Er will einfach nur spielen

Weil der englische Musiker Pete Doherty beim on3-Festival die erste Zeile des Deutschlandliedes singt, buht ihn das Publikum von der Bühne. Zu recht? Hinterher gibt es noch Streit um die Gage
Es läuft nicht. Pete Doherty steht mit seiner Gitarre auf der Bühne, im Hintergrund pluckert der Bass das Riff von „Hit The Road Jack“. „Come on“ ruft Doherty, er will die Zuhörer zum Mitsingen animieren Doch das funktioniert nicht. Also nölt er: „Deutschland, Deutschland über alles“. Buhrufe. Die vier Wörter reichen, um das Publikum gegen sich aufzubringen. Dass es auch skandalfrei geht, zeigt Doherty im Backstage einen Tag nach dem zum Skandal stilisierten Auftritt beim on3-Festivals des Bayerischen Rundfunks.
Zurück zu Samstag: Weil der britische Musiker einen Tag vor seinem offiziellen Konzert in die Stadt gekommen war, engagieren ihn der BR für sein on3-Musikfestival. Die Hamburger Band Kettcar willigt ein, etwas später zu spielen und Doherty für einige Songs die Bühne zu überlassen.
Der schwankt kurz vor Mitternacht, zugegebenermaßen nicht ganz nüchtern, auf die Bühne. Und will spielen. Bevor er singt, buhen schon die ersten Zuschauer. Doherty schaut genervt. Also, denkt er sich wohl, muss er das Publikum aus der Reserve locken – und singt mit schwacher Stimme viermal die erste Zeile der ersten Strophe des Deutschlandliedes.
Eine vermutlich gezielte Provokation, deren Bedeutung sich der Exfreund von Model Kate Moss, der als Junge einige Jahre in Krefeld lebte, wohl bewusst sein dürfte. Fast reflexartig und zutiefst über diese Unverschämtheit empört, buht das Publikum. Erst verhaltener, dann immer lauter. Doherty bricht das Lied ab. Die Radio-Moderatoren reagieren sofort, entschuldigen sich bei den Hörern – denn das Konzert läuft im Radio und im Internet. Um die, die Doherty hören möchten, nicht zu enttäuschen, beschließen die Verantwortlichen, ihn noch ein paar Songs spielen zu lassen. Die Mehrzahl will lieber Kettcar und nicht mehr den Songwriter. Der BR zieht zehn Minuten später die Reißleine. „Fuck it, you don’t deserve it anyway“, verabschiedet sich der Musiker und rauschte ab.
„Es spricht einiges dafür, dass er es aus dem Bauch heraus gemacht hat“, sagt Programmbereichsleiter Rainer Tief. Die Entscheidung, Doherty spielen zu lassen, hatte sich der BR nicht leicht gemacht. „Wir haben vorher kurz überlegt, ob wir ihn nehmen sollen und haben uns knapp dafür entschieden.“
Nach dem Konzert soll es zwischen Doherty und dem Veranstalter einen Streit gegeben haben – anscheinend wollte er mehr Geld, als vereinbart wurde. „Es wurde eine Honorar-Vereinbarung geschlossen, wir haben unseren Teil erfüllt. Aber wünschen kann man sich dann ja noch etwas. . .“, sagt Tief. Nun erwartet der BR er eine Entschuldigung Dohertys.
„Politisch darf man’s nicht – strafrechtlich ist es aber nicht verboten“, sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „Allein was da an territorialer Ausdehnung kommt, ist schon unakzeptabel.“ Die erste Strophe des Deutschlandliedes war von den Nazis missbraucht worden und wird heute nicht mehr gesungen.
Dass man mit Doherty, der als einer der begabtesten Songwriter seiner Generation gilt, einen eklatfreien Abend verbringen kann, zeigte der am Sonntag im Backstage (siehe Konzertkritik rechts).
Im Internet diskutieren Blogger Dohertys on3-Auftritt heftig. Während einer ihn „saudumm“ fand, verteidigen andere den Künstler. Ihm dürfte das egal sein. Christoph Landsgesell