Interview

"Gutes Essen" von Nelson Müller: "Man sollte wachsam sein"

Gutes Essen, bei dem Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz sowie faire Bezahlung einhergehen? Nelson Müller weiß, wie das gelingen kann.
von  Leonie Fuchs
"Mit unserer Kaufentscheidung können wir die Zukunft beeinflussen", sagt Sternekoch Nelson Müller.
"Mit unserer Kaufentscheidung können wir die Zukunft beeinflussen", sagt Sternekoch Nelson Müller. © Nina Stiller Photographie

Er entlarvt Verbrauchertäuschungen rund ums Essen in seinem Lebensmittelreport im ZDF. Und auch als Nilpferd verkleidet hat man Sternekoch Nelson Müller schon gesehen – singend bei "The Masked Singer". Das kann Müller also auch, seine große Leidenschaft ist aber natürlich die Küche – und seine Rezepte teilt er in seinen Kochbüchern. In seinem neuen namens "Gutes Essen", dreht sich alles rund um das Thema Nachhaltigkeit. Seine Tipps in der AZ:

Nelson Müller über Nachhaltigkeit: "Mit der Ernährung kann jeder einen Beitrag leisten"

AZ: Herr Müller, gutes Essen, heißt es in Ihrem neuen Kochbuch, beginnt beim Einkaufen. Welche Lebensmittel dürfen deshalb im Einkaufswagen nicht fehlen, welche sind tabu?
NELSON MÜLLER: Beim Kochen geht es für mich nicht um Verbote, sondern darum, gemeinsam Spaß zu haben und mit dem, was man isst, vielleicht sogar ein Stück die Welt zu verbessern. Bei mir in den Einkaufswagen kommen deshalb Saisonales, Regionales, kein Fleisch aus Massentierhaltung, keine Fische, die auf der Roten Liste stehen, Biogemüse und Fair-Trade-Produkte. Das sind Dinge, auf die jeder gut achten kann, ohne Einbußen zu haben. Stattdessen hat man einen besser gefüllten Kühlschrank daheim.

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie und wieso liegt diese Ihnen am Herzen?
Mit der Ernährung kann jeder einen Beitrag für die Umwelt leisten und gegen den Klimawandel ansteuern. Da spielt gerade die Massentierhaltung eine große Rolle: sei es etwa bei der Futterbeschaffung von Soja, wofür Regenwald gerodet wird, oder bei der Haltung selbst, die für einen hohen CO2-Ausstoß sorgt. Mit unserer Kaufentscheidung können wir Konsumenten die Zukunft beeinflussen - das ist für mich Nachhaltigkeit pur.

"Bei dem Wald an Siegeln ist es für Verbraucher schwer"

Bei Bio denken viele oft gleich teuer. Ist das denn so?
Mittlerweile sind die größten Bio-Anbieter die Discounter, das sage ich aber nicht ganz wertfrei, denn darunter leiden die kleinen Anbieter. Wir haben auf der einen Seite also diese romantischen Bauernhöfe, die mit Direktvermarktung arbeiten und nicht mit den Preisen eines Discounters mithalten können, weil sie ja kein Konzern sind. Deshalb sind sie auch ein bisschen teurer. Auf der anderen Seite gibt es die Bio-Produkte in den Discountern. Von denen muss man als Käufer wissen, dass sie oft in großangelegten Gewächshäusern in Europa angebaut werden, in Plastikfolien eingepackt werden – weniger romantisch, aber natürlich auch unter Bio-Kriterien angebaut. Hier kann man auch mit weniger Geld Bio einkaufen. Das ist bei Fleisch und Fisch schwieriger.

Wie ist dabei ihr Plädoyer?
Lieber weniger Fleisch und Fisch zu essen, deshalb sind in meinem neuen Kochbuch auch viele vegane und vegetarische Gerichte dabei, lustige Speisen, Streetfood, nach dem Motto: "back to the roots".

Und da ist alles mit dabei: vom gesunden Frühstück über Snacks für zwischendurch, hin zu Hauptgerichten und Nachspeisen.
Genau, wir brauchen Nahrung ja generell, um fit zu sein, gesund durch das Leben zu gehen. Wenn Tierwohl, Umwelt, Klimaschutz und faire Bezahlung dann mit den Gerichten einhergehen, ist das doch toll! Man muss etwas tun.

"Bei verarbeiteten Lebensmitteln wird oft gespart"

Was raten Sie Menschen, die aktuell sparen müssen?
Vor dem Hintergrund der Energiekrise, der Inflation und des Krieges gibt es natürlich viele, die gerade den Gürtel enger schnallen müssen. Da bin ich froh, dass es die Möglichkeit des Discounters gibt. Dort kann man auch ruhig mal zu No-Name-Produkten statt zu Marken greifen. Die sind meistens genauso gut. Bei verarbeiteten Lebensmitteln wird jedoch oft an anderen Stellen gespart: zulasten von Menschen und Tieren, des Klimas. Es geht letztendlich darum, wachsam zu sein, sich mit dem Thema bewusster auseinanderzusetzen. Beim Tierwohl wissen zum Beispiel viele nicht, dass auch Schweine und Kühe, die in Haltungsform 3 gehalten wurden, Freilauf hatten. Bei Bio sind die Richtlinien meines Erachtens oft nicht streng genug.

Könnte das geplante staatliche Tierwohl-Label helfen, die Haltungsformen für Verbraucher besser einzuordnen?
Auf jeden Fall. Für den Konsumenten ist es ja oft schwierig, durchzublicken, bei dem Wald an Siegeln, das schafft Unsicherheit. Je mehr Transparenz, desto besser.

"Die Haltungsformen 1 und 2 sind bei mir immer raus"

Worauf sollte man also bei einem nachhaltigen Einkauf achten?
Bei Fisch sollte auf die Siegel MSC (nachhaltige Fischerei) und ASC (nachhaltige Aquakultur) geachtet werden. Vielen geht das zwar nicht weit genug, aber es ist ein erster Anhaltspunkt. Auf der WWF-Seite kann man nachschauen, welche Fische auf der Roten Liste bedrohter Tierarten stehen. Bei Fleisch sollte entweder Bio eingekauft werden oder man kennt einen Metzger persönlich, der einem sagen kann, wie seine Tiere gehalten wurden. Beim Fleisch aus dem Regal sollte auf die Haltungsform geachtet werden: 1 und 2 ist bei mir immer raus. Bei Obst und Gemüse gilt: Bio, regional oder es selbst anbauen.

Wie starten Sie heute in den Tag, wird bei Ihnen gefrühstückt?
Ja, unbedingt. Obwohl ich auch oft Intervallfasten mache. In meinem neuen Kochbuch gibt es ein Rezept von einem Brot-Müsli mit Pflaumenmus und Zimt-Hafermilch, das ist total sexy! Meine Rezepte sollen dabei Ideengeber sein, die individuell verändert werden können.

Rezept von Nelson Müller: Brot-Müsli mit Pflaumenmus und Zimt-Hafermilch

Starkoch Nelson Müller hat in seinem neuen Buch viele klima- und tierfreundliche Gerichte gesammelt – zum Beispiel dieses gesunde Brot-Müsli:

Zutaten: 250g altbackenes Sauerteigbrot, 150g altb. Rosinenbrot, 100g altb. Laugenbrezel, zudem: 100g Haselnüsse, 50g Cashewkerne, 100g getrocknete Pflaumen, 3 EL Ahornsirup.

Für die Zimt- Hafermilch: 250ml Hafermilch, 2 EL Ahornsirup, 1 Päckchen Vanillezucker, Msp. Zimt, 80g Pflaumenmus.

So geht's: Das Brot in kleine Würfel schneiden. Die Nüsse grob hacken, die Pflaumen würfeln. Den Backofen auf 180 °C vorheizen. Das Brot mit den Nüssen mischen, die Pflaumen zugeben. Ein Blech mit Backpapier auslegen und die Mischung gleichmäßig darauf verteilen. Den Sirup darüberträufeln und circa 15 bis 20 Minuten im Ofen backen. Dabei öfter wenden. Für die Zimt-Hafermilch alle Zutaten vermischen und glattrühren.


"Gutes Essen" von Nelson Müller, Dorling Kindersley Verlag, 224 Seiten, 24,95 Euro

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