Eine filmverrückte Familie: Das Vermächtnis von Michael Verhoeven (†85)

Als Sohn des Schauspielers, Regisseurs und Residenztheater-Intendanten Paul Verhoeven und der Schauspielerin Doris Kiesow schien Michael Verhoevens Karriere als Künstler schon vorgezeichnet. Doch der 1938 in Berlin Geborene entschied sich zunächst anders, studierte Medizin und arbeitete einige Jahr als Arzt, unter anderem in den USA und in München.
1965 aber gründete er mit seiner damaligen Lebensgefährtin und baldigen Ehefrau Senta Berger die Sentana Filmproduktion. Ende der 60er Jahre begann er immer häufiger als Regisseur zu arbeiten. Eines seiner ersten Projekte, sein experimenteller Anti-Vietnamkriegs-Film "O.K." sorgte bei der Berlinale 1970 für einen Eklat, weil sich der amerikanische Jurypräsident George Stevens beleidigt fühlte und schließlich die Jury auseinanderbrach, ohne dass Preise verliehen wurden.
Michael Verhoeven filmte gegen das Verdrängen und Vergessen
Sein Lebensthema aber wurde das schlimmsten Kapitel der deutschen Vergangenheit. Verhoevens filmte gegen das Verdrängen und Vergessen und sagte: "Mit Filmen ändert man nicht die Welt, aber sie sind Teil des öffentlichen Bewusstseins." Große Erfolge waren "Die Weiße Rose" mit Lena Stolze als Sophie Scholl (1981). 1985 hat der Bundestag aufgrund der Kontroverse über diesen Film die Urteile des NS-Volksgerichtshofes, ja den gesamten NS-Volksgerichtshof für nichtig erklärt. "Das schreckliche Mädchen" (wieder mit Stolze) war 1991 für den Oscar nominiert, unvergessen auch "Mutters Courage" (1995) nach den Erinnerungen des jüdischen Theatermannes George Tabori (er starb im Juli 2007 mit 93 Jahren in Berlin).
Der Film "Die Mutprobe (1982) befasste sich mit dem Thema Kriegsdienstverweigerer und die Reihe "Schlaraffenland (1990), mit der deutsch-deutschen Geschichte zwischen Herbst 1989 und Herbst 1990.
Mit "Der unbekannte Soldat" (2006) drehte Verhoeven eine erschütternde Filmdokumentation über Verbrechen der deutschen Wehrmacht in Russland, die für heftige Diskussionen gesorgt hatten.
Senta Berger und Michael Verhoeven: Als Ehepaar am Filmset
So ernst seinen Themen waren, so freundlich und warmherzig war er als Mensch und auch als Regisseur: "Ich brauche schon aus Egoismus gute Stimmung am Set, sonst kann ich nicht kreativ arbeiten", sagte er in einem AZ-Interview.
Beruflich arbeitete er immer wieder mit seiner Ehefrau zusammen. In Verhoevens TV-Serie "Die schnelle Gerdi" stand Senta Berger als Hauptdarstellerin vor der Kamera. Das sei "die wohl erste Fernsehreihe, in deren Mittelpunkt eine alleinstehende Taxifahrerin steht, die sich ihre Unabhängigkeit bewahrt und, ohne es genau zu wissen, eine Feministin ist", sagte Verhoeven.

Auch Sohn Simon Verhoeven ist ins Filmgeschäft eingestiegen
Gemeinsam mit seinem Sohn Simon produzierte Verhoeven dessen Erfolgskomödie "Willkommen bei den Hartmanns" (2016), die sich um das Thema Flüchtlinge in Deutschland drehte. Auch hier stand Senta Berger wieder mit vor der Kamera. Familie und Arbeit waren bei den Verhoevens untrennbar miteinander verbunden, ein entspannter Fernsehabend unmöglich, wie er einmal lachend der AZ erzählte: "Einen Film still genießen können wir leider nicht. Bei uns wird dann nur gefachsimpelt. Es ist wirklich furchtbar."