"Eine Rolle wie Franz Josef Strauß erfordert Opferbereitschaft"

Für die Rolle des Franz Josef Strauß in "Die Spiegel-Affäre" nahm Francis Fulton-Smith einiges auf sich: Monatelang wälzte er Archivmaterial.
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Francis Fulton-Smith in seiner Rolle als Franz Josef Strauß
BR/Wiedemann & Berg Film Francis Fulton-Smith in seiner Rolle als Franz Josef Strauß

Für die Rolle des Franz Josef Strauß in "Die Spiegel-Affäre" nahm Francis Fulton-Smith einiges auf sich: Monatelang wälzte er Archivmaterial, und auch figürlich näherte sich der Schauspieler dem legendären bayerischen Polit-Schwergewicht an. Ob er diese Vorgehensweise weiterempfehlen würde, hat Fulton-Smith im Interview verraten.

In der ARD-Produktion "Die Spiegel-Affäre" wird einer der größten Polit-Skandale der deutschen Nachkriegsgeschichte aufgerollt: Schauspieler Francis Fulton-Smith (48, "Madame Bäurin") übernimmt dabei den Part des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß (1915-1988), dessen Fehde mit "Spiegel"-Herausgeber Jakob Augstein den Hintergrund der der Affäre gab. Wie er sich geistig und körperlich in seine Rolle hineinversetzte, hat Fulton-Smith der Nachrichtenagentur spot on news erzählt.

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Als Sie jung waren, regierte Franz Josef Strauß Bayern. Wie ist Ihre Wahrnehmung von ihm?

Francis Fulton-Smith: Das stimmt, ich bin aufgewachsen in Bayern zu einer Zeit, in der Strauß Ministerpräsident war. Am Anfang habe ich ihn jedoch noch nicht so richtig wahrgenommen. Erst später habe ich mich politisch mit ihm befasst. Mein Vater und seine Frau waren Redakteure beim Bayerischen Rundfunk, deswegen bin ich sehr sozial-liberal aufgewachsen. Der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" lagen bei uns immer aus, und wir hatten eine aktive Gesprächskultur, wo viel darüber reflektiert wurde, was aktuell so passierte. Es war ja auch politisch eine sehr aufregende Zeit, denken Sie zum Beispiel an den NATO-Doppelbeschluss, Wackersdorf oder die Startbahn West.

Dann wussten Sie also schon viel über Strauß?

Fulton-Smith: In der Vorbereitung musste ich feststellen, dass ich trotz allem enorm wenig über Franz Josef Strauß wusste. Man hat ja immer ein Bild im Kopf und denkt sich: "Klar, ich weiß genau, was das für einer war." Falsch. Ich wusste gar nichts. Und das war dann der Beginn einer sehr spannenden Reise für mich: Die Auseinandersetzung mit diesem Menschen. Ich habe hunderte von Stunden Archivmaterial sondieren können, und habe wirklich monatelang mit Franz Josef Strauß "alleine im Kämmerchen" verbracht, um ihn zu studieren.

Wie groß war denn die Herausforderung, eine solche Rolle zu spielen, nachdem viele Sie bisher eher aus seichteren Rollen kannten?

Fulton-Smith: Ich habe meine Karriere mit Literaturverfilmungen begonnen und mittlerweile bestimmt über hundert Rollen gespielt. Ich denke also, dass ich schon ein gewisses Rüstzeug mitbringe, um in dem Beruf arbeiten zu können. Populäre Rollen wie in "Familie Dr. Kleist" sind einerseits sehr schön und gut für das Tagesgeschäft - ich muss ja auch meine Familie ernähren und Rechnungen bezahlen. Andererseits suche ich natürlich auch die künstlerische Herausforderung. Umso mehr freue ich mich, dass es Menschen gab, die mir hier vertraut haben und mir die Chance gegeben haben.

 

 

 

Deutschland hat erst während der Spiegel-Affäre das Demonstrieren für sich entdeckt. Sind Sie in Ihrer Jugend auch auf die Straße gegangen?

Fulton-Smith: Ich selbst war jetzt nicht der Kämpfer, der an vorderster Front in Wackersdorf oder anderswo rumspringen musste. Ich habe immer sehr gerne diskutiert und mich auch engagiert, aber ich habe mich nie an Gleisen festgekettet. Die Tatsache, dass aber demonstriert werden darf, ist eben eines der wichtigsten Grundrechte der Bundesrepublik Deutschland - wie auch die Pressefreiheit. Wenn man in die Ukraine oder in andere Gesellschaftsstrukturen schaut, wird einem erst wieder bewusst, wie fragil diese Rechte sein können.

Sie haben einiges für die Rolle zugenommen.

Fulton-Smith: Das war ein harter Weg, den ich auch nicht empfehlen würde. Aber eine Rolle wie die des Franz Josef Strauß erfordert auch eine gewisse Opferbereitschaft und Radikalität. Um hier die nötige Glaubwürdigkeit zu erzielen war es eben wichtig, nicht nur das politische Schwergewicht zu porträtieren, sondern sich diesem Schwergewicht auch physisch zu nähern.

Wie schafft man das, so viel zuzunehmen und dann wieder runterzubringen?

Fulton-Smith: Ich hatte ärztliche Beratung und auch einen Ernährungsberater, die mich unterstützt haben. Man muss sich da vor allem Zeit lassen. Ich habe das Gewicht über vier bis fünf Monate draufgelegt. Die Abnehmphase war etwas über ein Jahr. Da muss man dem Körper auch die Zeit geben. Schlank macht, was andere essen. Und ein Sport schadet auch nicht.

Wie weit dürfen die Medien ihrer Meinung nach gehen?

Fulton-Smith: Auf jeden Fall sieht man an der Pressekampagne, die der Spiegel und Augstein gefahren haben, dass es nicht in Ordnung ist, wenn man die menschliche Würde verletzt. Wenn man politisch recherchiert, muss man Missstände aufzeigen dürfen, aber unter der Gürtellinie zu argumentieren, ist schon sehr grenzwertig. Uns war aber sehr wichtig, nicht zu werten, sondern einfach zwei Antipoden einander gegenüber zu stellen, die in ihrer Form absolut machtbesessen und radikal ihre Instrumente ausgenutzt haben. Augstein hatte die Allmacht der Presse, und Strauß hatte die Allmacht der Politik hinter sich. Beide hatten eine sehr klare Utopie von der Zukunft Deutschlands, die unterschiedlicher gar nicht sein konnte, und haben mit allen Mitteln versucht, den Weg durchzusetzen, von dem sie dachten, dass es der richtige ist. Und da kommt man zu der Frage, wie weit man gehen darf, um seine Ziele umzusetzen oder einzufordern.

Strauß hört auf niemanden außer auf seine Frau. Wie wichtig ist Ihnen der Rat ihrer Frau?

Fulton-Smith: Sehr! Meine Frau ist mein engster Vertrauter, mein größter Kritiker, und natürlich auch die Frau an meiner Seite, die mir auch in vielerlei Hinsicht den Rücken freihält. Sie hat auch die Erziehung der Kinder übernommen und ihre eigene Karriere dafür hinten angestellt. Ich glaube, dass es bei Strauß ähnlich war. Das war interessanterweise auch zu einer Zeit, wo nicht nur Pressefreiheit ein Fremdwort war, sondern auch Emanzipation. Unter diesem Aspekt umso spannender zu sehen, dass Marianne Strauß für Franz Josef ein enormer Fels in der Brandung war, sein engster Berater, seine wichtigste Vertraute und die Mutter seiner Kinder. Wenn man mit Menschen spricht, die Strauß kannten, merkt man, dass der private Strauß anders war als der politische. Und dieses emotionale Gefälle fand ich spannend. Ich hatte kein Interesse daran, eine Karikatur abzuliefern.

Im Film heißt es: "Wir schreiben das Jahr 12 nach Hitler." Denken Sie, wir haben das als Land hinter uns gelassen, oder befinden wir uns immer noch in der Zeitrechnung nach Hitler?

Fulton-Smith: Ich denke, es wird immer die Zeit nach Hitler bleiben - hoffe ich jedenfalls. Inwieweit wir es hinter uns haben, weiß ich nicht, weil sich die Parameter ständig ändern und wir eben tagtäglich merken, nicht nur im gesellschaftlichen, sondern auch im globalen, wirtschaftlichen Kontext, dass wir "eine" Welt sind. Und wenn wir gemeinsam Wege finden, dass wir miteinander die Probleme global angehen, dann wird es vielleicht irgendwann auch eine neue Zeitrechnung geben. Darum ist es wichtig, dass man auf der einen Seite eben Journalisten hat, die Missstände aufzeigen, und auf der anderen Seite auch Politiker, die genug Ehrgeiz und Mut haben, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Es gibt einen Spruch, den ich gerne zitiere: Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt zur Quelle. Möglicherweise kann man aber auch ans Ufer schwimmen und zu Fuß bis zur Quelle gehen; das ist weniger anstrengend und auch zielführend.

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