Glamour-Abend im Dreivierteltakt
Horst Seehofer redet über Karl May, Bushido kauft sich einen Smoking, Daniel Craig schaut kurz vorbei: Auf dem Deutschen Filmball feiert sich die Branche, als gäbe es keine Krise – doch wer genau hinschaut, sieht rührende Momente des Scheiterns.
Liebe Damenwelt, es muss gesagt sein: Im Nachhinein ist es doch gar nicht so sehr schlimm, dass Daniel Craig, der große, der bezaubernde, der betörende Daniel Craig, nicht mit in den Ballsaal kam, sondern bloß vier Minuten auf dem Teppich stand, lächelte, seine Freundin Satsuki Mitchell festhielt, sich fotografieren ließ – um dann zum Aufzug zu stürmen und in seiner Suite zu verschwinden.
Natürlich, der Gedanke, mit Mister Bond zu tanzen, ist verführerisch. Deshalb erzählt Jessica Schwarz ja, dass sie vier Jahre auf der Tanzschule war, deshalb schickt Doris Dörrie ja die Tochter zu den Wartenden ins Foyer – bloß: wie bei einem guten Film kommt es auch bei einem Ball nicht allein auf den Hauptdarsteller an. Dafür auf spannende Szenen, interessante Nebendarsteller. Von all dem hatte der Deutsche Filmball, den die 1200 geladenen Gäste am Wochenende pompös im Bayerischen Hof feierten, am Wochenende mehr als genug.
Abends um sechs ist der Promenadeplatz bereits vollkommen überfüllt, Fotografen, Reporter, Schaulustige drängen sich an die eisernen Absperrgitter, glotzen auf den roten Teppich, auf dem niemand ist. Doch, da hinten stehen Uschi Glas und ihr Mann Dieter Hermann, sie tippeln im Gänsemarsch von Mikrofon zu Mikrofon. Als sie am Ende angelangt sind, drehen sie sich um, laufen zurück – und geben einfach nochmal Interviews.
Seehofer will "nicht langweilen"
Wer das sieht, wird Zeuge einer etwas traurigen und zugleich rührenden Szene – die das Sinnbild eines Abends ist, der trotz aller Lautstärke viele leise Dramen besitzt.
In seiner ganzen Fülle erkennbar wird das erst später am Abend. Erst nachdem Steffen Kuchenreuther, der Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), die Gäste begrüßt hat. Erst nachdem Horst Seehofer eine Rede gehalten hat, die aber keine ist, weil der Ministerpräsident „nicht langweilen“ will. Und erst nachdem die Gäste sich an den Tischen gruppiert und zwischen Kaviar mit Kartoffelpüree, den Seeteufelmedaillons oder einem Rinderfiletsteak gewählt haben. Es folgt ein Walzer als Auftakt zu einem Abend, an dem viele im Mittelpunkt stehen. Und noch mehr am Rand sitzen.
Horst Seehofer gehört zu denen, die in der Mitte stehen. Tanzt mit seiner Frau Karin, erzählt der AZ, dass er zwar selten ins Kino komme, Filmleute aber „total interessant“ finde und bis heute ein großer Fan der Karl-May-Verfilmungen sei. „Da steckt alles drin.“ Und Til Schweiger kommt zwar spät, gehört aber ebenso wie Oliver Berben, Bernd Eichinger und Fred Kogel zu der Garde von Gästen, die den ganzen Abend über belagert werden. Anders aber als Eichinger & Co ist Schweiger gesprächig („Kritiker interessieren mich nicht.“) – und wird darin einzig von einem jungen Mann übertroffen, der auf den Namen „Bushido“ hört.
Bushido und sein Smoking: "Einen Tausender hingelegt"
Der Rapper kam mittags aus Berlin, wo er sich noch einen Smoking gekauft hat. „Ich hab’ einen Tausender hingelegt“, prahlt er, „ich ziehe ihn nur heute an, aber, hey: Ich kann’s mir eben leisten.“ Im Übrigem sei es ihm „völlig egal“, was andere über ihn denken. Den meisten anderen ist es das nicht, sie drehen sich exaltiert wie Marie Bäumer, sie genießen das Blitzlicht wie Sky du Mont, sie stolzieren durch die Gänge wie Caroline Beil, sie drängen viele an den Rand.
Traurig zu sehen etwa, wie Günther Beckstein auf einem Katzentisch am Ende des Saales verfrachtet wurde. Beschämend, wenn man merkt, wie Michaela Schaffrath, eine blonde Ex-Dschungel-Camperin und Ex-Porno-Darstellerin, solange sucht, bis sich einer erbarmt und sie interviewt. Tragisch zu spüren, wie es Edmund Stoiber irritiert, dass sich kaum einer für seine Tanzkünste interessiert. Verstörend mitzubekommen, wie bemüht Heiner und Viktoria Lauterbach sich um den Frisch-Getrennten Martin J. Krug kümmern, ihm nachschenken, mit ihm lachen – und der den ganzen Abend damit zubringt, nur eines zu zeigen: Es geht mir gut!
Ungewiss, ob das wirklich so ist. Andererseits: Die Wirklichkeit ist an diesem Abend im Bayerischen Hof sowieso sehr weit weg.
Jan Chaberny