Drama um Tim Lobinger: "Der Krebs ist zurück"
München - Er war das Sinnbild für Kraft, Stärke, Virilität für eine gesamte Generation. Die deutsche Stabhochsprung-Legende Tim Lobinger, der mit seinem 1,93-MeterMuskelkörper die Inkarnation des modernen Adonis war.
Doch jetzt liegen die Augen tief, er ist abgemagert, er ist gekennzeichnet vom Kampf gegen diesen heimtückischen, unsichtbaren, furchterregenden Gegner: dem Krebs.
Nach erster Krebsdiagnose: Ärzte gaben Tim Lobinger noch drei bis fünf Jahre
Ein Kampf, den er seit dem 3. März 2017 führt. Damals überbrachten ihm die Ärzte die niederschmetternde Diagnose, dass er an einer besonders schweren und aggressiven Form der Leukämie erkrankt ist. Eine Nachricht, die gefühlt einem Todesurteil gleich kam. "Ihnen bleiben drei bis fünf Jahre – im Optimalfall, sofern die Wissenschaft nicht noch neue Therapien entwickelt", sagten die Mediziner da Lobinger. Eine Stammzellentherapie rettete dem Münchner damals das Leben.
Jetzt kämpft der 49-Jährige wieder mit all seiner Kraft und Stärke gegen die Krankheit. Denn: Der Krebs ist zurück. "2020 musste ich mich wieder einer Therapie unterziehen und erhielt zusätzlich Bestrahlungen. Aber das war noch relativ harmlos, wenn man das so sagen darf", sagte Lobinger nun in "Bunte": "Im Januar 2021 gab es einen Schub. Es sind jetzt fünf, sechs, sieben Stellen, die mich nicht so ganz in Ruhe lassen."
Nach Krebstherapie: Lobinger baute rasant ab
Lobinger entschied sich für eine weitere, eine andere Therapie. "Wir haben trotzdem noch mal punktuell bestrahlt, was dazu führte, dass Teile meines Rumpfes heute taub sind. Die Ärzte sagten mir, dass ich doch noch Glück hätte, immerhin könnte ich meinen Rollstuhl mit meinen Händen noch selbst bewegen! Tage später bin ich vor Schmerzen und Kontrollverlust in den Beinen zu Hause nicht mehr die Treppe hochgekommen. Das war unglaublich, in welchem Tempo ich abgebaut habe", sagte Lobinger, der Hallen-Weltmeister von 2003 und Hallen-Europameister von 1998, der neben Björn Otto der einzige Deutsche ist, der jemals die 6,00 Meter überquert hat, in der Zeitschrift weiter.
Tim Lobingers Mantra: "Ich freue mich auf diesen Sommer"
Das war im Oktober. Er wurde von der Uni-Klinik Rechts der Isar nach Würzburg ins Universitäts-Klinikum verlegt. Dort wird eine personifizierte Krebstherapie angeboten. Die körpereigenen Zellen werden entnommen, dann in ein Labor in den USA verschickt, dort genetisch verändert und wieder in den Körper injiziert.

Durch diese CAR-T-Therapie erkennen sie dann die kranken Zellen, docken an diese an und vernichten sie. Er sollte sich einen Satz aussuchen, den er als eine Art persönliches Mantra zwei Mal am Tag niederschreiben sollte. "Ich freue mich auf diesen Sommer", war Lobingers Satz, wie er "Bunte" sagte.
Tim Lobinger: Als die Therapie nicht anschlug, schien jede Hoffnung verloren
Doch bei zehn Prozent der Behandelten schlägt die Therapie nicht an. Lobinger gehörte zu diesen zehn Prozent. Keine Reaktion, keine erhöhte Temperatur, kein Fieber, das anzeigen würde, dass die Zellen den Kampf gegen den Krebs aufgenommen haben – kein gar nichts. In seinem Blut wurden nicht einmal ein Prozent dieser Zellen gefunden. Der medizinische Super-GAU, Lobingers ganz persönlicher Super-GAU. "Mein kleiner Sohn wird dieses Jahr eingeschult, meine Tochter heiratet im Sommer. Wenn du das vor Augen hast und weißt, du erlebst es wahrscheinlich nicht mehr, das ist fürchterlich", sagte Lobinger.
Nach 14 Tagen wurde Lobinger aus der Klinik entlassen. "Es tut uns sehr, sehr leid", sagten ihm die Ärzte. Und weiter: "Verabschieden Sie sich von allen." Lobinger fuhr heim – doch alle Hoffnung, aller Mut waren in Würzburg geblieben. "Da habe ich richtig registriert: Das war es jetzt", sagte Lobinger über die mit schwärzesten Tage seines Lebens. Tränen, Trauer, Verzweiflung, düstere Momente, düstere Gedanken.
Doch plötzlich spürte er, dass sein Körper, der so lange sein Kapital war, der dann zu seinem schwersten und härtesten Gegner – ja, zu seinem Feind – geworden war, zu kämpfen begann. Für ihn, für das Leben und gegen den Krebs. "Man konnte zusehen, wie die Tumore zurückgingen. Die hatte man zu dem Zeitpunkt ja sogar durch die Hose sehen können. Innerhalb von zwei, drei Tagen waren plötzlich Teile der Tumore einfach weg. Das ist ein Wunder!", sagte Lobinger.
Lobinger: "Man traut sich gar nicht, auf einmal wieder positiv zu sein"
So sahen es auch die Ärzte. "Das ist jetzt das wünschenswerteste Ergebnis", erklärten sie. Plötzlich wieder Hoffnung, große Hoffnung. "Diese emotionale Achterbahnfahrt konnte ich nur schwer verarbeiten. Das war unmenschlich. Man traut sich gar nicht, auf einmal wieder positiv zu sein", erklärte Lobinger. Selbstmitleid, das ist nicht in der DNA von Lobinger verankert. Er kämpft – immer. Die kleinste Chance ist besser als gar keine zu haben.
Ich bin ein Kämpfer. Für mich, meine Familie und meine Freunde.
"Dank der Wissenschaft sitze ich heute überhaupt noch hier. Wenn ich mich jetzt noch einmal zwei, drei Jahre schleppe, gibt es da mit Sicherheit wieder eine andere Therapiemöglichkeit, die mir helfen kann – und wenn meine Chance nur ein Prozent ist, ergreife ich sie. Ich bin ein Kämpfer. Für mich, meine Familie und meine Freunde", sagte Lobinger.
Tim Lobinger wird weiter für sein Leben kämpfen
Schon im großen Weihnachts-Interview 2018 hatte Lobinger der AZ gesagt: "Ich sehe das Schritt für Schritt, ich nehme das alles in Etappen. Ich musste schließlich auch erkennen, dass der Jahrgang auf unserer Isolierstation kein guter war. Von den acht oder neun, die mit mir dort waren, bin ich der Einzige, der noch da ist. Für mich war früher der Tod hinter dem Ende vom Ende. Ganz, ganz weit weg. Ich dachte nie, dass der Tod auch kommen kann, bevor man 70 ist. Das war schlicht unvorstellbar. Durch meine Krankheit habe ich natürlich gelernt, dass es keine Garantie dafür gibt, 70 zu werden. Sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, auch wenn man noch jung und gesund ist, das hilft dann auch, das Leben wieder bewusster zu leben und wieder mehr zu genießen."
Jeder Augenblick, jeder Moment, den das Leben bietet, ist wertvoll. Dafür kämpft Lobinger, um das Leben, sein Leben. Für sich. Für seine Freunde, seine Familie.
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