Graeters Kolumne: Gabriele Henkels Augenlust

MÜNCHEN - Die Grande Dame präsentiert den Band ihrer Kunst-Sammlung – Michael Graeter hat ihn bereits.
In München sind schon manchmal wertvolle Kunstwerke aus Versehen verschwunden. Am spektakulärsten war der Exitus zweier Fett-Kreationen von Joseph Beuys, die von einer Reinemachefrau arglos in den Abfall entsorgt wurden.
Ein ähnliches Schicksal scheint offenbar dem größten Regenmantel der Welt widerfahren zu sein, einer Installation von Gabriele Henkel mit der Unterschrift „Große Gäste werfen ihre Schatten voraus“. Der vier Meter große Burberry, lässig abgetragen, wie sich das für einen richtigen Burberry gehört, hing zusammen mit einem Herrenhut als Blickfang in der Lobby des feinen Münchner Hotels „Rafael“. Seit die Nobelherberge Namen und Besitzer wechselte, ist das 100000 Euro-Kunstwerk weggekommen.
Ein Schnäppchen für kunstsinnige Menschen
„Ich weiß nicht, wo der Mantel jetzt ist, ich muss in dem Hotel jetzt nachfragen", sagte mir Gabriele Henkel gestern Abend in Düsseldorf. Die Grand Dame und Multikünstlerin lud 200 Gäste der A-Liste, darunter Politiker Wolfgang Clement, Henkel Vorstandvorsitzender Kasper Rorsted, Regisseur Robert Wilson, Künstler Imi Knoebel und Horst Münch, ins „Ständehaus K 21" ein, wo sie die exklusive Buchpräsentation „Collection at Home“, Sammlung Henkel, vornahm.
Die sonst lärmende B-Society, die in Düsseldorf so gern mit sogenanntem Benefiz das Rampenlicht begehrt, blieb vor der Tür. Die zwei Bände, deren Abbildungen auf die Wände des „K 21" projeziert wurden, sind für 88 Euro ein Schnäppchen für kunstsinnige Menschen, die damit an Gabrieles Malerei, Zeichnungen, Fotografien und Arbeiten auf Papier teilhaben können. Jede deutsche Frau hat ohnehin seit Jahrzehnten eine Beziehung zu Henkel durch Persil.
Einzelheiten werden herangezoomt
Die Mäzenin und Künstlerin: „Dies ist kein Museumskatalog. Beim Blättern werden Sie bemerken, dass auch die Präsentation anders als gewohnt ist. Ich habe mir die Freiheit genommen, überraschende Konfrontationen herauszustellen. Einzelheiten werden herangezoomt. Sehr wichtig, denn das schulde ich der Aura der Objekte. Mit Hilfe von Stephanie Engeln habe ich Bilder inszeniert."
Rund 500 Objekte seien eine Verführung, ein feuilletonistisches Essay, eine Reise in die Welt der Fantasie, in einen Kontinent, wo es nicht um Bruttosozialprodukt und Abschreibungen geht, sondern wo der Gewinn ein anderer, aber garantiert ist: Augenlust, Nachdenken, Erschrecken und vielleicht Vergnügen.
Noch zwei Tage zuvor hatte Lady Henkel, zu deren kunterbuntem Freundeskreis Mäzen Mick Flick, Politiker Lothar Späth, Star-Orthopäde Hans Müller-Wohlfahrt, Panik-Rocker Udo Lindenberg und Fürst zu Kari von Schwarzenberg gehören, in der Druckerei in Radolfzell am Bodensee gestanden, um Farbtöne zu kontrollieren.
Mache nur, was Dir Freude bereitet
Die Lady mit viel Energie für Geistesblitze und Witwe von Konzernchef Konrad Henkel, der 1999 verstarb, endete in ihrer kurzen Ansprache mit einem Zitat von Henry Miller: „Do anything, but let it produce joy. Do anything, but let it yield ecstasy" („Mache nur, was dir Freude bereitet“).
In den 70er Jahren hatte sie angefangen, im Auftrag des Vorstands Kunst zu kaufen. Sie hortete die Kunstwerke nicht wie ein Sammelsüchtiger. Ihre Maxime: „Mein einziger Maßstab ist Qualität" Sie begann gleichzeitig selbst als Kunstschaffende zu agieren.
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Für seine medizinische Kunst wurde der Münchner Hals-Nasen-Ohren-Spezialist Professor Dr. Eberhard (Ebes) Wilmes vom Schwabinger Krankenhaus von einem Brüsseler Politiker, den er behandelte, mit einem Rom-Ausflug erster Klasse belohnt.
Der Star-Doktor wurde mit Polizei-Konvoi durch die Ewige Stadt gefahren und auch zur „Kleinen Audienz“ bei Papst Benedikt XVI. gebracht. Nachdem Wilmes feststellte, dass er dort die Visite mit 7000 anderen erleben durfte, zog er vor, die vatikanischen Gärten zu besuchen. Dort hatte der aus Polen stammende Vorgänger-Papst Johannes Paul II. zwei deutliche Spuren hinterlassen und nicht die erste Künstler-Garde wie einen Michaelangelo antreten lassen – wie sonst im Vatikan üblich. An einer alten Mauer ließ der Pontifex eine originalgetreue Kopie der Grotte von Lourdes errichten mit einer Madonna aus Plastik. Im hinteren Bereich des Gartens, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, ließ Johannes Paul ein Kloster errichten, in dem die Nonnen 24 Stunden beten müssen. Professor Willmes: „Ich weiß nicht, ob solch intensives Beten unserem Herrgott nicht zu viel wird."