Entsetzen über Karikatur von Herzogin Meghan: Geht Charlie Hebdo zu weit?
Wie mächtig eine einzelne, noch nicht einmal sonderlich pointierte Karikatur sein kann, wurde uns allen am 7. Januar 2015 auf tragische Weise deutlich gemacht. Islamistische Terroristen stürmten damals die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris und erschossen an diesem Tag insgesamt zwölf Menschen. Warum? Weil dort eine Karikatur des Propheten Mohammed abgedruckt wurde.
Unter dem Begriff "Je suis Charlie" ("Ich bin Charlie") solidarisierten sich daraufhin weltweit Millionen Menschen mit den Opfern des Anschlags. Die überlebenden Mitarbeiter versprachen derweil, im Andenken ihrer toten Kollegen, sich auch zukünftig nicht von dem feigen Attentat zum Schweigen bringen zu lassen.
In der Zwischenzeit sorgte Charlie Hebdo immer wieder mit teils derben Covern für Aufsehen. Etwa das des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (67) von 2020 als Lustmolch, der einer verschleierten Frau unter den Rock gafft. Für den jüngsten Aufreger bedienten sich die Karikaturisten gleich zweier geschichtsträchtiger Momente: Der Ermordung des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai 2020 und des TV-Interviews von Herzogin Meghan (39) mit Talkmasterin Oprah Winfrey (67, "Was ich vom Leben gelernt habe"). Ein Shitstorm mit Ansage.
Geschmacklos oder satirisch? Karikatur vergleicht Meghan mit George Floyd
Aber Satire darf ja bekanntlich alles, richtig? Ja. Gute Satire darf alles. Weil das Ziel guter Satire ist, Missstände aufzuzeigen, unbequeme Wahrheiten anzusprechen, für ein Umdenken zu sorgen, den Mächtigen dieser Welt ihre aus den Augen verlorenen Grenzen aufzuzeigen - und ihnen dabei gerne auch mal genüsslich ans Bein zu pinkeln. Im besten Fall ohne den Majestätsbeleidigungsparagraf 103 des Strafgesetzbuchs zu bemühen, wie es 2016 im Fall Jan Böhmermann (40, "Gefolgt von niemandem, dem du folgst") und dessen "Schmähgedicht" gegen Erdogan der Fall war.
Aber all das macht Charlie Hebdo nicht mit diesem Cover, das Meghan in der grausamen Lage zeigt, in der George Floyd vor fast einem Jahr den Tod fand. Der geschmacklose Vergleich fordert nicht dazu heraus, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen, er marginalisiert das Thema. Und lustig ist er erst recht nicht. Herzogin Meghan gab im Interview mit Oprah an, vom Palast vermeintlich mundtot gemacht worden zu sein. George Floyd starb de facto nach quälenden acht Minuten Todeskampf, ermordet durch einen Polizisten, unser aller "Freund und Helfer."
Meghan-Karikatur: Es gibt auch Befürworter des Covers
Das Ziel dieser Karikatur, wird Charlie Hebdo im Netz auch verteidigt, sei ganz klar das britische Königshaus und nicht Meghan oder George Floyd. Und das mag auch stimmen. Immerhin zeigt das Cover eine Queen (94) mit blutroten Augen und diabolischem Grinsen, während sie Meghan mit purer Absicht die Luft zum Atmen - sprich zur freien Entfaltung - nimmt. Diese Kritik an der britischen Krone wird am Ende des Tages aber sehr wohl auf Kosten eines aus rassistischen Beweggründen ermordeten Menschen ausgetragen. Also jener Person, die gar nicht erst auf dem Cover zu sehen ist.
Das Bild ist ein haarsträubender Vergleich. Es ist das gemalte Äquivalent zu Querdenkerin Jana aus Kassel, die wegen etwas Gegenwind behauptete, sich mit der ermordeten Sophie Scholl identifizieren zu können. Unter dem Deckmantel der Satire, diesem vermeintlichen Freifahrtschein für einfach alles, soll möglichst reißerisch die Auflagenzahl gesteigert werden. Dafür wird das bestialische Schicksal eines Mordopfers instrumentalisiert.
Herzogin Meghan und erst recht Queen Elizabeth II. können sich dagegen wehren, sich darüber echauffieren. George Floyd nicht mehr. Und das macht die Karikatur nicht satirisch, es macht sie erbärmlich. Je ne suis pas Charlie. Nicht heute.