Ein Jahr nach der Queen: Wie zufrieden die Briten mit Nachfolger Charles III. sind

Besser als erwartet hat sich Charles als Erbe von Elisabeth II. geschlagen. Zumindest aus Sicht der Briten. Leicht war sein Debüt dennoch nicht.
von  Martina Scheffler
Als frisch Gekrönte grüßen Charles und Camilla am 6. Mai vom Balkon des Buckingham-Palastes die Menschen.
Als frisch Gekrönte grüßen Charles und Camilla am 6. Mai vom Balkon des Buckingham-Palastes die Menschen. © O. Humphreys/PA Wire/dpa

London - Und, wo waren Sie, als Sie vom Tod der Queen erfahren haben? Die AZ-Redakteurin starrte auf die Webcam vor dem Buckingham-Palast und beobachtete jedes Zucken der Fahne, bis um 19.30 Uhr an jenem Septemberabend vor genau einem Jahr kein Zweifel mehr daran bestand: Sie wehte auf halbmast.

Schon an diesem Detail lässt sich erkennen, wie die Stimmung im ganzen Land und rund um die Welt dort war, wo die Queen verehrt wurde: gefasst und doch betroffen. Es war angesichts ihres Alters, des Todes ihres Ehemannes Prinz Philip, der ein Jahr zuvor gestorben war, und der zahlreichen Nachrichten über ihren Gesundheitszustand, die in immer kürzeren Abständen über den Ticker liefen, kein Schock wie einst bei Lady Di.

Das Vereinigte Königreich wurde von tiefer Wehmut erfasst

Keine Hysterie erfasste das Vereinigte Königreich, sondern tiefe Wehmut. Kaum jemand konnte sich an eine Zeit erinnern, in der es Elisabeth II. nicht gab. 70 Jahre auf dem Thron, ein Rekord für die Ewigkeit. Mit ihr, das traf in ihrem Fall wirklich zu, ging ein Zeitalter zu Ende, und es wurde, frei nach Heinrich Mann, einmal noch besichtigt, mit allem Pomp, allem Pathos, für den das Empire einst stand. So etwas können sie, die Briten.

Und auch wenn es am Ende nicht die erwarteten vier Milliarden Zuschauer waren, die ihr Staatsbegräbnis verfolgten, die Zeremonie in Westminster Abbey, den Trauerzug quer durch London, den Hunderttausende vor Ort ansahen: "Wir haben eine gute Show geliefert" - dieser Satz der Londonerin Kas Girdler traf eindeutig zu.

Am 8. September 2022 war die Queen auf ihrem Lieblingsschloss Balmoral gestorben, zwei Tage, nachdem sie letztmals in der Öffentlichkeit erschienen war, um Liz Truss als neue Premierministerin zu begrüßen - eine Fußnote der Geschichte, wie wir heute wissen.

Das letzte Foto der Queen, aufgenommen zwei Tage vor ihrem Tod.
Das letzte Foto der Queen, aufgenommen zwei Tage vor ihrem Tod. © Jane Barlow/PA Wire/dpa

In den folgenden Tagen wurde der Sarg an verschiedenen Orten aufgebahrt, bis sich endlich vor Westminster Hall in London kilometerlange Schlangen bildeten, von Menschen, die persönlich Abschied nehmen wollten und dafür sogar die Nächte auf der Straße verbrachten, bis zu mehr als 20 Stunden anstanden.

Die Bekannten wie David Beckham und die Unbekannten waren vereint in der Trauer, und drinnen hielten an einem Abend die Kinder der Queen die Totenwache, an einem anderen die Enkel. "Danke für deine Liebe und Hingabe für unsere Familie und für all die Nationen, denen du so fleißig gedient hast in all den Jahren" - mit diesen Worten wandte sich Charles in seiner ersten Fernsehansprache einen Tag nach ihrem Tod an seine Mutter. Für das auch nicht immer leichte Verhältnis der beiden wirkte der Nachfolger sehr ergriffen.

König Charles III. (M.) am 16. September 2022 bei der Totenwache für seine Mutter Königin Elisabeth II. in Westminster Hall in London, wo der Sarg der Königin aufgebahrt ist.
König Charles III. (M.) am 16. September 2022 bei der Totenwache für seine Mutter Königin Elisabeth II. in Westminster Hall in London, wo der Sarg der Königin aufgebahrt ist. © i-Images/Pool/imago

Wie würde es werden ohne die Queen, würde es überhaupt werden ohne sie? Zwar war Charles entsprechend der langen Regierungszeit so gut vorbereitet, wie man es nach über einem halben Jahrhundert als Thronfolger nur sein kann.

Hoffnung, Charles III. könnte der erste "grüne" König  werden

Aber man kannte ihn eben auch als Ehebrecher, als Biobauern, als Verächter moderner Architektur und Kämpfer für den Sieg des einheimischen roten über das eingewanderte graue Eichhörnchen. Alles Aspekte seiner Persönlichkeit, die ihm als König nichts bringen. Und doch gab es Hoffnung, er könnte der erste "grüne" König sein.

Nach einem Jahr als Monarch muss man sagen: Von dieser Hoffnung hat sich bislang nichts erfüllt. Charles hat nun seine eigenen Briefmarken, seine eigenen Münzen, irgendwann wird er seine eigenen Briefkästen haben. Doch im Commonwealth, der losen Verbindung einst zum Empire gehörender Staaten, rumorte es sogleich.

Ob in der Karibik oder Australien: Charles als Staatsoberhaupt mochten viele nicht haben. Und als Vater ist er wohl zumindest beim jüngeren Sohn Harry auch weniger gefragt: Dessen Buch "Reserve", in dem er mit seiner königlichen Familie abrechnete, wurde zum Bestseller.

Erste Auslandsreise führt Charles III. nach Deutschland

Mehr Wärme wurde Charles ausgerechnet in Deutschland entgegengebracht, wohin ihn mit Ehefrau Camilla die allererste Auslandsreise führte. Im Bundestag bezirzte er auf Deutsch die Abgeordneten, bis auf die Linken selbstverständlich. "Gemeinsam müssen wir wachsam sein gegenüber Bedrohungen unserer Werte - und entschlossen, diesen resolut entgegenzutreten", sagte Charles im März. "Gemeinsam müssen wir unseren Menschen das Leben in Sicherheit und Wohlstand ermöglichen, das sie verdienen."

Schick im Kilt: Charles und sein Tartan.
Schick im Kilt: Charles und sein Tartan. © Andrew Parsons/imago

Bei seiner Krönung im Mai knüpfte Charles dann noch einmal an den Pomp der Ära seiner Mutter - und all ihrer Vorgänger - an, auch wenn von einer "verschlankten" Zeremonie die Rede war. Mit heiligem Öl gesalbt und der - wer hätte das vor 25 Jahren für möglich gehalten - zur Königin gekrönten Camilla an seiner Seite fuhr der alte neue König in der historischen Goldenen Kutsche zum Buckingham-Palast. Protest gab es natürlich auch, der aber diskret vom Straßenrand weg verhaftet wurde.

60 Prozent  sind zufrieden mit Charles III.

Den ersten Todestag der Queen will Charles im Kreise der Familie begehen. Im königlichen Terminkalender ist für ihn an diesem Freitag nichts verzeichnet. Und er hat offenbar in den Augen der meisten Briten in diesem ersten Jahr als König nicht so viel falsch gemacht. 60 Prozent sind laut einer aktuellen Umfrage mit ihm zufrieden, 61 Prozent unterstützen die Monarchie.

Dabei hätten ihm seine Kritiker geholfen, meinte der Historiker Gareth Russell, die die Messlatte so niedrig setzten, dass Charles in seinem ersten Jahr zwangsläufig erfolgreich sein musste. So berichtet es die "Daily Mail". Immerhin modisch schlug Charles gerade ein neues Kapitel auf, schreibt der "Telegraph": Er präsentierte sein neues persönliches Tartanmuster - also seinen Schottenrock.

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