, dass sich Ablehnung in Anziehung wandelt?

 

Berben: Das kommt schon vor, weil auch ich nicht frei bin von Vorurteilen. Ich versuche aber immer, mich dagegen zu wehren. Nicht zuletzt, weil es für meine Arbeit sehr wichtig ist, denn ich spiele ja nicht immer nur Figuren, die mir auf Anhieb sympathisch sind. Je mehr ich mich dann aber mit der Biografie des Menschen beschäftige, umso mehr verstehe ich in vielen Fällen auch deren Verhalten. Je mehr man das trainiert, umso toleranter wird man vielen Menschen gegenüber.

 

Sie haben zum sechsten Mal mit Matti Geschonneck zusammengearbeitet. "Silberhochzeit" und "Liebesjahre" haben viele Preise bekommen. Was zeichnet seine Arbeitsweise aus?

 

Berben: Er liebt seine Schauspieler so sehr, dass er sie auf jede erdenkliche Weise schützt. Schützen bedeutet in diesem Fall, dass er alles aus ihnen herausholt. Er arbeitet mit ihnen, ist hartnäckig, bleibt dran und beobachtet unheimlich genau. Das ist ein Geschenk für jeden Schauspieler.

 

Wird "Das Zeugenhaus" dann auch ein Erfolg?

 

Berben: Das kann man vorher natürlich nie sagen. Wir hoffen aber alle sehr, dass der Film ein Publikum findet und zu Diskussionen anregt, weil es ein sehr wichtiger Film ist. Es ist ein Stück deutscher Geschichte unter dem Mikroskop betrachtet in der sogenannten Stunde null, die ja keine Stunde null war.

 

Was war die große Herausforderung für Sie als Schauspielerin?

 

Berben: Meine Rolle hat eine ungeheure Passivität verlangt. Das Geschehen nicht zu kommentieren und nicht zu moralisieren oder zu beurteilen, während alle anderen drum herum ständig in einer Mitteilungs- und Spielphase sind, war eine spannende Herausforderung. Die meiste Zeit über habe ich im Grunde genommen die Aufgabe, das Publikum an die Hand zu nehmen und durch den Film zu geleiten. Bis ganz zum Schluss die eigene Biografie der Rolle deutlich wird. Dann ist plötzlich klar, warum sie so tonlos ist.

 

Wäre eine derartige Aufgabe im wahren Leben etwas für Sie?

 

Berben: Ich glaube nicht, weil es mir sehr schwer fallen würde, nur stoisch zu beobachten und meine Meinung für mich zu behalten. Da unterscheide ich mich schon sehr von der Rolle.

 

Im Film achten Sie auf Manieren und die Einhaltung der Regeln. Wie wichtig sind Ihnen solche Dinge heutzutage?

 

Berben: Sowas wird nie altmodisch, das gehört zum Respekt, den man seinen Mitmenschen, einer Gesellschaft entgegenbringt. Vieles würde leichter werden, wenn alle Menschen mit einigermaßen guten Manieren miteinander umgehen würden - gerade dann, wenn man unterschiedlicher Meinung ist.

 

Gibt es im Gegensatz dazu auch eine Regel, die Ihnen nichts bedeutet?

 

Berben: Standesdünkel finde ich vollkommen überholt. Man sollte sich in jedem Umfeld bewegen und ausdrücken können. Lächerlich sind Leute, die sich nur in ihrer eigenen Wohlfühlecke bewegen.

 

Was halten Sie denn von der Knigge-Regel, bei gesellschaftlichen Anlässen nicht über Politik und Religion zu sprechen?

 

Berben: Da bin ich ganz anderer Meinung. Ich finde, je politischer man ist, umso besser. Das ist unsere Freiheit, die wir uns durch die Demokratie erarbeitet haben. Damit meine ich aber nicht einfach nur mitreden. Es ist schon wichtig, dass man weiß, worüber man spricht und auf welches Terrain man sich inhaltlich begibt. Wenn man sich nicht echt mit der Materie auseinandersetzt, verkommen komplexe Themen schnell zum Stammtischgespräch. Ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass man über Politik und Religion - gerade über Religion, weil derzeit wieder so viel Schlimmes im Namen der Religion passiert - reden sollte.

 

Seichte Smalltalk-Themen finden Sie dann fad?

 

Berben: Mit manchen Menschen und zu bestimmten Gelegenheiten sind solche Themen natürlich angebrachter. Das sollte man also schon auch beherrschen. Ich kann es auch, aber ich gebe zu, der seichte Smalltalk fällt mir schwer. Eine große Kunst ist es übrigens auch, sich aus einem solchen Smalltalk höflich zu verabschieden.

 

Das Radio spielt im Film eine Rolle. Wie gefällt Ihnen diese Medium?

 

Berben: Ich bin ein großer Radio-Fan und ein noch größerer Nachrichten-Junkey. Wenn möglich, ist bei mir immer ein Radio an. Heilig sind mir aber auch die Nachrichten in den Öffentlich-Rechtlichen.

 

Es wird ja immer wieder zu Mail-, Internet-, Nachrichtenpausen geraten. Was halten Sie davon?

 

Berben: Ich bin nicht prinzipiell gegen all diese Möglichkeiten, ich bin aber schon dagegen, wenn sie allzu fahrlässig benutzt werden. So eine richtige Pause muss ich mir aber nicht verordnen, weil ich vieles an mein Büro delegiert habe und außerdem sehr viel drehe. Am Set habe ich mein Handy nicht dabei. Da bin ich mit der Arbeit beschäftigt und nichts kann so wichtig sein, dass ich ständig mein Handy kontrollieren müsste. In eine derartige Abhängigkeit möchte ich mich nicht begeben. Man muss die Prioritäten für das setzen, was einem in dem Moment wichtig ist. Alles andere hat Zeit.

 

Im Film gibt's Erdnussbutter zum Frühstück - was ist Ihr Lieblingsfrühstück?

 

Berben: Ich bin ein kleiner Frühstücker und schwelge dafür lieber im Abendessen. Die Erdnussbutter wäre es bei mir eher weniger. Ich mag es ganz gern Italienisch: ein bis zwei Espressi, einen frisch gepressten Saft je nach Jahreszeit und ein Croissant dazu.

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