„Ich bin doch kein Geschmacksrichter“

Von wegen rau und nur für harte Männer: Whisky ist cool - und schmeckt nach Schokolade. Barmann Stefan Gabanyi redet über die Geheimnisse von schottischem Whisky.
Draußen ziehen dicke, schwarze Wolken auf, Wind peitscht durch die Straßen, es ist kalt und nass. „Whisky-Wetter“, sagt Stefan Gabanyi, und wenn er das sagt, wird es stimmen: Seit 20 Jahren arbeitet Gabanyi als Barmann im "Schumann's", nebenbei schreibt er Standardwerke über Whisky. In der Boutique von Gabriele Blachnik will er heute das „Geheimnis“ des Glenmorangie lüften. Zuvor hätten wir aber noch einige grundsätzliche Fragen.
AZ: Guten Tag, Herr Gabanyi. Mal unter uns: Ist Whisky nicht in Wahrheit ein Altherrengetränk?
STEFAN GABANYI: Nein, nicht mehr. Das war es mal, in den 50er und 60er Jahren. Damals tranken ausschließlich ältere Männer Whisky. Abends, im Kaminzimmer, mit einer Zigarre in der Hand, nachdem die Frau das Abendbrot weggeräumt hatte. Für die Damen gab es damals übrigens ausschließlich Likör. Naja, so ungefähr jedenfalls.
Das hat sich geändert?
Ja. Heute trinken auch Frauen Whisky. Und immer mehr junge Menschen.
Ist Whisky jetzt also cool?
Ja, genau das ist es.
Dann erklären Sie doch mal, woher der Wandel kommt.
Whisky ist qualitativ einfach viel besser geworden als noch vor ein paar Jahren, hat heute ein breites Aromenspektrum. Früher war Whisky rau, hart, scharf, was für harte Männer. Jetzt gibt es Whiskys, die wunderbar mild sind. Oder leicht schokoladig schmecken.
Klingt schaurig...
Klingt lecker.
Sie trinken Whisky, der nach Schokolade schmeckt?
Ja, warum denn nicht?
Ich dachte, ein Whisky-Kenner rennt nicht den aktuellen Moden hinterher.
Aber das ist ja gar keine Mode.
Was denn sonst?
Die erdigen, torfigen Marken sind heute beliebt, Whiskys, die intensiv, die schwer schmecken. Lagavulin zum Beispiel. Der kommt aus Islay, einer kleinen Insel vor der schottischen Küste. Fantastisch.
Darf man seinen Whisky mit Eiswürfeln verdünnen?
Man darf alles.
Das sagen Sie so…
…ich weiß: Viele so genannte Whiskykenner haben ein starkes Selbstbewusstsein. Ich würde jetzt auch nicht mit einem guten Single-Malt-Whisky einen Cocktail mixen – aber wenn das jemand bei mir bestellt, dann bekommt er es. Ich bin doch kein Geschmacksrichter.
Dann wollen Sie mir auch nicht verraten, wie man ein Whisky-Glas richtig hält?
Richtig. Das ist mir egal. Ich zum Beispiel trinke Whisky gerne draußen, gerade, wenn es so wie jetzt klamm und nass ist. Das ist ein perfektes Whisky-Wetter.
Whisky-Wetter, sehr schön. Hört sich doch gleich viel besser an als November-Regen. Zum Schluss müssen Sie uns aber noch unbedingt das Geheimnis des „Glenmorangie“ verraten.
Der Whisky hat eine ganz ungewöhnliche Komplexität von verschiedenen Aromen. Er vereint blumige Süße mit fruchtigen Elementen und einer zarten Würze. Aber probieren Sie ihn doch selbst.
Jan Chaberny