Enthusiastisch wie in der Großraumdisco

Bei der „Nacht der Medien“ feiert sich die Branche – und übt sich in Zweckoptimismus
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Ehrwürdiges Gebäude: Im Justizpalast am Stachus feiern die Gäste auf drei Stockwerken die „Nacht der Medien“. Fotos: Klaus Primke
az Ehrwürdiges Gebäude: Im Justizpalast am Stachus feiern die Gäste auf drei Stockwerken die „Nacht der Medien“. Fotos: Klaus Primke

Bei der „Nacht der Medien“ feiert sich die Branche – und übt sich in Zweckoptimismus

Die schwarz gekleideten jungen Männer und Damen, die ihre Tabletts mit kleinen Radeberger-Flaschen und Weingläsern lautlos durch die Menge balancieren, haben die Haare zur Tolle nach oben geföhnt. Es sieht so aus, als seien sie draußen in harten Wind geraten und versuchten nun hier drinnen, mit viel Gel und Spray, das Beste aus der Situation zu machen. So, wie es auch die Gäste der „Nacht der Medien“ tun.

Kurz vor halb acht versammeln sich die ersten von Ihnen vor dem Justizpalast am Stachus, über dem an diesem Abend ein Scheinwerfer den Nachthimmel hell erleuchtet. Drinnen stehen schwarze Bistrotische, füllt sich der kirchenhohe Raum, kommen die Gäste. Anzugmänner mit Krawatte und Einstecktuch, lässige Jungs mit Stiefel und offenem Hemdkragen, Damen im Business-Kostüm und mit hochhackigen Schuhen.

Draußen braut sich ein Orkan zusammen

Nach einem langen Messetag feiert sich am Abend hier die Branche selbst. Und gibt sich große Mühe, irgendwie Spaß zu haben. Trotzdem Zuversicht auszustrahlen. Denn – das lässt sich nicht wegreden – die Krise, die sich da draußen gerade zu einem gefährlichen Orkan zusammenbraut, hat das Potential, mehr als nur die Haare der Gäste durcheinanderzuwirbeln.

Das weiß jeder. Aber man will diese Einsicht nicht zu nahe an sich herankommen lassen. Jedenfalls nicht an diesem Abend, an dem das marinierte Zanderfilet wunderbar schmeckt und der Schmorbraten köstlich ist und an dem Red Bull so enthusiastisch getrunken wird wie sonst allenfalls noch in einer Großraumdisco auf dem flachen Land.

Wohl dosierter Optimismus

Außerdem gibt ja auch der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien wohl dosierten Optimismus zu Gehör. „Qualität setzt sich durch“, sagt Wolf-Dieter Ring, eine Aussage so unumstößlich wie die Tatsache, dass Horst Seehofer nicht da ist.

„Der ist beim Casting für sein neues Kabinett“, entschuldigt CSU-Mann Eberhard Sinner das Fehlen seines Ministerpräsidenten. Aber das ist nicht nötig. An diesem Abend, an dem Society-Damen wie Alexandra Polzin, Lola Paltinger und Renata Kochta ein bisschen Blitzlicht und viel Gleichmut entgegenschlägt (was daran liegen mag, dass auf Flat-screens HSV gegen Stuttgart übertragen wird), ist der Star sowieso ein anderer: Mark Williams, seit September Chef des Bezahlsenders Premiere.

Mit Hoffnung gefüllte Luftschiffe

Zurückhaltend, nahezu unscheinbar steht er neben Kulturstaatsminister Bernd Neumann, lächelt, wenn er fotografiert wird, spricht vom „Potential“, das im Pay-TV liegt. Trotz allen Gegenwindes. Da nicken die Medien-Manager, aus dessen Gemurmel die aktuellen Modeworte „Content“, „Traffic“ und „Online“ wie mit Hoffnung gefüllte Luftschiffe durch den Raum schweben.

Dann schnappen sie sich ein neues Getränk und blicken auf die Kellner, die noch immer mit ihren den Sturm trotzenden, hochtoupierten Haaren umhereilen.

Jan Chaberny

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