ESC-Star Malik Harris über seinen Auftritt in Turin: "Die Quoten sind mir egal"
"Our twelve points go to Germany" - diesen Satz hat Deutschland beim Eurovision Song Contest seit dem Sieg von Lena Meyer-Landrut 2010 nicht mehr gehört. Mit Malik Harris könnte es am 14. Mai 2022 in Turin wieder eine Chance auf die ESC-Trophäe haben.
Der 24-Jährige, der gebürtig aus Landsberg am Lech stammt, tritt mit seinem Song "Rockstars" an. Mit der AZ hat er vorab über seine Erwartungen, musikalische Vorbilder und seinen prominenten Vater Ricky Harris gesprochen.
AZ: Bei ihrem ESC-Auftritt in Turin werden Ihnen mehr als 100 Millionen Menschen zuschauen. Macht Sie das nervös?
MALIK HARRIS: Ich habe sogar mal gehört, es sind 200 Millionen. Eine lächerliche Zahl (lacht). Nervös macht mich das eigentlich nicht. Das kommt bei mir erst kurz vor dem Auftritt, bis dahin bin ich super entspannt. Wenn es dann heißt, in zehn Sekunden ist Stage-Time, da haut es bei mir dann richtig rein in die Magengrube. Aber die Leute, die vor dem Fernseher zuschauen, nehme ich ja nicht wirklich wahr. Ich bin nur aufgeregt, bei den paar tausend Leuten, die ich tatsächlich sehe.
Malik Harris: Durch Auftritte als Opener von James Blunt an großes Publikum gewohnt
Sie haben ja als Opener für James Blunt und Alex Clare gespielt. Hat Sie das auf den ESC gut vorbereitet?
Das hat mich sehr gut vorbereitet. Ich habe schon vor echt großen Mengen gespielt und ich liebe das einfach. Das gute ist: Dadurch, dass ich das schon gemacht habe, habe ich für mich erkannt, wie sehr ich das liebe. Das überwiegt dann auch meistens in den Sekunden vor dem Auftritt, wenn man sehr aufgeregt ist.

Durch ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest erfahren Sie viel Aufmerksamkeit. Werden Sie auf der Straße seither öfter erkannt?
Ja, schon. Aber ich war jetzt noch gar nicht so viel unterwegs, weil so viele Online-Termine und Interviews anstehen. In meiner Heimatstadt Landsberg wurde ich aber auch schon vorher oft erkannt. Aber es hat sich auf jeden Fall krass gesteigert. Woran ich das merke, ist vor allem, dass ich meinen Social-Media-Auftritt selbst manage. Immer wird gesagt, dass ich auf alle Nachrichten und Kommentare antworte. Doch das wird immer schwieriger, mittlerweile bin ich kurz davor, aufzugeben. Wenn ich eine Nachricht beantworte, habe ich vier neue.
ESC-Kandidat Malik Harris über sein Privatleben: "Es gibt nichts, das ich nicht teilen würde"
Auch ihr Privatleben rückt mehr in den Fokus. Wie gehen Sie damit um? Zeigen Sie sich eher offen oder bleibt Privates privat?
Es ist eine Mischung. Was mich betrifft, gibt es eigentlich nichts, das ich nicht teilen würde. Aber was die Menschen in meinem Umfeld betrifft, das will ich nicht in meiner Macht haben, was da geteilt wird oder nicht. Ich versuche im ersten Schritt, nicht so viel preiszugeben und sie selbst entscheiden zu lassen, was sie teilen wollen oder nicht. Was mich betrifft, bin ich da super offen.
Können Sie das Interesse an Ihrer Privatperson nachvollziehen?
Ja. Ich persönlich kenne das jetzt nicht von mir. Ich bin jetzt schon Fan von Bands und Künstlern, aber deren Privatleben ist mir eigentlich egal. Ich verstehe das aber schon, wenn Fans alle Seiten des Künstlers kennenlernen wollen. Das ist schon okay, ich habe nur nicht das Gefühl, dass mein Privatleben sonderlich spannend ist. Aber wenn das die Menschen interessiert, stört mich das nicht.
Bei welchen Künstlern sind Sie denn der "kleine Fan", wenn Sie auf sie treffen würden?
Leider kann man sie nicht mehr kennenlernen, aber auf jeden Fall wären es Michael Jackson, Prince und Freddie Mercury gewesen. Von denen, die noch unter uns weilen, würde ich sagen: Twenty One Pilots, Tyler Joseph, Eminem und Josh Dun. Da würde ich, glaub ich, zittrige Knie kriegen.
"Ich sehe beim Eurovision Song Contest den Wettbewerbscharakter dahinter nicht"
Sie werden ja öfter mit Ed Sheeran verglichen, der auch mit seiner Loop-Station auftritt und viel selbst macht. Stört Sie das oder ist das ein Kompliment?
Das ist auf jeden Fall ein Kompliment. Es gibt ja auch schlechtere Vergleiche. Ich will aber irgendwann an den Punkt kommen, an dem man nicht mehr mit anderen verglichen wird, sondern dass ich meine eigene Marke etabliert habe. Das Spiel mit der Loop-Station habe ich aber tatsächlich eher von Jack Garratt als von Ed Sheeran.
Der ESC ist ja ein Wettbewerb. Wie wichtig ist dabei der Wille zum Sieg, verglichen mit einem sportlichen Wettkampf?
In der Musik ist es immer sehr schwierig, einen Wettbewerb aufzubauen. Da ist es nicht wie im Sport, wo die bessere Leistung zählt. Jeder hört die Musik, die einem gefällt und jeder hat seinen eigenen Geschmack. Dementsprechend ist es schwer zu bewerten, was besser oder schlechter ist. Ich sehe auch den Wettbewerbscharakter dahinter nicht. Der ESC ist für mich ein schönes Event, bei dem es positive und harmonische Vibes gibt. Das ist für mich die Hauptsache. Trotzdem will ich weit nach oben (lacht).
ESC-Quoten für Deutschland sind Malik Harris egal
Deutschland hat ja ein recht ambivalentes Verhältnis zu seinen ESC-Kandidaten. Bei gutem Abschneiden werden sie gefeiert, bei einer schlechten Platzierung verspottet. Wieviel Druck baut so etwas bei einem auf?
Ich habe da nicht so viel Druck. Ich bin zum einen zu überzeugt von meiner Musik und dem Song. Zum anderen bin ich schon länger im Business und eine ESC-Teilnahme war für mich nie eine große Sache. Ich wollte mit meinem neuen Song "Rockstars" etwas frischen Wind reinbringen, es war keine Karriere-Entscheidung. Nach dem ESC werde ich auch weiterhin meine Musik machen. Einen Tag nach dem Finale geht meine Tour los und es sind auch schon viele Festival-Auftritte geplant.
Erkundigen Sie sich eigentlich vorab, wie die Quoten in den Wettbüros für Ihren Auftritt liegen?
Nein, überhaupt nicht. Ich schaue da nicht drauf. Ich will erst ein Urteil fällen, wenn etwas vorbei ist und nicht am Anfang. Deshalb ist mir das relativ egal.
ESC trotz Krieg in Ukraine: "So eine Einheit habe ich noch nie erlebt"
Der ESC 2022 wird aufgrund der aktuellen Situation auch zum Politikum. Russland wurde ausgeschlossen, der ukrainische Beitrag gilt als Favorit. Sie selbst haben ihren Auftritt beim Vorentscheid für eine Botschaft an die Menschen in der Ukraine genutzt. Wie wichtig ist es, dass beim ESC Statements gesetzt werden?
Meiner Meinung nach ist das extrem wichtig, nicht nur beim ESC, sondern allgemein in der Musik. Eine Plattform sollte meiner Meinung nach genutzt werden, um auf Themen aufmerksam zu machen und zu zeigen, wo man selbst steht. Deshalb sehe ich den ESC da auch in der Verantwortung. Aber so, wie ich die Veranstaltung kenne, wissen die Veranstalter das auch. Ich wurde auch gefragt, ob der ESC überhaupt stattfinden sollte aufgrund der aktuellen Situation. Ich finde, auf jeden Fall. Was in dieser scheiß Situation Hoffnung gibt, ist zu wissen, dass die ganze freiheitliche und demokratische Welt sich einig ist und an der Seite der Ukraine steht. So eine Einheit habe ich noch nie erlebt. Das gibt mir Hoffnung.

Sie sind ja ein musikalischer Autodidakt, haben sich das Gitarrespielen selbst beigebracht. Wieviel Talent und wieviel Disziplin stecken dahinter?
Ich würde sagen, 70 Prozent Disziplin und 30 Prozent Talent. Ich habe das Glück, mit etwas Talent auf die Welt gekommen zu sein, aber das alleine bringt nichts. Da ist Disziplin sehr wichtig. Ich habe lange Zeit im Studio geschlafen. Gleich morgens nach dem Aufwachen ging es an die Musik, bis spät in die Nacht.
In Ihrem Song "When We Arrived" geht es ja um ein Mädchen, in das Sie verschossen waren. Weiß sie eigentlich, dass der Song von ihr handelt und hat sie sich nach ihrem Durchbruch bei Ihnen gemeldet?
(lacht) Ob sie es weiß, ist mir nicht bekannt. Viele Leute haben mir gesagt, dass sie es weiß. Ich selbst habe es ihr aber nie gesagt. In dem Song geht es ja auch darum, dass sie nicht gut für mich ist und ich mit mir selbst kämpfe. Deshalb hatte ich nie das Gefühl, ich sollte es ihr sagen, denn ich wollte ja nicht, dass daraus etwas entsteht. Gemeldet hat sie sich darauf glaube ich nicht, das ist mir aber relativ egal. Ich habe jetzt eine Freundin, mit der ich sehr happy bin.
Malik Harris über Promi-Status von Vater Ricky: "Inzwischen habe ich ihn überholt"
Ihr Vater Ricky Harris ist ja eine berühmte TV-Persönlichkeit in Deutschland. Wie hat sie das in ihrer Kindheit geprägt?
Relativ wenig. Mein Dad hatte in den Neunziger Jahren eine Talkshow und ich bin 1997 geboren, deshalb habe ich das nicht wirklich mitbekommen. Wie sich das für mich meistens bemerkbar gemacht hat, waren Situationen, wenn wir zu zweit unterwegs waren und Leute ihn nach einem Autogramm gefragt haben. Da habe ich auch als Kind gemerkt, dass man meinen Vater kennt. Aber ich muss sagen, inzwischen habe ich ihn überholt. Wenn wir jetzt zu zweit unterwegs sind, kommen die Leute öfter zu mir (lacht).

Sie sind ja in Landsberg am Lech geboren und aufgewachsen. Wie sehr fühlen Sie sich mit ihrer bayerischen Heimat verbunden?
Landsberg ist für mich auf jeden Fall Zuhause. Nicht nur wegen der Menschen, ich mag auch die Vibes hier. Die Bewohner haben so eine entspannte Art. Ich habe zwar den Traum, überall auf der Welt ein Zuhause zu haben, aber Landsberg ist und bleibt meine Heimat.
Haben Sie auch eine Verbindung zu ihren amerikanischen Wurzeln?
Auf jeden Fall. Ein Großteil meiner amerikanischen Familie wohnt in der Nähe von Boston. Ich versuche, sie regelmäßig zu besuchen, das war in der Corona-Zeit jedoch schwierig. Die sind auch megastolz auf meine ESC-Teilnahme. Meine Verwandten haben auch aus den USA beim Vorentscheid zugeschaut und mir ein Video geschickt, wie sie den Auftritt total abfeiern.
Ihre Songs singen und rappen Sie auf Englisch. Wird auch mal ein deutschsprachiges Lied von Ihnen kommen?
Nein, tatsächlich nicht. Ich habe früher mal versucht, auf Deutsch zu schreiben, aber das ging voll nach hinten los. Ich habe einen großen Respekt vor Songschreibern, die auf Deutsch texten. Bei mir war das Problem, dass die Texte total schnulzig und lächerlich klangen.