Hat Franz Müntefering zu früh geheiratet?

Das Ja-Wort von Franz und Michelle Müntefering findet nicht überall Zustimmung. Was dahinter steckt und wie lang die Trauerzeit dauern soll. Betroffene und Experten äußern sich.
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Michelle und Franz Müntefering auf dem Weg zur Hochzeit.
dpa Michelle und Franz Müntefering auf dem Weg zur Hochzeit.

Das Ja-Wort von Franz und Michelle Müntefering findet nicht überall Zustimmung. Was dahinter steckt und wie lang die Trauerzeit dauern soll. Betroffene und Experten äußern sich.

Der alte Mann und die junge Frau: Dass er ihr Opa sein könnte und 13 Jahre älter ist als sein Schwiegervater... Dass seine politische Karriere (fast) zu Ende ist und ihre gerade anfängt... Dass er ihr „Vorbild“ ist und seit Samstag ihr Ehemann... – dies und mehr beschäftigt die Fantasien der Deutschen. So sehr die meisten Franz und Michelle Müntefering auch wünschen, dass ihre Ehe die 40 Jahre Altersunterschied verkraftet.

Nur die Menschen in seiner Heimatregion, dem katholisch geprägten Sauerland, die ticken anders. „Es ist nicht so sehr der Altersunterschied“, sagt Müns langjähriger Freund und Weggefährte Gerd-Josef Plass, „sondern vielmehr die frühe Ehe nach dem Tod seiner Frau Ankepetra, was die konservativen Sauerländer juckt und für Gesprächsstoff sorgt.“

Ist die neue Liebe ein Verrat an der alten?

Rund 18 Monate danach – ist das zu früh für einen Witwer, der im Januar 70 wird? Als der Krebs bei seiner zweiten Frau nicht mehr aufzuhalten ist, gibt der damalige SPD-Chef sein politisches Leben auf – alle Ämter. Rund um die Uhr kümmert er sich um seine Ankepetra. Nach ihrem Tod im Juni 2008 zieht sich der „Alleiner“, wie er sich gern nennt, völlig zurück. Bis Michelle Schumann, die aufstrebende, schöne SPD-Genossin, ihn neun Monate später zurück ins Leben und in ihre Berliner Wohnung holt.

Ist seine neue Liebe ein Verrat an der alten, wie es die Sauerländer empfinden? „Nein“, sagt Erika Berger (70), deren Mann 2007 nach 33 Ehejahren starb. „Herr Müntefering hat jetzt ein Recht auf ein anderes, eigenes Leben.“

Und die Psychologin Dorothea Böhm sagt: „Es ist ein Unterschied, ob ein geliebter Mensch plötzlich stirbt, da herrscht erstmal Fassungslosigkeit – oder, ob der Tod aus Krankheitsgründen vorhersehbar ist. Münte hatte Zeit zum Abschiednehmen.“ Gerade für Männer, so die Psychologin, beginnt dann, „relativ schnell ein neuer Abschnitt. Sie denken zukunftsorientierter als Frauen. Vielleicht auch, weil sie mit dem Alleinsein schlechter zurechtkommen.“

Das Herz entscheidet

Einige Prominente machen es vor: Der damals 78-jährige Alt-Kanzler Helmut Kohl hat 2008, vier Jahre nach dem Selbstmord seiner Frau, die 35 Jahre jüngere Volkswirtin Maike Richter geheiratet. Gewichtheber Matthias Steiner (27) hat sich Anfang 2009, anderthalb Jahre nach dem Unfalltod seiner Frau, zu der TV-Moderatorin Inge Posmyk (39) bekannt, jetzt erwarten sie ein Baby. Designer Otto Kern hat vier Jahre nach dem mysteriösen Unfall seiner Frau Dana Ja zu dem 31 Jahre jüngeren Model Naomi gesagt und der frühere Bundespräsident Roman Herzog hat 2001 mit 67 – 15 Monate nach dem Krebstod seiner Frau – die Witwe Alexandra von Berlichingen (60) geheiratet, eine Familienfreundin.

„Die Trauerzeit ist eine Frage, die das Herz entscheiden muss“, steht im „Buch der Etikette“ von 1956. Das gilt auch noch heute, findet Erika Berger. „Man hat etwas verloren, das nie wieder zurückkommen wird und braucht Zeit, das zu verarbeiten. Wenn man jemanden findet, der das Glück zurück bringt, kann das auch schon nach einem halben Jahr sein.“

„Bei aller Pietät – der Tod kennt keine Wartezeit“, sagt der Anwalt Hermann Messmer. „Wer verwitwet ist, kann sofort nach dem Tod des Partners heiraten. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben.“ Manche Männer, so Messmer, „haben’s eilig, weil sie nicht mehr viele Jahre zu verschenken haben“. Und worum geht’s den – meist jüngeren – Frauen? „Bei aller Bewunderung und Liebe – in erster Linie um den Status des Mannes und ihre Versorgung.“ Manchmal sorgt auch die Verstorbene vor.

Wie bei Markus N., Architekt (67). „Meine Frau und ich waren 33 Jahre lang ein Liebes- und Lebenspaar“, sagt er der AZ. Vor einem Jahr erkrankte seine Mona an Krebs. „Sie kämpfte, blieb stark, tröstete mich“, erinnert er sich. „Aber gegen den Krebs hatten sie und ich keine Chance. Als es zu Ende ging, sagte sie mir, ich sollte nicht allein bleiben und bald wieder heiraten.“

Undenkbar für ihn, so einsam er sich auch fühlte. Bis er vor vier Wochen auf dem Friedhof, neben dem Grab seiner Frau, mit einer Witwe ins Gespräch kam. „Wir haben uns inzwischen mehrfach getroffen“, sagt Markus N. „Und ich habe das Gefühl, dass mir Mona von oben zulächelt.“ Jetzt lächelt er auch: „Ich verstehe Münte und wünsche ihm viel Glück.“

Renate Schramm

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