Hass gegen "Lindenstraße": Georg Uecker hatte Personenschutz
Georg Uecker (55) ist ein Urgestein der " Lindenstraße". Jetzt hat der Schauspieler in dem Buch "Ich mach' dann mal weiter!" (Fischer) seine persönliche Geschichte aufgeschrieben - Fans der Kult-Serie kommen darin ebenfalls auf ihre Kosten. Im Interview mit spot on news verrät Uecker, was er mit der "Lindenstraße" schon erlebt hat und wie viel ihn mit Norwegen verbindet. "Ich mach' dann mal weiter!" von Georg Uecker können Sie hier bestellen
Ihre Mutter stammt aus Oslo, sind Sie heute noch häufig in Norwegen?
Georg Uecker: Ja, wir haben dort noch die Wohnung, in der meine Mutter aufgewachsen ist. Das nutze ich aus: Ich kann einfach ohne Voranmeldung hinfahren und mich zurückziehen - was ich auch zwei bis drei Mal im Jahr mache.
Ihr erster Berufswunsch war Kaufmann. Ab wann wussten Sie, dass Sie in die Unterhaltungsbranche wollen?
Als Kind hat man natürlich einen etwas eingeschränkten Blick. Für mich gab es damals nur Lehrer, Kindergärtner und Einzelhandelskaufmann. Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der es viele Läden gab, in denen man mit Leuten quatschen konnte - diesen Unterhaltungsaspekt fand ich toll. Dass man Unterhaltung auch zum Beruf machen kann, war mir lange nicht klar. Ich war eigentlich immer ein Spieler, trat im Kindertheater auf, verkleidete mich zu Hause. Bei vielen Kindern verschwindet das in der Pubertät, weil es dann peinlich wird. Bei mir hat es sich fortgesetzt. Rund um das Abitur ist mir dann bewusst geworden, dass ich das beruflich machen kann.
Heute nennen Sie sich "Unterhaltungsfacharbeiter", Sie arbeiten im Theater, TV, machen Stand-Up-Comedy, sind Produzent und Autor. Stört es Sie, dass Sie für viele Menschen aber vor allem Carsten Flöter aus der "Lindenstraße" sind?
Das stört mich überhaupt nicht. Die Serie läuft schon über einen langen Zeitraum und hat viele Zuschauer. Als "Schillerstraße" und andere Produktionen hinzukamen, haben mich die Zuschauer dann auch in einem anderen Licht wahrgenommen und damit hat sich der Name Georg Uecker von meinem Rollennamen emanzipiert. Ich bin allgemein für die Leute schwer einzuordnen, das ist sehr spannend. Ich gehe gerne in viele Richtungen, probiere Dinge aus, da brauche ich kein Label. Manchmal überrasche ich mich selbst und manchmal andere.
Zur "Lindenstraße" gehörten Sie von Anfang an. Zu Beginn hatte es die noch junge Produktion schwer. Die Kritiker waren nicht begeistert. Was waren die größten Probleme damals?
Die ganze Herstellungsweise war zunächst eine Herausforderung. In einer relativ engen Deko in einem fiktionalen Format vor mehreren Kameras zu spielen, war neu. Es gab dabei anfangs technische Schwierigkeiten, denn so viele Menschen in Deutschland kannten sich damit nicht aus. Licht, Ton und Kamera sahen zu Beginn noch gruselig aus. Der deutsche Fernsehzuschauer war zudem nicht gewohnt, eine Serie zu sehen, die mit elektronischen Kameras aufgezeichnet wurde. Aber gerade das passt zu dem Format, das bewusst alltäglich aussehen soll. Der Gewöhnungseffekt einerseits, und unsere Anstrengungen, uns zu verbessern andererseits, haben dann zum Erfolg geführt.
Nach dem Kuss zwischen Carsten Flöter und Robert Engel und einer anschließenden Szene im Bett gab es 1990 einen homophoben Shitstorm, über den Sie in "Ich mach' dann mal weiter!" berichten. Sie bekamen sogar Personenschutz. Haben Sie damit gerechnet, dass diese Szenen Ihr Leben so auf den Kopf stellen würden?
Das hat uns alle überrascht. Keiner der Beteiligten ahnte, dass das für so einen Aufschrei sorgen würde. Ich selbst dachte auch, dass Deutschland schon weiter wäre. Allerdings melden sich immer erst mal die Schreihälse. Viele Leute fanden die Szene entweder okay oder nicht weiter bemerkenswert, aber die reagieren nicht - anders als die Querulanten und Lautstarken, die in ungewöhnlich großer Zahl ankamen. Alles hat man mir nicht gezeigt, einige massive Drohungen wurden vom Sender zurückgehalten. Einen Teil habe ich aber auch persönlich bekommen. Dabei gab es eine große Bettszene gar nicht. Nach dem Kuss wurden andere Dinge erzählt, dann sieht man die beiden wieder, im Bett liegend. Man ahnt, was dazwischen passiert ist, gesehen hat das kein Zuschauer. Allerdings hat es wohl die Fantasie angeregt.
Im Buch gewinnt man den Eindruck, dass Sie den Hass, der Ihnen damals entgegenschlug, relativ gut weggesteckt haben.
Es war teilweise beängstigend. Die Zeit unter Personenschutz hat meine Lebensqualität eingeschränkt. Ich habe Briefe bekommen mit wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen, das ging nicht spurlos an mir vorbei. Es ist eine makabre Situation: Als Schauspieler will man, dass die Leute auf das reagieren, was man tut. Diese Art von Reaktion hatte ich mir natürlich nicht gewünscht. Auf der anderen Seite hat es meinen Kampfgeist geweckt. Hans W. Geißendörfer, der Produzent und Schöpfer der "Lindenstraße", und ich haben gesehen, dass es noch viel Arbeit gibt hinsichtlich Aufklärung und Toleranz.
Immer wieder heißt es, die "Lindenstraße" steckt in der Krise. Wie sehen Sie die Zukunft der Serie?
Von solchen Berichten lasse ich mich nicht beirren. Wir sind selbstkritisch, hinterfragen Dinge und verändern sie auch. Das sind langfristige Entwicklungen. Wir sind eine relativ verschworene Gemeinde, ich habe einen guten Draht zu den Autoren, mit denen findet ein reger Austausch statt.