Helmut Dietl: Filmball geschwänzt, Rauchen gesteckt

"Diesen Zirkus werde ich nicht vermissen." Star-Regisseur Helmut Dietl im AZ-Interview über Nikotin-Entzug, CSU und Münchens Bussi-Gesellschaft.
Er ist das Sinnbild der Schickeria: Münchens Kult-Regisseur Helmut Dietl (63, Monaco Franze , Kir Royal , Rossini ) wird seit seinem Wegzug nach Berlin schmerzlich vermisst, boykottierte gar den Deutschen Filmball. Erstmals fand das Event des Jahres ohne seien fröhlich Kette rauchenden Lieblings-Gast statt. Party-Muffel Dietl über CSU, Äpfel als Nikotin-Ersatz und Münchens Bussi-Gesellschaft.
AZ: Herr Dietl, liegt die Fliege schon bereit?
HELMUT DIETL: Nö, warum?
AZ:Ohne die kommen nicht mal Sie auf den Filmball.
HELMUT DIETL:Ich geh da eh nicht hin. Ich bin heuer mal weg.
AZ: Warum?
HELMUT DIETL:Ich habe keine Zeit.
AZ: Drehvorbereitungen?
HELMUT DIETL: Urlaub.
Filmball: Das hat mit Feiern nix zu tun
AZ: Ausgerechnet während des Filmballs, der einzigen Gelegenheit, viele Freunde zu treffen wie Sie einst sagten?
HELMUT DIETL: Ich find's prima! Diesen Zirkus werde ich nicht vermissen. Ich werde im Flieger sitzen, die Ruhe und den Platz genießen. Ich bin irre froh, nicht drei Stunden dauergrinsen zu müssen und permanent fotografiert zu werden. Das hat mit Feiern nix zu tun. Es ist eng, laut, ungemütlich ohne mich.
AZ: Dabei wurde extra für Sie das Rauchverbot aufgehoben.
HELMUT DIETL: Ach, wie gnädig. Doch das kommt zu spät. Ich habe vor zwei Monaten mit dem Rauchen aufgehört. Ich wollte es selbst schaffen, bevor es mir der Staat offiziell verbietet.
Stinkwütend auf Georg Schmid
AZ: Und wie läuft's?
HELMUT DIETL: Furchtbar! Eine Katastrophe. Es gibt Momente, da werde ich wahnsinnig und drehe fast durch. Ich kann keinen Kaffee mehr trinken, und abends auch nicht mehr richtig den Rotwein genießen. Kein Wunder, ich habe seit über 40 Jahren täglich 80 bis 100 Zigaretten geraucht.
AZ: Fünf Schachteln Gitanes ohne Filter. Welcher Arzt hat Sie bekehrt?
HELMUT DIETL: Dazu brauche ich keinen Arzt. Ich weiß selbst, dass das nicht gut ist. Null Bewegung, 100 Zigaretten ich fühlte mich schlecht. Außerdem wollte ich mich ab dem 1. Januar nicht wie ein Voll-Depp auf die Straße stellen.
AZ:Die CSU hat Sie zum Nichtraucher gemacht?
HELMUT DIETL:Nennen Sie bloß nicht diese Partei! Ich bin stinkwütend auf die vor allem den Georg Schmid mit seiner Profilierungssucht. Es ist eine Riesen-Sauerei, wie diese Partei die Menschen bevormundet. Lächerlich und unwürdig. Ich wähle die nie wieder. Bayern hat das strengste Rauchverbot nicht verdient. Auf der Wiesn wird das gar nicht durchzusetzen sein.
AZ:Als neuer Nichtraucher sind Sie nicht etwa für den Nichtraucher-Schutz?
HELMUT DIETL:Natürlich! Aber nicht so unmenschlich. Die Trennung von Raucher- und Nichtraucher-Räumen wäre die ideale Lösung gewesen. Jetzt sitzt man drinnen blöd herum, weiß nicht, was man tun soll. Die interessanten Leute mit den interessanten Gesprächen stehen alle vor der Türe und werden wie Aussätzige behandelt. Ich bin wirklich wahnsinnig verärgert.
AZ:Wie schön, dass Sie nicht mehr rauchen. Nur Ihren Nerven bekommt das offenbar weniger. . .
HELMUT DIETL:. . . die letzten Male, als ich kurz aufgehört habe, wurde ich krank und depressiv. Jetzt geht es einigermaßen. Ich fühle mich echt beschissen. Aber als Raucher ging's nicht besser. Zum Glück habe ich diese Pillen, die sorgen dafür, dass ich nicht ganz ausflippe und für meine Umwelt halbwegs erträglich bin.
AZ:Welche Pillen?
HELMUT DIETL:Champix. Die nehme ich zwei Mal am Tag. Ich weiß nicht, was in denen steckt, aber es hilft.
Alles grauenvoll langweilig
AZ:Keine Angst vor einem Rückfall immerhin raucht Ihre Frau Tamara?
HELMUT DIETL:Die raucht ab und zu. Das kann ich nicht. Entweder 100 Kippen oder keine. Wenn es mich packt, esse ich einen Apfel, eine Banane und gehe mit dem Hund raus. Besser macht es die Situation nicht. Es ist echt hart.
AZ:Haben Sie zugenommen?
HELMUT DIETL:Fünf Kilo. Das ist okay, denn davor war ich abgemagert. Ich habe nichts mehr gegessen, immer mehr geraucht. Wegen Berlin.
Wie?
HELMUT DIETL:Na, wegen der Küche dort. Ich war jahrzehntelang meine Münchner Küche, also das Romagna Antica, gewöhnt. In Berlin gibt es so was nicht, da schmeckt es nicht. Ich setze mich nicht fünf Mal die Woche ins Borchardt. Jetzt, wenn niemand um mich herum raucht, erst recht nicht. Es ist schon alles grauenvoll langweilig.
AZ:Sie haben den Urlaub wirklich nötig.
HELMUT DIETL:Das ist es, worauf ich mich Freude. Kein Filmball und vielleicht halte ich es durch, weiterhin nicht zu rauchen.