Interview

Hannes Jaenicke: "Hätte mir längst einen Strick nehmen müssen"

Hannes Jaenicke ist wieder "Im Einsatz für...". Für seine neue ZDF-Doku ist er auf Tuchfühlung mit Meeresschildkröten gegangen. Der Schauspieler ist seit 40 Jahren Vegetarier und setzt sich seit seiner Jugend für den Umweltschutz ein. Im Interview mit der AZ spricht der 63-Jährige über seine Arbeit, seine Meinung zu den Klimaklebern und die deutsche Klimapolitik.
von  Ann-Kathrin Kapteinat
Hannes Jaenicke mit einer frisch geschlüpften Oliv-Bastard-Schildkröte am Strand von Ostional in Costa Rica.
Hannes Jaenicke mit einer frisch geschlüpften Oliv-Bastard-Schildkröte am Strand von Ostional in Costa Rica. © ZDF/Markus Strobel

"Hannes Jaenicke: Im Einsatz für..." ist zurück. Am 9. Mai um 22.15 Uhr ist der Schauspieler in einer neuen Folge der preisgekrönten ZDF-Reihe zu sehen. Dieses Mal dreht sich alles um die Meeresschildkröte. Im Interview mit der AZ spricht Jaenicke über die Probleme der Meeresbewohner und die deutsche Klimapolitik. 

Herr Jaenicke, wie sind Sie zum Umweltschutz gekommen?
HANNES JAENICKE: Ich bin mit 15 Mitglied bei Greenpeace geworden, weil ich als Teenie den Kampf gegen das Walschlachten großartig fand. Es ist ja immer noch erlaubt, Wale zu jagen. In Norwegen, Japan, Island… Und dann bekommt man alle drei Monate den Greenpeace-Newsletter. Wenn man den lange genug liest, wird man irgendwann wütend oder verzweifelt. 

Hannes Jaenicke: "Wir haben bis heute kein Tempolimit"

Also begleiten Sie diese Themen schon sehr lange?
Das Thema interessiert mich schon seit meiner Jugend. Wir wissen seit 50 Jahren, was zu tun wäre, machen aber das Gegenteil. Der CO2-Ausstoß steigt weiter. Wir haben bis heute kein Tempolimit, und jeder schreit, wenn die Preise für fossile Brennstoffe nach oben gehen. Der Mensch hat eine sehr flache Lernkurve. Ich glaube, man könnte diese Lernkurve steiler gestalten. Das ist einer der Gründe, warum ich diese Dokus mache.

Hannes Jaenicke beneidet Robert Habeck nicht

Sie sind auch Mitglied bei den Grünen. Wie finden Sie denn die aktuelle Klimapolitik?
Ich beneide Robert Habeck nicht, in Koalitionsverhandlungen mit der FDP verhandeln zu müssen. Wir haben immer noch unglaublich viele Politiker, die den Klimawandel ignorieren, klein reden oder sogar leugnen. Dazu gehören die FDP und die CDU/CSU. Selbst Olaf Scholz, der sich Klimakanzler nennt, tut nichts für den Klimaschutz. Ehrlich gesagt bin ich heilfroh, dass ich meine Filme machen darf und mich nicht in Parteisitzungen herumschlagen muss.

Finden Sie die Herangehensweise der Klimakleber gut oder würden Sie persönlich lieber eine andere Form des Klimaprotests sehen?
Ich würde lieber über effektive Klimapolitik diskutieren. Ich finde es absolut atemberaubend, dass dieses Land sich lieber über Klimakleber aufregt als über das eigentliche Problem. Wir hatten vor zwei Jahren eine Flutkatastrophe, bei der Hunderte Menschen gestorben sind. Aufgrund der Klimakrise. Und wir diskutieren allen Ernstes darüber, ob das Kleben in Ordnung ist oder nicht? Ich fände es schlauer, wenn wir tatsächlich über Lösungen diskutieren würden. Und nicht über Jugendliche, die sich festkleben. Ich persönlich klebe mich nicht fest,  ich mache lieber Bücher und Filme, um etwas zu bewegen.

Hannes Jaenicke
Hannes Jaenicke © BrauerPhotos

Hannes Jaenicke: Doku über Meeresschildkröten

In Ihrer aktuellen Doku beschäftigen Sie sich mit der Situation der Meere und mit Meeresschildkröten. Warum dieses Tier?
Kein Tier ist auf so traurige Weise das Opfer von Überfischung, Plastik-Vermüllung und Klimawandel wie Meeresschildkröten. Deswegen eignen sich diese Tiere perfekt, um die Ozeanproblematik zu bebildern.

"Das ist das endgültige Aus einer Spezies"

Was sind die größten Probleme, mit denen sich Meeresschildkröten rumschlagen müssen?
Es wird immer noch mit vielen illegalen Techniken gefischt, wie etwa mit Longlines, Schleppnetzen und  Stellnetzen. Ein weiteres Problem sind Geisternetze: Sobald ein Netz beschädigt ist, schmeißen die Fischer es über Bord. Danach treibt es als Lebendfalle für Seehunde, Seelöwen, Delphine und Schildkröten durchs Meer. Die ersticken kläglich, weil sie zum Atmen an die Oberfläche müssen.

Gibt es noch weitere Probleme?
Die Lieblingsspeise vieler Meeresschildkröten sind Quallen, und die verwechseln sie oft mit Plastiktüten und ersticken. Darum haben wir plötzlich überall Quallen-Plagen, weil es nicht mehr genug Meeresschildkröten gibt. Ein weiteres Problem ist, dass Meeresschildkröten seit 120 Millionen Jahren ihre Nester auf sehr ähnliche Art graben. Sie krabbeln etwa 100 Meter den Strand hoch und buddeln ein 40 bis 60 Zentimeter tiefes Loch. Was sie aber nicht einkalkuliert haben, ist, dass durch den steigenden Meeresspiegel die Flut ihre Nester leer spült – lange, bevor die Babys überhaupt schlüpfen können. Und das ist das endgültige Aus einer Spezies.

Hannes Jaenicke: "Ich hätte mir längst einen Strick nehmen müssen"

Gab es während des Drehs mal einen Moment, in dem es Ihnen zu viel geworden ist?
Nein. Dass der Mensch die Natur misshandelt, ausnutzt und Tiere quält, ist nichts Neues. In Deutschland ist der Kastenstall bei Schweinen immer noch erlaubt. Wir erlauben immer noch die Art von Puten- und Hühnerzucht, wie sie Wiesenhof praktiziert. Schweine werden vergast, bevor sie verarbeitet werden. Das Letzte, was ich tun werde, ist, mit dem Zeigefinger nach Asien oder Afrika zeigen und sagen "schaut mal, wie bestialisch die mit ihren Tieren umgehen." Wir sind hier kein bisschen besser. Im Gegenteil. Ich glaube, dass die industrialisierte Welt am grausamsten mit ihren Tieren umgeht. Das Essen von Lachs und Thunfisch kann man heute nicht mehr verantworten. Aber die hungrigen Industrieländer essen, worauf sie Lust haben. Wenn ich daran verzweifeln würde, wie der Mensch mit der Natur umgeht, hätte ich mir längst einen Strick nehmen müssen.

"Den meisten Plastikmüll verursacht nachweislich Coca-Cola"

In einigen Ländern werden Schildkröten noch gegessen. Das hilft dem Bestand bestimmt auch nicht weiter?
In Costa Rica werden tatsächlich noch Schildkröteneier verspeist. In Bali werden jedes Jahr Hunderte Schildkröten geschlachtet, weil es ein traditionelles Essen ist. In Afrika gelegentlich, wenn es Hungersnöte gibt. Aber in allen Ländern, in denen sie vorkommen, standen Meeresschildkröten immer auf dem Speiseplan. Bedroht sind sie allerdings erst, seit es die industrielle Fischerei gibt, und eben die Plastik-Problematik. Dass sie am Rande der Ausrottung stehen, haben wir erst in den letzten 50 bis 60 Jahren geschafft. Früher war das mal ein relativ vertretbares Lebensmittel für Seeleute (sehr proteinhaltig), das hat sich aber zum Glück geändert. Bis in die frühen 80er Jahre wurde übrigens auch in deutschen Supermärkten Schildkrötensuppe verkauft.

"Faule Ausrede": Produkte boykottieren, damit Hersteller mit Produktion aufhören

Sie kennen bestimmt auch die Aussage "Ich alleine kann sowieso nichts verändern". Was halten Sie davon?
Das ist eine faule Ausrede. Jedes noch so kleine Schrittchen, das jeder einzelne von uns tut, bewegt ja was. Wenn ein Mensch sagt: "Ich kaufe mir jetzt keinen SUV mehr", wird es irgendwann ein zweiter sagen und dann ein dritter. Und irgendwann wird die Autoindustrie aufhören, SUVs zu produzieren. Wenn wir anfangen, bestimmte Produkte zu boykottieren, würden die Hersteller umdenken. Den meisten Plastikmüll verursacht nachweislich Coca-Cola. Auf Platz zwei ist Pepsi und auf Platz drei Nestlé. Wenn wir deren Produkte einfach mal liegen lassen würden, würden die Konzerne sie bald anders verpacken.

Sie sind für Ihre Dokus sehr viel unterwegs. Leidet da nicht manchmal auch das Privatleben?
Mein privates Umfeld unterstützt, was ich mache. Die sind ähnlich unterwegs wie ich. Also nein, es leidet nur gelegentlich. Meine engsten Freunde sind lustigerweise auch meine Doku-Partner. Wir sind seit 17 Jahren ein unverändertes Team und reisen gemeinsam um den Globus.


"Hannes Jaenicke: Im Einsatz für Meeresschildkröten" läuft am Dienstag, 9. Mai, um 22.15 Uhr im ZDF. Ab dem 8. Mai um 22.15 Uhr ist die Doku bereits in der ZDF-Mediathek zu sehen.

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