George Michael: Auf der Suche nach der verlorenen Sanftheit


David Bowie, Prince, Rick Parfitt und jetzt auch noch George Michael. Im zu Ende ?gehenden Jahr starben Giganten des Pops und Rocks. ?Michaels Leben war ein ständiges Auf und Ab.
London - Es gibt Menschen, in denen verdichten sich Stil und Klang einer bestimmten Zeit. George Michael war so jemand – mit seinem Schmusebär-Aussehen, der Föhnfrisur, aufgeknöpften Hemden und Dreivierteljeans – stilprägend für die 80er Jahre.
Und wenn man über diese Äußerlichkeiten hinausgehen will, war der Mann aus dem Londoner Kleinbürgerstadtteil Finchley auch Zeitgeistspiegel, Sehnsuchts-Ikone und trotz seiner schönen, weichen Baritonstimme auch eine tragische Figur.
Aber 1982 war der „Wham-Rap“ zwar kein Rap, doch er verkündete ein neues, frisches Lebensgefühl: Job oder kein Job? – Egal, alles ist erlaubt, was gefällt!, war das, was George Michael 19-jährig zusammen mit seinem früheren Schulfreund Andrew Ridgeley unter dem popart-artigen Duo-Namen Wham! einsang. Und es war die späte Kalte-Kriegszeit, in die George Michael 1984 sein kitschiges „Last Christmas“ hinein sang – sein kommerziell erfolgreichster Titel.
Im gleichen Jahr gelang auch der Charts-Superhit „Careless Whisper“. Mit seinem larmoyanten Saxophon-Intro und dem schleppenden Schieber-Rhythmus thematisierte er gnadenlos soft Teenie-Anbahnungs- und Enttäuschungsängste. „Wake Me Up Before You Go-Go“ wirkte dagegen wieder wie ein Aufputschmittel.
Das alles klang nach entpolitisierter Thatcher-Zeit: Spaßhaben und Yuppie werden. Die beiden von Wham! wirkten dabei – solariumsgebräunt, hedonistisch mit optimistischen Motto-T-Shirts – wie eine Karikatur, dabei war ja bereits im „Wham!-Rap“ neben der Lebenslust die Massenarbeitslosigkeits-Situation thematisiert.
So traute man weder Wham! noch später George Michael zu, auch politisch zu sein: wie beim Anti-Thatcher-Benefiz-Konzert für die streikenden Bergarbeiter in Londons Royal Festival Hall im September 1984 oder später Michaels Konzerte zur Unterstützung von Krankenschwestern oder seine Anti-Irak-Singles.
Als Wham! 1986 ihr Abschiedskonzert im Londoner Wembleystadion für den 28. Juni ankündigten, waren die 72 000 Eintrittskarten angeblich innerhalb von drei Minuten ausverkauft – und das in vordigitaler Zeit. Bei dieser zweieinhalbstündigen Abschiedsshow traten auch Elton John und Simon Le Bon von Duran Duran als Hommage auf.
Wham! hatte in fünf Jahren 25 Millionen Alben und 15 Millionen Singles verkauft, war als erste Westband im Jahr zuvor zu einer zehntägigen Tour durch die noch orthodox-kommunistische Volksrepublik China eingeladen worden, das Duo war die bekannteste Soft-Pop-Ikone.
Es war eine androgyne Zeit, eine Phase der sexuellen Befreiung, als Katalysator diente ausgerechnet die Krankheit Aids. Hatte die Plattenfirma Sony George Michael anfangs von einem Coming-out abgeraten, tastete sich Michael gegenüber der Öffentlichkeit über ein bisexuelles Image an seine Wahrheit heran.
Noch 1991 bekannte sich Michael nur sehr vorsichtig im privaten Umfeld zu seinem brasilianischen Lebensgefährten Anselmo Feleppa, der 1993 an Aids starb. In derselben Zeit starb auch George Michaels Mutter. Beide Ereignisse führten bei George Michael zu einer Schaffenskrise und zunehmender Drogensucht.
Ein Reporter der englischen Zeitung „The Guardian“, erinnerte sich an ein Interview 2009, währenddessen George Michael einen Joint nach dem anderen rauchte und zwei Bereiche nannte, in denen er so etwas wie Sicherheit empfände: „Sex and Drugs.“ Dabei war George Michael nach dem Ende von Wham! eine große Solokarriere geglückt. Allein aus dem Solo-Debütalbum „Faith“ erreichten die vier ausgekoppelten Singles alle den Spitzenplatz der US-Charts.
Und mit „Freedom ’90“ schuf George Micheal einen Klassiker, für den er die Supermodels Naomi Campbell, Linda Evangelista, Tatjana Patitz, Christy Turlington und Cindy Crawford gewann, indem er mit ihnen die Ikonografie der „Vogue“ in sein Musikvideo übertrug.
Der 7. April 1998 war ein Tief- und Aufbruchspunkt zugleich in George Michaels Leben, das mittlerweile durch Drogenexzesse und Abstürze gekennzeichnet war. In einer öffentlichen Toilette beim Will Rogers Park am Bunsen Boulevard in Los Angeles verhaftete ihn ein Zivilpolizist, nachdem er George Michael beim schnellen, anonymen Sex mit einem Mann erwischt hatte.
Erst durch die Pressemeldung in den Massenmedien wurde jetzt einer großen Öffentlichkeit die Homosexualität von George Michael bekannt. Er selber erklärte, dass er sich unbewusst nach einem befreienden Skandal gesehnt habe. Auch reagierte Michael mit seinem Song „Outside“ mit Video, das zwei sich küssende Polizisten zeigte.
Vor fünf Jahren ist George Michael noch einmal in München gewesen mit großer Symphonieorchester-Begleitung in der fast ausverkauften Olympiahalle. Die Haare kürzer denn je, Sonnenbrille, und ein schlichter aber dennoch eleganter Anzug: Einer Diva gleich tauchte er aus der Mitte seines Klassikorchesters auf und coverte zu viele Songs anderer Stars, ehe er mit „Love’s A Loring Game“ von Amy Winehouse ein Requiem anstimmte für die gerade zu jung völlig verausgabt gestorbene Sängerin. George Michael war ein Mann ergreifender Gesten, großer, eigener eingängiger Melodien.
Der AZ-Kritiker schrieb zu diesem letzten Münchner Auftritt: „Und mag George Michael streckenweise doch zu soft gewesen sein – das Gefühl, hier einen der letzten großen Entertainer live erleben zu können, gab dem Abend Magie.“
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