Dritter "LOL"-Auftritt für Anke Engelke: "Man darf nicht das sein, was man eigentlich ist"

Seit über 40 Jahren ist Anke Engelke bereits in der Comedy-Szene zu Hause und begeistert nach wie vor das Publikum. Ab dem 14. April ist sie zum bereits dritten Mal in der Amazon-Show "LOL: Last One Laughing" zu sehen. Mit der AZ hat sie über die Besonderheit dieser Show gesprochen und erklärt, wie hart es ist, bloß nicht zu lachen.

So privat zeigt sich Anke Engelke bei der dritten Staffel "LOL: One Last Laughing"
AZ: Frau Engelke, Sie sind bei "LOL: Last One Laughing" inzwischen zum dritten Mal dabei. Was macht diese Produktion so besonders?
ANKE ENGELKE: Das Set-up ist so schön außergewöhnlich, das kenne ich sonst aus meinem Berufs- und Alltagsleben nicht. Klar, wir wissen alle, wie das ist, jetzt bloß nicht lachen zu dürfen: auf einer Beerdigung, in der Kirche, im Schulunterricht. Aber wenn man sich geballter Komik aussetzt, ist interessant, was passiert. Ich habe das auch beim dritten Mal als totales Vergnügen empfunden, mich selbst auch nochmal anders zu erleben. Von einer Staffel zur anderen war das eine interessante Selbstbeobachtung. Man denkt, dass man weiß, wie es läuft und dann kommt doch alles anders.
In Ihrem Beruf ist man ja ständig in einer Rolle, sei es als Entertainerin, Schauspielerin oder Comedian. Das lässt sich schwer über sechs Stunden aufrechterhalten. Wie schnell fallen bei "LOL" die Masken und wie privat zeigt man sich?
Ich glaube, wir sind dort alle in einigen Momenten recht privat. Wir machen seltsame Gesichter und zeigen Reaktionen, die wir an einem Filmset vor laufender Kamera nicht machen würden. Man erlebt interessante Nuancen: Schüchternheit, Nachdenklichkeit, Überforderung, Scham, Albernheit. Besonders toll finde ich in dieser Staffel die verschiedenen Gefühlszustände von Hazel Brugger und Michelle Hunziker. Michelle kennen wir als Sonnenschein, als eine strahlende, fröhliche Frau.

Hazel erlebt man als ernste, kontrollierte und intellektuelle Frau, die gerne beobachtet. Bei "LOL" zu erleben, wie die Fassaden bröckeln, wie Michelle plötzlich ernst sein muss und Hazel kämpft, weil sie so gerne unreflektiert über eine Albernheit lachen würde, erzählt alles über "LOL". Und das Dilemma, in dem beide jeweils stecken, bringt auf den Punkt, was das Faszinierende an dieser Show ist: Man darf nicht das sein, was man eigentlich ist.
Anke Engelke: "Wie blöd bin ich eigentlich, dass ich wieder mitmache?"
Sie wirken in der Show äußerlich sehr kontrolliert. Wie mental und körperlich anstrengend ist es eigentlich, das Gesicht derart unter Kontrolle zu haben?
Das ist auf irritierend lustige Art sehr anstrengend. Innerlich ruft man die ganze Zeit nach Hilfe, aber diese Notsituation kommt in so einem schönen Vergnügungspaket daher. Das ist eigentlich das Schwierige. Wenn man darüber nachdenkt, in was für eine Situation man sich manövriert hat, dann ist das so absurd. Man denkt sich: "Wie blöd bin ich eigentlich, dass ich wieder mitmache?" Dieser mentale Druck ist spannend. Wenn Bully den Buzzer drückt und man endlich loslassen kann, weil er zu uns in den Raum kommt, sind das schöne Momente und es kann durchgeatmet werden. Erst dann merkt man, was das für eine Anspannung ist.
Vorbereitung für "LOL": Anke Engelke konnte nur wenig davon zeigen
Steckt denn viel Vorbereitung in Ihrem Auftritt? Oder wäre das etwa kontraproduktiv?
Nach der ersten Staffel habe ich gelernt, dass man sich möglichst gut vorbereitet. Ich habe dieses Mal viele Nummern einstudiert. Man muss davon ausgehen, dass viel von dem Vorbereiteten nicht zum Einsatz kommt. Es könnte sein, dass die Stimmung einfach nicht passt oder jemand eine ähnliche Nummer macht. In bestimmten Situationen traut man sich selbst auch nicht, weil man sonst auch lachen müsste. Das ist mein Problem: Ich lache selbst so gerne über die Sachen, die ich mache. Deshalb ist Vorbereitung super wichtig. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass einige Kolleg*innen mit wenig Ideen in die Show gegangen sind. Für mich ist es aber gut, etwas in petto zu haben. Man bespricht sich ja schon Monate im Voraus mit der Produktion und klärt Details, wie etwa Kostümwünsche oder technische Requisiten. Ich hatte tatsächlich zwei sehr aufwändige Kostüme, von denen aber nur eins zum Einsatz kam. Das andere haben die Menschen ganz umsonst genäht. Ich habe also viel vorbereitet und am Ende wenig davon gezeigt.
In Staffel zwei von "LOL" haben Sie sich ja mit einem Stift selbst ins Aus geschossen. Wie sehr haben sie sich danach darüber geärgert?
(lacht) Das ist der Running-Gag bei Bastian (Bastian Pastewka, d.R.) und mir. Wir sehen uns oft, arbeiten gerne zusammen und der Stiftwurf ist immer wieder Thema. Ich werfe ihm auch privat immer mal wieder einen Stift an den Kopf. In dieser Situation der zweiten Staffel "LOL" habe ich ja auch in der Rolle gelacht. Ich habe mit Basti, Tahnee und Max (Giermann, d.R.) eine Interview-Situation gespielt. Dabei fühlte ich mich bald etwas zu wohl in meiner Rolle als Fragestellerin, dass ich beim Moderieren gelächelt habe und dann, "MÖÖÖÖHHP", ertönte auch schon der Buzzer. Die Regeln sind ja recht streng. Ich kann zukünftigen Teilnehmer*innen nur empfehlen, keine Rolle zu spielen, die freundlich angelegt sind. Die Höflichkeit muss ausgeschaltet werden. Basti und ich sind ja auch nicht spontan als Wolfgang und Anneliese aufgetreten, denn das sind freundliche und stets lächelnde Figuren.

Könnte Anke Engelke den Job von Michael "Bully" Herbig übernehmen?
Wenn Sie nicht mehr bei "LOL" als Kandidatin dabei sein wollen, würden Sie gerne die Seiten wechseln und den Job von Michael "Bully" Herbig übernehmen?
Das stelle ich mir sehr schwierig vor, einen Menschen, den man mag, aus der Show zu kegeln. Bully sagt ja auch selbst, dass es für ihn jedes Mal ganz schlimm ist, die Kolleg*innen rauszubuzzern, die man doch so schätzt, mit denen man vielleicht sogar befreundet ist. Er kam dann mit so einem süßen Hundeblick und ich merkte, wie schwer es ihm fiel. Ich könnte mir vorstellen, dass das richtig unangenehm ist.

Was bring Sie eigentlich privat zum Lachen?
Eigentlich bin ich ein totaler Lachsack und bin sehr leicht zum Lachen zu bringen. Ich lache viel über Situationskomik, gutes Timing, meine eigenen Missgeschicke und Wortwitze. Ich bin zum Beispiel sehr empfänglich für das, was Thorsten Sträter macht. Wenn da kluge Formulierungen sind, dann grinse ich automatisch.
Anke Engelke musste "LOL"-Kandidaten wie Mirco Nontschew aus dem Weg gehen
Und wie kann man sie aus der Fassung bringen? Ich denke da an die Szene von Christoph Maria Herbst, der bereits in den ersten Folgen Michelle Hunziker fast in den Wahnsinn treibt…
Mich kann man immer aus der Fassung bringen, das geht total leicht (lacht). In der dritten Staffel waren Leute dabei, da wusste ich von Anfang an, dass ich ihnen aus dem Weg gehen muss, wie zum Beispiel Mirco Nontschew mit seiner Körperlichkeit und Carolin Kebekus mit ihren hundert Lach-Unterdrückungs-Gesichtern und Geräuschen. Mit sowas kann man mich gut aus der Fassung bringen, das ist ganz schlimm. Auch wenn andere Leute kurz davor sind loszulachen und kämpfen, da kann ich nicht hingucken.
Welchen Gag können Sie nicht mehr hören? "Danke, Anke" liegt da bestimmt hoch im Kurs…
In den 90ern, zu "Wochenshow"-Zeiten, da war das etwas penetrant. Vorher hatte ich mich nie wirklich damit auseinandergesetzt, da niemand "Danke, Anke" so ausgestellt zu mir gesagt hat. Erst durch Ingolf Lücks wöchentlich wiederkehrenden Spruch am Ende meines Nachrichtenblocks wurde das so kultiviert. Ich hatte dann das Bedürfnis, mich bei allen Ankes zu entschuldigen. Die haben das danach bestimmt ständig zu hören bekommen. Aber ganz ehrlich, wenn Sie mich jetzt fragen, was ich nicht mehr hören kann: Da fällt mir nix ein! Wer bin ich denn, anderen vorzuschreiben, was sie nicht mehr sagen sollen? So bin ich nicht. Es hat ja seinen Grund, wenn Menschen irgendwelche Gags machen. Das muss man annehmen und auch wieder vorbeiziehen lassen (lacht).
"Ich bin nicht der Typ, der sich konkrete Ziele setzt"
Bei all dem Spaß bringt die neue Staffel "LOL" auch etwas Traurigkeit mit, denn es ist einer der letzten Auftritte des verstorbenen Mirco Nontschew. Wie nah liegen für Sie Freude und Trauer zusammen?
Bei der Premiere in Berlin: Total nah. Und den Zustand kennen wir ja alle: Wie oft ist man traurig und muss vielleicht weinen, dann kommt jemand, sagt etwas Aufmunterndes oder Beklopptes und man lacht mit Tränen in den Augen? Gibt’s aber auch andersherum: dass man vorgibt, gerade gut drauf zu sein und dann bricht die wirkliche Emotion aus einem heraus. Bisschen wie als Kind, wenn man versucht, Heimweh zu überspielen.
Im Laufe ihrer Karriere haben Sie sehr viel erreicht: Interview mit ABBA, eine der ersten Frauen mit einer Late-Night, Moderation des ESC, eigene Shows, ernste Rollen im TV und Kino. Gibt es noch etwas, dass Sie unbedingt ausprobieren wollen?
Wer weiß, vielleicht habe ich so herrlich viele Möglichkeiten, weil ich nie sage, was ich noch alles machen will. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen, weil ich immer mehr denke, dass alles seine Zeit hat. Ich bin nicht der Typ, der sich konkrete Ziele setzt. Ich habe ja nicht mal eine ordentlich ausbildungsbasierte Karriere, die bekomme ich immer nur über Sie und Ihre Kolleg*innen gespiegelt. Rückblickend denke ich nie darüber nach, was der Plan hinter einem Erfolg war, sondern eher, warum ich so viel Glück hatte.
Mit Ihnen, Carolin Kebekus, Hazel Brugger, Palina Rojinski und Michelle Hunziker ist der Frauenanteil in der dritten Staffel "LOL" ja sehr ausgewogen. Allerdings beklagen Kolleginnen wie Carolin Kebekus, dass es für Frauen in der Branche nach wie vor sehr schwer sei. Sie sind ja bereits seit über 40 Jahren im Business. Wie habe Sie die Entwicklung erlebt und was muss für Frauen in der Comedy-Szene noch passieren?
Klar, die Entwicklung habe ich damals bei der Arbeit natürlich täglich erlebt, aber es war kein gesellschaftlich diskutiertes Thema, null. Meine ersten 20 Berufsjahre basierten hauptsächlich auf männlichem Support. Die Frage bleibt: Warum kriegen Frauen nicht die gleichen Chancen wie Männer? Wieso sind Frauen manchmal wenig solidarisch? Gott sei Dank beginnen wir alle, Veränderungen anzuschieben. Es ist wichtig, über Schieflagen wie zum Beispiel bei Chancengleichheit zu sprechen. Den Menschen, die Türen zuschließen, sollte das unangenehm werden. Irgendwann muss es selbstverständlich sein, dass wir Türen aufmachen und nicht ans Retten der eigenen Haut durch stoisches Weitermachen denken. Viele denken, wenn wir aufmachen, wird uns etwas weggenommen. Nein, wenn wir aufmachen, bekommen wir etwas.