Hugo, ihm schmeckt’s nicht!
Bestseller-Autor Jan Weiler testet für die AZ Münchens italienisches Promi-Lokal. Achtung, H’ugo’s – sein Urteil ist härter als der Pizzaboden
Wenn ich etwas beim Essen überhaupt nicht mag, dann Prominente. Die können einem wirklich den schönsten Abend verderben, und zwar nur durch ihre schiere Anwesenheit. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, sie sitzen gemütlich mit ihrer Liebsten bei der Vorspeise und dann kommt George Clooney in die von Ihnen unvorsichtig ausgewählte Speisegaststätte. Sie werden sich dann den ganzen Abend über nichts anderes unterhalten als über: George Clooney. Wenn er sein Essen bekommt, heißt es: Guck mal, der George Clooney isst Königsberger Klopse. Mit Kapern, na so was. Und ganz grau ist der. Und die meisten sind ja in echt viel kleiner als man denkt. Clooney hier, Clooney da, Clooney in Amerika.
Ich brauche das nicht und lehne daher grundsätzlich den Besuch von Promilokalen ab. Als die Abendzeitung mich bat, für sie eine Ausnahme zu machen und in H'ugo's Pizza-Bar- Lounge zu speisen, habe ich nur zugesagt, weil ich mich der Konträrfaszination solcher Orte letztlich nicht ganz entziehen kann. Man schaut ja auch bei Unfällen hin.
Außerdem dachte ich, dass die im H'ugo's zu erwartende Münchner Prominenz das seelische Gleichgewicht meiner Frau weniger aus der Balance werfen würde als George Clooney.
Der Laden gehört in den nach Trüffelöl müffelnden Dunstkreis des P1 und befindet sich am Promenadeplatz, in dessen Umgebung man viele Männer mit leger umgehängten Zopfpullis und Frauen mit Jeans in den Stiefeln antrifft, und die müssen ja auch mal was essen, bevor es wieder rausgeht in die Randbezirke mit den weißen Zäunchen.
Der erste Eindruck beim Betreten des Lokals ist akustischer Art, denn es wird hier wirklich ohrenbetäubend gebrüllt. Man riskiert Tinnitus und Stimmbandzerrung, was für die dort angeblich in Scharen herum sitzenden Fußballer nicht die schlimmsten Verletzungen sind. Tatsächlich ist kein Fußballer da, aber wahnsinnig viele Frauen, die gerne einen Fußballer kennen lernen möchten, darunter einige hüftsteife Riesinnen und am Nebentisch eine Blondine mit einem Jack Russell, der dauernd am Tisch hochspringt. Sind ja die doofsten Hunde der Welt.
Es ist angeblich nicht einfach, einen Tisch zu bekommen, aber wem das öfter gelingt, der wird mit Küsschen begrüßt und so entsteht eine Atmosphäre der Verbundenheit, die man auch aus Kriegsgefangenenlagern und von anderen Schicksalsgemeinschaften kennt. Aber da ist das Essen meistens schlechter. Das war hier im Großen und Ganzen okay. Man kann wohlwollend sagen, dass das H'ugo's den Vergleich mit einem durchschnittlichen Italiener in Unterschleißheim wirklich aushält. Die angeblich wahnsinnig berühmte Pizza ist nicht schlechter als die auf der Reeperbahn oder in der Düsseldorfer Altstadt. Der einzige Unterschied besteht im Preis, denn der ist am Promenadeplatz locker drei Mal so hoch.
Die mit einigen weißen Spänen bedeckte Pizza Trüffel kostete 16,50 Euro und war im Zentrum so weich wie die Wahlkampfversprechen der FDP. Die Pizza Parma Ruccola schmeckte besser, die Nudeln mit Ragout hingegen erwiesen sich als zerkocht, vielleicht mit Rücksicht auf die vielen neuen Porzellanzähne im Lokal. Was Balsamico-Creme und Johannisbeeren auf einem Vitello Tonnato zu suchen haben, ist mir ein Rätsel, gleiches gilt für die Getränkekarte. Die Posten darin erwiesen sich zwar als dem Ort angemessen schamlos überteuert, aber nicht als im selben Ausmaß originell. Es gibt natürlich Aperol Spritz, welches im H’ugo's hektoliterweise ausgeschenkt wird sowie einige wenige Weine, deren Qualität den meisten Gästen wahrscheinlich wurscht ist, weil sie vorher schon einen Liter Aperol mit Prosecco intus haben und da ist ja egal, was man hinterher trinkt.
Ich aß dann noch eine Crema Catalan, die mit der inzwischen unvermeidlichen Physalis garniert plump auf dem Teller rumlag und die Konsistenz eines niedersächsischen Käsekuchens aufwies. Wir haben schließlich 208 Euro und 20 Cent bezahlt, die ich zum Glück von der Abendzeitung zurückbekomme, sozusagen als Wiedergutmachung. Aber jetzt muss man auch mal aufhören zu nörgeln. Es war ja nicht alles schlecht an dem Abend. Die Kellnerin zum Beispiel war sehr charmant, freundlich und schnell. Das muss man hervorheben.
Und: Auf der Toilette im H'ugo's bekommt jeder – Promi oder nicht – einen geblasen, und zwar von einem wahnsinnigen Apparat, der soviel Strom verbraucht wie die Spielbank von Baden-Baden. Sagenhaft. Man wäscht sich die Hände und steckt sie in diesen grauen Klotz, der darauf außer Rand und Band gerät und die Finger in einem taifunesken Luftstrom innerhalb von fünf Sekunden trocknet. Reservieren Sie einen Tisch und gehen sie auf die Toilette, das ist wesentlich eindrucksvoller als das Essen.
Mit Prominenten war übrigens nicht viel an dem Abend. Immerhin:
Irgendwann ist tatsächlich noch ein Fußballspieler aufgetaucht. Luca Toni. Naja. Dritte Liga. Passt irgendwie ganz gut zum Laden.
Jan Weiler
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