Filmwelt schockiert über Polanskis Verhaftung

Seit Samstagabend sitzt der Regisseur in Zürich in Haft – noch weiß keiner, ob und wann die Schweiz ihn ausliefert. Im Ernstfall droht dem 76-Jährigen eine lange Gefängnisstrafe. Graeter schüttelt darüber den Kopf.
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Vorerst wohl nicht mehr auf roten Teppichen zu sehen: Roman Polanski.
ap Vorerst wohl nicht mehr auf roten Teppichen zu sehen: Roman Polanski.

Seit Samstagabend sitzt der Regisseur in Zürich in Haft – noch weiß keiner, ob und wann die Schweiz ihn ausliefert. Im Ernstfall droht dem 76-Jährigen eine lange Gefängnisstrafe. Graeter schüttelt darüber den Kopf.

Als „Erstausstattung“ erhält Roman Polanski ein Fläschchen Jod, Heftpflaster und fünf Kondome. Dann gibt es fünf Unterhosen, fünf Paar Socken und einen Trainingsanzug. Zum Schluss beim Check-In im relativ freundlichen Bezirksgefängnis Zürich wird ihm ein Foto hingehalten, wie eine Zelle aufgeräumt aussehen muss. Bei Einhaltung dieser „Hausordnung“ bekommt er dann als Häftling fünf Franken pro Tag vergütet, wobei ein Franken davon fürs Fernsehen wieder abgezogen wird.

Seit Samstagabend befindet sich der weltberühmte Regisseur, von dem die Kassenhits „Tanz der Vampire“ und „Rosemaries Baby“ stammen, in Abschiebehaft, was einer strengen U-Haft gleichkommt. Das bedeutet: Täglich 23 Stunden eingesperrt in einer Einzelzelle mit dunkelroter Eisentüre ohne Türklinke mit Klappfach fürs Essen und eine Stunde Hofgang auf schwarzem Asphalt, so groß wie ein Drittel eines Fußballfelds. Mit diesem „Freiraum“ muss sich der sensible, hochintelligente Filmemacher in den nächsten Wochen begnügen, bis Bern, nicht gerade bekannt für ultraschnelle Entscheidungen, den Entschluss gefasst hat, ob Roman Polanski ausgeliefert wird oder nicht. Gleichzeitig hat Polanski über seinen französischen Anwalt Herve Themime bereits die Auslieferung in die USA beim Bundesstrafgericht in Bellinzona anfechten lassen.

Vielleicht wird in seinem Fall schneller gehandelt und nicht vorgegangen, wie Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, zuständig für Justiz, cool bei der Verhaftung bekannt gab: „Auch wenn Herr Roman Polanski ein Herr Müller gewesen wäre, hätten wir ihn eingesperrt". Von den vielen Müllers, die tagtäglich am Flughafen verhaftet werden, wird die Schweizer Politikerin kaum Kenntnis haben.

Auf jeden Fall ist die Verhaftung Polanskis die obskurste aller Zeiten, die „Aktualität“ des jahrzehntelangen Haftbefehls aus dem Jahre 1978 die große Frage. Die internationale Films-Szene ist entrüstet und schockiert. Denn: Der Star-Regisseur lebt seit 1970 in der Schweiz und besitzt in Gstaad ein gemütliches Chalet, in dem ich mal für eine Woche lebte, kurze Zeit nach dem grauenvollen Mord an seiner Frau Sharon Tate.

Jeden Winter verbringt er dort. Im Sommer reist Roman mit Familie meist nach Ibiza, wo er ebenfalls seit Jahren ein Haus besitzt. 2006 kam der hauptsächlich in Paris lebende Oscar-Preisträger zu den Filmfestspielen nach Venedig und in den zurückliegenden Monaten drehte er in Berlin einen neuen Film.

Der Fall wegen der angeblichen Sex-Affäre mit einer Minderjährigen in der Villa von Superstar Jack Nicholson liegt dreißig Jahre zurück. Das so genannt Opfer, das mit vielen Hollywoodgrößen Kontakt hatte, verzieh Polanski öffentlich.

Wahrscheinlich handelte die spröde Justizministerin Widmer-Schlumpf, die ohnehin ihrem Parteichef Christoph Blocher, dem Franz Josef Strauß der Schweiz, bei ihrer Wahl zur Bundesrätin in den Rücken fiel, nach dem Buchstaben des Gesetzes. Es gibt seit 1997 einen Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und den USA. Wie es aussieht, wird Polanski wochenlang in Abschiebehaft sitzen müssen. Im Ernstfall drohen ihm in den USA bis zu 35 Jahre Haft.

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