Er war der nette Onkel aus dem Orangenhain: Rolf Dittmeyer ist tot

Der Doyen des deutschen Apfelsinensaftes schüttete Generationen von Kindern mit Südfruchtweisheiten zu – und hat eine bittersüße Biografie hinter sich
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Ein Philosoph des Frischgepressten: Rolf "Onkel" Dittmeyer.
dpa Ein Philosoph des Frischgepressten: Rolf "Onkel" Dittmeyer.

Der Doyen des deutschen Apfelsinensaftes schüttete Generationen von Kindern mit Südfruchtweisheiten zu – und hat eine bittersüße Biografie hinter sich

Zugegeben: Heute würde eine Reklame, in der ein älterer Mann wie aus dem Nichts zwischen Büschen hervortritt und ein kleines Mädchen in ein Gespräch um Südfrüchte verwickelt, vermutlich für Irritationen und Ärger mit dem Kinderschutzbund sorgen. Doch damals, in der unschuldigen Werbewelt der 80er, war das einfach nur schön. Und genau diese Szene dürfte es auch sein, die die meisten Menschen von ihm in Erinnerung behalten werden. Von Rolf H. Dittmeyer, dem Grand Old Man des Orangensaftes, der jetzt im Alter von 88 Jahren gestorben ist.

„Entweder frischgepresst oder Valensina“ – das war ein vergleichsweise schlichtes Mantra angesichts der komplexen Vita des Wirtschaftswundermannes, der nach amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Hamburg Anglistik studiert und ab 1960 auf eigene Faust in Marokko und Südafrika Apfelsinen auspresst. Als erster Hersteller füllt Dittmeyer direkt bei den Plantagen ab, verschifft die Flaschen und gründet Deutschlands wichtigsten Saftladen. Von 1972 bis 1984 wird er mit „Valensina“ und „Punica“ sogar Exklusivlieferant der Olympischen Spiele.

„Valensina ist nun einmal mein Leben“

Als Dittmeyer 1984 einen Hörsturz erleidet, verkauft er seine Firma an den US-Konzern Procter & Gamble. Trotzdem spaziert der „Onkel“ weiter in TV-Orangenhainen herum, was eine Band 1991 zur geschmacklosen Single „Tötet Onkel Dittmeyer“ verleitet.

Der gibt sich jedoch kämpferisch, kauft als 77-Jähriger sogar seine Marke zurück: „Das war eine rein emotionale Entscheidung. Valensina ist nun einmal mein Leben“, sagt er später. 41 Millionen Mark kostet das Altersabenteuer – zu viel, wie damals einige Branchenkenner meinen und schließlich auch Recht behalten. 2001 muss Dittmeyer, der auf Qualität statt auf den Preis achtet, Insolvenz anmelden.

Trotzdem genießt der leutselige Hanseat die Früchte seines Ruhestandes, segelt und fliegt in einem Kleinflugzeug durch den Himmel über Hamburg, fast bis zuletzt.

Man kann sich gut vorstellen, dass Rolf Dittmeyer da oben inzwischen wieder etwas anpflanzt – wahrscheinlich seine geliebten Spätapfelsinen.

Timo Lokoschat

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