Hans Küng, ein Leben im Kampf mit dem Papst

Seine Karriere begann mit einem Eklat: Küngs Doktorarbeit veranlasste den Vatikan zur Anlage eines Inquisitionsdossiers. Später wurde ihm die Lehrerlaubnis entzogen. Nun wird der Kirchenkritiker 80 Jahre alt.
Hans Küng zählt zu den profiliertesten christlichen Theologen der Gegenwart. Er wirbt seit rund 50 Jahren für ein zeitgemäßes Christentum - doch in seiner katholischen Kirche sind dem Ausnahmegelehrten hohe Ämter seit fast 30 Jahren verwehrt. Ende 1979 entzog ihm Rom die Lehrerlaubnis, doch dies hinterließ keine Schatten auf einer der außergewöhnlichsten akademischen Karrieren des 20. Jahrhunderts. Im Gegenteil: Mit seiner Papst- und Kirchenkritik eroberte er ein Millionenpublikum und wurde zum Bestseller-Autor und Botschafter der Ökumene der Religionen.
Was den Zustand seiner Kirche angeht, ist Küng heute so ungeduldig wie in den 60er Jahren, als er als junger Tübinger Professor zum Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils berufen wurde. Mit Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI., war er damals der Jüngste, erinnert er sich. Doch in den Dienst der Kirche treten wollte er schon damals nicht. «Das hätte mich zu einem Diener des Systems gemacht, der nicht mehr die Wahrheit hätte sagen dürfen», sagte Küng jetzt der christlichen Zeitschrift «Publik-Forum».
Ein Leben auf der Suche nach dem «Weltethos»
Zum Stand der Ökumene bilanziert er nüchtern: «Die meisten Katholiken und Protestanten kümmern sich schon gar nicht mehr um die Spaltung. Sie leben die Ökumene ganz selbstverständlich und unbekümmert um römische Dekrete in Dogma und Moral an der Basis.» Es gebe keinen «theologischen Grund, warum Rom die Ämter der anderen Kirchen nicht endlich anerkennt und die Abendmahlsgemeinschaft nicht hergestellt werden kann», erklärte Küng. Küng, ältester Sohn eines Schuhhändlers im Schweizer Kanton Luzern, predigt seit den 80er Jahren unermüdlich seine einfache Formel: Kein Frieden zwischen den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden zwischen den Religionen ohne Dialog. Von Politik, Kirche und Wissenschaft fordert der Theologe seit langem einen umfassenden und überfälligen Bewusstseinswandel. Modelle für ein friedliches 21. Jahrhundert sucht seine Stiftung «Weltethos». Dort führt er das Beste aus allen Weltreligionen zusammen.
Kampf für eine tolerantere Kirche
Die rasante Globalisierung von Wirtschaft, Technologie und Medien verlangt Küng zufolge eine globale Steuerung durch eine weltweite, ethisch verantwortete Politik. Das fordert er etwa in seinem groß angelegten Medien-Projekt «Spurensuche». Küng meint: «Globale Politik bedarf der Fundierung durch ein globales Ethos, ein Weltethos.» Die Hoffnung auf eine tolerantere Kirche und eine gerechtere Weltordnung sind schon in jungen Jahren Küngs Triebfeder für seine Arbeit. Dies wird in seiner Autobiographie «Erkämpfte Freiheit» der ersten 40 Lebensjahre deutlich. Die Entscheidung zum Priesterberuf fällt früh. Am Collegium Germanicum unterwirft sich der «fromme Rebell» der strengen jesuitischen Eliteausbildung und macht früh auf sich aufmerksam.
Papst sendet Signale der Versöhnung
Wie kaum ein anderer Theologe versteht sich der polyglotte, acht Sprachen beherrschende Schweizer auf die Vermittlung komplexer akademischer Sachverhalte. Seine klare, unprätentiöse Sprache brachte ihm allerdings auch gelegentlich den Vorwurf der zu starken Vereinfachung ein. Bis zur Emeritierung 1996 lehrte Küng ökumenische Theologie und leitete das Tübinger Ökumene-Institut. Sein Lehrstuhl für christliche Theologie war - ein Novum in der deutschen Universitätsgeschichte - rechtlich keiner Kirche zugeordnet. Inzwischen sendet die Amtskirche Signale für eine Versöhnung zwischen Rom und Küng. Er selbst ist auch ein wenig milder geworden. Die erste Enzyklika von Papst Benedikt XVI. «Deus caritas est» (Gott ist Liebe) begrüßte er 2006 grundsätzlich als «gutes Signal». Auch ein Treffen zwischen Benedikt und Küng im September 2005 hatte den Angaben des vatikanischen Pressesaals zufolge «in freundschaftlicher Atmosphäre» stattgefunden. Der Papst wiederum äußerte danach seine Zustimmung zu Küngs Bemühungen um den Dialog zwischen Glaube und Naturwissenschaft. (Stephan Cezanne, epd)