"Drag Race Germany"-Queen Barbie Q über Dating in München: "Schwule Männer können oberflächlich sein"

Die Münchner Dragqueen Barbie Q gehört zum Cast der ersten Staffel "Drag Race Germany". Wie hat sie mit Drag gestartet? Woher stammt sie gebürtig? Was macht ihre Kunst einzigartig und wie sieht sie eigentlich als Mann aus? Die AZ hat mit Barbie Q gesprochen.
Sven Geißelhardt
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Barbie Q wird bei "Drag Race Germany" ihre Dragqueen-Schwestern aus München vertreten.
Barbie Q wird bei "Drag Race Germany" ihre Dragqueen-Schwestern aus München vertreten. © Paramount+

Seit den 90er Jahren zählt RuPaul zu den bekanntesten Dragqueens der Welt. Mit seiner Reality-Show "RuPaul's Drag Race" hat der Künstler gezeigt, dass Dragqueens keine bunte Randerscheinung der LGBTQI*-Community, sondern vielmehr Vorreiterinnen der queeren Szene und Teil der Popkultur sind.

"Drag Race Germany": Mit Barbie Q ist auch eine Queen aus München dabei

Durch das Format haben es Kandidatinnen wie Bianca Del Rio, Trixie Mattel und Courtney Act zu Weltruhm geschafft und es war nur eine Frage der Zeit, bis es auch einen deutschen Ableger geben wird. Am 5. September startet "Drag Race Germany" auf dem Streaming-Anbieter Paramount+ und bietet 11 Queens die Möglichkeit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Mit Barbie Q ist auch eine Münchner Dragqueen dabei. Die AZ hat mit ihr über die Show, die Münchner Community und das Coming-out vor ihrer bolivianischen Familie gesprochen.

AZ: Herzlichen Glückwunsch zur Teilnahme an der ersten Staffel "Drag Race Germany". Wie fühlt es sich an, zu den ersten Kandidatinnen dieses Formats zu gehören?
BARBIE Q: Ich denke, das ist wirklich etwas Besonderes, immerhin ist die erste Staffel die, die am meisten geschaut und kommentiert wird – es gibt keine Vorgänger. Ich freue mich riesig, dass ich dabei sein darf. Im deutschen TV gibt es nichts Vergleichbares. Es gab zwar vor ein paar Jahren "Queen of Drags" mit Heidi Klum, aber dieses Format ist grundverschieden zu "Drag Race".

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Herkunft von Barbie Q: "Stamme aus einem Land, in dem toxische Männlichkeit gelebt wird"

Was macht für Sie die Drag-Kunst so besonders?
Ich verbinde Drag stark mit meiner Selbstentwicklung als Person, da ich aus einem Land stamme, in dem toxische Männlichkeit noch immer gelebt wird. Man muss sich in Bolivien als Macho präsentieren, was mich mein ganzes Leben begleitet hat. Erst in Deutschland konnte ich mich selbst entfalten und zeigen, wer ich bin. Deshalb ist Drag so wichtig für mich, es ist der letzte Punkt meiner Selbstentwicklung: Ich kann meine feminine Seite zeigen und es ist kein Problem.

Sie leben in München, stammen aber gebürtig aus Bolivien. Wie ist die Situation für queere Menschen in Ihrem Heimatland?
Es hat sich verbessert, seitdem ich meine Heimat vor sechs Jahren verlassen habe. Es ist aber noch immer so, wenn man als queer, schwul oder einfach nur anders wahrgenommen wird, ist man weniger wert. Schwulsein ist ein großer Teil des Narrativs einer Person. Dabei ist es egal, ob man gute Noten in der Schule hatte, Erfolge im Beruf feiert oder einfach nur ein guter Mensch ist – schwule Männer sind weniger wert.

Barbie Q hatte ersten Dragqueen-Auftritt in München: "Habe mich am Anfang nicht getraut"

Wie haben Sie ihren ersten Auftritt als Queen erlebt? Haben Sie sich in Bolivien auf die Bühne getraut oder erst in Deutschland?
Das war erst in Deutschland. Ich lebe seit 2017 in München und habe meine Drag-Karriere während der Corona-Pandemie gestartet. Meinen ersten Auftritt hatte ich im August 2021 im Rahmen eines Wettbewerbs von "The Werkroom", den ich auch gewonnen habe. Seitdem bin ich bei "The Werkroom" die sogenannte "Resident Queen", ich trete also immer auf, wenn es eine Veranstaltung gibt. Es war so schön, obwohl ich mich am Anfang nicht getraut habe. Ich dachte, die Queens werden mich nicht annehmen, immerhin sind es große Persönlichkeiten – ich wurde aber mit offenen Armen willkommen geheißen.

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Wodurch wollen Sie sich von den anderen Dragqueens bei "Drag Race Germany" abheben, um eine besondere Note in die Show zu bringen?
Das, was Barbie Q so einzigartig macht, ist die Leidenschaft. Das kann man in meinen Auftritten sehen, wenn ich etwa den Runway entlang schreite. Ich zeige auch viel von meiner bolivianischen Kultur. Dass ich das in einem deutschen Format präsentieren darf, ist sehr wichtig für mich.

Wie haben Sie die Stimmung am Set von "Drag Race Germany" erlebt? Gab es viel Zickereien oder haben sich auch echte Freundschaften entwickelt?
Ich bin wirklich zufrieden, wie ich mich mit den anderen Queens verstanden habe. Es sind tolle Freundschaften entstanden mit Menschen, mit denen ich noch heute in Kontakt stehe. Kaum jemand kann die Erfahrung von "Drag Race" nachempfinden, daher ist es wichtig, das mit den anderen Queens aus der Show zu teilen – niemand kann uns das wegnehmen, es wird uns für immer verbinden.

Das sind die Queens, die bei "Drag Race Germany" teilnehmen.
Das sind die Queens, die bei "Drag Race Germany" teilnehmen. © Paramount+

Ist München ein queer-freundliche Stadt? "In den letzten Jahren hat sich viel verändert"

Wer sind eigentlich Ihre Dragqueen-Vorbilder?
Ich ziehe meine Inspiration aus der ganzen Welt: Ich mag Trixie Mattel, sie hat einen tollen Humor. Miss Envy Peru aus Holland finde ich großartig. Auch in München habe ich ein großes Vorbild: Janisha Jones. Sie war mir eine große Hilfe und hat mich unterstützt, in der Münchner Szene Fuß zu fassen. Sie inspiriert mich immer, wenn ich einen neuen Look sehe und ich schätze ihr Selbstbewusstsein – sie hat mir gezeigt, dass ich keine Angst haben muss.

Wie wichtig sind prominente Verbündete für die LBTQI*-Community, die sich selbst nicht als queer identifizieren, aber als sogenannte "Allies" zur Seite stehen?
Da gibt es für mich einen großen Unterschied: Es gibt "Allies", die nur zu bestimmten Events, wie etwa die "Pride", unterstützen. Das ist für mich "Pink-Washing". Wer nur einmal im Jahr als Verbündeter auftritt, ist für mich kein "Ally". Echte Unterstützer sind Personen, die ohne Angst über queere Themen sprechen, ohne dass es einen speziellen Anlass wie den CSD gibt – und die sind für die Community sehr wichtig. Prominente "Allies" sind Meinungsführer und können durch ihr öffentliches Auftreten viele Menschen für LGBTQI*-Themen sensibilisieren.

Sehen Sie München als besonders queer-freundliche Stadt oder eher nicht?
München ist eine Stadt und Städte sind diesen Themen gegenüber immer offener. Die Vielfalt an Menschen, die in München zusammenkommt, ermöglicht einen Austausch von Meinungen und gleichzeitig eine Toleranz allen Menschen gegenüber. Aber wir leben in Bayern und entsprechend gibt es auch in München noch immer große Probleme bezüglich der LGBTQI*-Community. In den letzten Jahren hat sich aber viel verändert, auch, was die Drag-Szene angeht. Queens werden inzwischen nicht nur für Gay-Partys gebucht, auch andere Clubs laden uns für Auftritte ein. Es wird mehr und mehr akzeptiert – dennoch gibt es in Deutschland ein großes Problem mit rückwärtsgewandten Leuten, wie etwa Mitgliedern der AfD!

Barbie Q fährt als Dragqueen keine U-Bahn in München: "Ich würde mich nicht wohlfühlen"

Kann man sich auch nachts sicher im Drag-Outfit durch die Straßen Münchens bewegen?
Ich persönlich hatte noch nie eine schlechte Begegnung, weiß aber auch, dass ich dahingehend bisher Glück hatte. Wenn ich einen Auftritt habe, ziehe ich mich meistens zu Hause um, fahre aber mit dem Taxi zum Club. Ich würde mich nicht wohlfühlen, als Dragqueen mit der U-Bahn zu fahren. Wenn man alleine unterwegs ist, gibt es oft diese eine Gruppe von Jungs, die einen anpöbeln – dann kann es schnell gewalttätig werden. Ich habe Kolleg*innen, die das leider schon erleben mussten.

Münchens queere Szene ist vor wenigen Monaten aufgrund der Proteste gegen eine Dragqueen-Lesung für Kinder deutschlandweit in die Schlagzeilen geraten. Hat Sie das persönlich getroffen?
Ich habe es ehrlich gesagt nicht verstanden, dass es dazu eine derart öffentliche Debatte gab. Warum ist es auf einmal ein Problem, immerhin findet die Lesung seit Jahren statt. Es ist ein Thema, das Politiker kurz vor Wahlen zum Stimmenfang nutzen, wie man in den USA schon länger beobachten kann. Die AfD imitiert die USA, wie man am Beispiel der Demonstration gegen die Dragqueen-Lesung für Kinder sehen konnte. Ich finde das so dumm.

Was meinen Sie genau damit?
Den Vorwurf der Sexualisierung kann ich nicht nachvollziehen. Ja, es gibt Queens, die sich in ihren Burlesque-Shows sehr sexuell zeigen – diese finden aber nicht vor Kindern statt. Auch der Vorwurf, man wolle die Kinder durch derartige Lesungen in ihrer Sexualität beeinflussen, ist absoluter Quatsch. Ich komme aus einer Kultur, in der es zu meiner Kindheit keine schwulen Vorbilder in der Öffentlichkeit gab. Mit hätte das damals aber sehr geholfen zu verstehen, dass es mehr gibt als die heteronormative Vorstellung von Mann und Frau.

Ein Vorurteil gegenüber Dragqueens ist, dass es sich dabei um Männer handelt, die eigentlich lieber eine Frau wären – in diesem Falle also transsexuell. Was entgegnen Sie dieser Klischee-Vorstellung?
Ich denke, das basiert auf einem sehr veralteten Mythos, das noch aus den Zeiten der Travestie stammt. Drag-Kunst hat für mich nur wenig damit zu tun, eine Frau zu sein, man kann genauso gut ein androgynes Wesen darstellen. In der Weiblichkeit gibt es viele Möglichkeiten, sich auch modisch auszudrücken. Ich identifiziere mich als Mann und wollte auch nie eine Frau sein. Für mich ist Drag eine Art der künstlerischen Entfaltung.

Ohne Dragqueen-Aufmachung: So sieht Barbie Q als Mann aus

Auf Instagram zeigen Sie sich auch ohne Ihre Dragqueen-Aufmachung. Wie reagieren die Fans darauf?
Ich denke, die Fans und Follower mögen die Verwandlung, weil ich sehe "out of Drag" komplett anders aus. Ich mag die Transformation bei der Drag-Kunst, wenn ich mich von einem Mann in eine Queen verwandle.

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Wie haben Sie das Dating-Leben in München erlebt? Kommunizieren Sie direkt offen, dass Sie als Dragqueen auftreten?
Ich hatte damit nie ein Problem, denn ich mache daraus kein Problem. Wenn man mich offen fragt, was ich mache, erkläre ich genauso offen: Ich bin eine Dragqueen und verdiene damit meinen Unterhalt. Wenn man selbst an sich zweifelt, dann zweifelt auch die andere Person. Es gibt aber einen Unterschied zwischen der Gay-Szene und der queeren Szene. Während schwule Männer oft sehr oberflächlich sein können, ist die queere Szene sehr viel offener.

Sie sagen, dass sie mit ihren Auftritten als Dragqueen ihren Lebensunterhalt finanzieren. Können Sie inzwischen davon leben oder haben sie noch einen weiteren Job?
Ich habe einen "normalen" Job, aber mein Hauptjob ist Drag. Ich könnte davon leben, würde ich nicht so viel Geld für Kleider und Accessoires ausgeben (lacht). Ich habe noch viele Schulden, die ich abbezahlen muss und deshalb auch mehrere Jobs.

Münchner Dragqueen Barbie Q: "Drag Race Germany" schafft Sensibilisierung

Wie haben Sie Ihr persönliches Coming-out erlebt? Wie hat Ihre Familie darauf reagiert?
In Bolivien habe ich mich zuerst als bisexuell geoutet. Das war in meiner Situation einfacher, denn ich hätte in diesem Szenario mit einer Frau zusammen sein können. Nach einer gewissen Zeit war aber für mich klar, dass ich schwul bin. Die Bisexualität war für mich ein Bewältigungsmechanismus, um Kritik zu entkommen – vor allem durch meine Mutter und meine Familie. Ich weiß, dass meine Mutter sehr gerne Enkelkinder hätte und ich hatte Angst, dass sie durch meine Homosexualität dazu keine Möglichkeit hat. Diese Sorge erwies sich als komplett unbegründet, denn meine Mama würde mich immer lieben. Jetzt kann ich mit Stolz sagen, dass mich meine Familie ohne Kompromisse unterstützt. Meine Mutter ist mein größter Fan. Immer, wenn ich einen Auftritt habe, muss ich ihr anschließend ein Video davon schicken, sonst bekomme ich Probleme (lacht).

Als Dragqueen ist man gleichzeitig Entertainer*in, Künstler*in und Botschafter*in für die LGBTQI*-Community. Was sind Ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft?
Ich hoffe, dass wir künftig auch als normal angesehen werden und es im Alltag mehr Drag-Kunst und mehr Jobs für Queens gibt. Eine Sensibilisierung in diesem Bereich ist sehr wichtig und genau das schafft ein Format wie "Drag Race Germany". Wir sind auf einem guten Weg.


"Drag Race Germany" wird ab dem 5. September auf dem Streaming-Dienst Paramount+ ausgestrahlt. Jeden Dienstag gibt es eine neue Folge zu sehen.

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14 Kommentare
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  • OutOfCoffee am 05.09.2023 11:28 Uhr / Bewertung:

    Was hat das mit Kunst zu tun?

  • dakaiser am 05.09.2023 07:34 Uhr / Bewertung:

    Ich weiss nicht, wovon der spricht, wenn er meint, dass in München die Gay-Szene oder von mir aus auch "queere" Szene es nicht leicht hat. Der Kerl ist ja sympathisch und wenn man sich die Verwandlung anschaut, vom Mann zur Drag-Queen ist das schon beeindruckend und lustig. Kunst? Na ja...Jedenfalls kann ich als Münchner behaupten, dass ich noch nie erlebt habe, dass hier Schwule gewaltätig angegangen werden oder generell Probleme haben. Grad in den 70er und 80er wurde in München die totale Freiheit gelebt und alles andere ist ideologischer Schmarrn und alles wird zum Problem gemacht und schlecht geredet. Auch heuer wird es wieder rundgehen in der Bräurosl und in der Fischer Vroni. So schauts aus, Kameraden!

  • Der Pipopax am 04.09.2023 16:35 Uhr / Bewertung:

    Haben sich die anderen münchner Weltstars schon dazu geäußert? Strunzinelda Elfenberg? Silmonja Becki-Mallack? Alkona Kerst?

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