Die Wiedergeburt vom Münchner Traditionshaus Roeckl

München - "Das Gewerbe lebt von der Eitelkeit der Damen und der Vergesslichkeit der Männer", sagt einst Heinrich Franz Roeckl.
Mit Handschuhmacher Jakob Roeckl geht 1839 alles los. Seine Vision vom Glacéhandschuh ist der Anfang einer jahrhundertelangen Erfolgsgeschichte. Das Münchner Traditionshaus Roeckl, nach dem auch der Roecklplatz benannt worden ist, wird mit feinen Handschuhen die Nummer 1. 2007 war das Familienunternehmen (20 Millionen Euro Umsatz, 230 Mitarbeiter) Marktführer für hochwertige Lederhandschuhe in Deutschland und Österreich.
Am 24. März 2017 meldete Roeckl Insolvenz an. Und jetzt? Annette Roeckl (50), die das Imperium in sechster Generation führt, hat um die Zukunft gekämpft. Finanziell und voller Energie. Gerade feierte sie Wiedereröffnung des Roeckl-Ecks in der Theatinerstraße (es gehörte zuvor einem anderen Familienzweig). Im AZ-Gespräch schaut sie noch mal zurück – und nach vorn.
Interview mit Annette Roeckl
AZ: Liebe Frau Roeckl, wie heftig war das Jahr wirklich für Sie?
ANNETTE ROECKL: Sehr heftig und sehr anstrengend. Im Chinesischen gibt es ein Wort für Krise und Chance. Ich habe immer gesagt: Eine Krise kommt. Da kann man Gift drauf nehmen, in jeder Generation kommen mal Krisen, das ist nicht die Frage. Sondern: Wie gehe ich mit der Krise um?
Wie lautet Ihre Antwort?
Eine Krise zerschüttelt alles Bewährte, macht Chaos, was bedrohlich ist und Angst macht – aber sie hat auch Potenzial und ermöglicht Neues. Bei uns hat die Krise ganz viel Vitalkraft mobilisiert, ganz viel fundamentales In-Frage-Stellen, was man zuvor vielleicht aus Tradition oder Pietät nicht geändert hätte. Was aber zukunftsnotwendig ist.
Zum Beispiel?
Durch die letzten drei extrem milden Winter hatten wir über 30 Prozent weniger Umsatz. Wir mussten acht langjährige Filialen schließen – mit langjährigen Mitarbeitern, das tut natürlich weh. Wir haben harte Schnitte gewagt – von der Kollektion bis zur Sortimentspolitik und mussten uns auf den rentablen Kern konzentrieren.
Der Weg aus der Insolvenz hat aber auch besonders mit dem Familienzusammenhalt zu tun, oder?
Ja. Die ganze Zukunft- und Sanierungsstrategie wurde aus dem Unternehmen heraus entwickelt. Mit dem Rückhalt und dem Engagement der Familie konnten wir neues Kapital bekommen, sodass wir die Insolvenz beseitigen konnten.
Ohne einen fremden Investor?
Ganz genau. Nur aus der Kraft der Familie.
Erleben wir gerade eine Wiedergeburt von Roeckl?
Auf jeden Fall, es ist wie Phönix aus der Asche. Jetzt ist wieder Bewegung drinnen, neue Impulse sind da.
Haben Sie je überlegt, den Handschuh zu werfen?
Wir waren wirklich in der allertiefsten Krise, wo es um Sein oder Nichtsein ging. Da war für mich ganz klar, alles zu tun, um die Firma wieder aufzurichten. Ich hätte nie gehen können, wenn es dem Laden schlecht geht. So bin ich nicht.
Wie groß ist die Familie Roeckl eigentlich?
Sehr groß. Früher hatten wir Familientage, an denen wir uns alle getroffen haben. Das ist heute nicht mehr möglich, die Familie ist zu stark verzweigt. Ich kann es Ihnen gar nicht genau sagen, wie viele wir sind. Es ist eine schöne Großfamilie.
Stimmt es, dass Sie erst mit 20 Jahren Handschuhe tragen wollten?
Wie jeder Jugendliche hatte ich früher auch Berührungsängste, wollte Distanz haben zwischen der Tradition, dieser schweren Firma und mir. Was braucht man da Handschuhe?, dachte ich. Heute weiß ich: Die braucht man erst, wenn man sie lieben gelernt hat.