Die trunkene Tour der Bischöfin
HANNOVER - Margot Käßmann fährt nachts bei Rot über eine Ampel – mit 1,54 Promille Alkohol im Blut. Ihr Führerschein ist futsch. Sind es auch bald ihre Ämter in der evangelischen Kirche?
Nein, man kann nicht behaupten, dass diese Bischöfin die Schlagzeilen meidet wie der Teufel das Weihwasser: Öffentlich gemachte Brustkrebserkrankung, Scheidung, erste Frau an der Spitze der 25 Millionen deutschen Protestanten, spektakuläre Kritik am deutschen Afghanistan-Einsatz – und jetzt das: Margot Käßmann (51) ist mit 1,54 Promille am Steuer ihres Dienstwagens erwischt worden.
Es geschah am Samstagabend: Gegen 23 Uhr ist die Bischöfin mit ihrem Dienstwagen in Hannover auf dem Rückweg von einem privaten Termin unterwegs. „Grundsätzlich hätte sie dafür auch ihren Fahrer anfordern können“, sagt später der Sprecher der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover, Johannes Neukirch, doch der habe „auch irgendwann mal Feierabend“. Als sie eine rote Ampel überfährt, wird sie von einer Polizeistreife gestoppt. Als sie die Scheibe herunterkurbelt, fällt den Beamten Alkoholgeruch auf. Sie muss in den Alkomat pusten. Weil das Gerät 1,1 Promille anzeigt, muss die oberste Protestantin mit auf die Polizeiwache, wo ihr ein Blutprobe entnommen wird. Margot Käßmanns Führerschein wird eingezogen.
Die Bischöfin gibt sich in Wort und Tat reumütig. „Ich bin über mich selbst erschrocken, dass ich einen so schlimmen Fehler gemacht habe,“ sagt Käßmann der „Bild“. Und: „Mir ist bewusst, wie gefährlich und unverantwortlich Alkohol am Steuer ist.“ Auch gegenüber den Beamten zeigt sie sich als einsichtige Sünderin. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bezeichnete Käßmanns Verhalten am Abend als „sehr kooperativ“.
Am Dienstag dann der Schock: Die Blutprobe habe einen Alkoholwert von sogar 1,54 Promille ergeben, teilt der Sprecher der Staatsanwaltschaft mit. Üblich seien bei einem solchen Wert eine Geldstrafe in Höhe eines Monatsgehalts sowie ein Führerscheinentzug von zehn Monaten bis zu einem Jahr. Doch auch innerkirchlich drohen der EKD-Ratsvorsitzenden jetzt Sanktionen.
Zum aktuellen Fall will Michael Mädler, Sprecher der bayerischen Landeskirche, gegenüber der AZ zwar keine Stellung nehmen. Er erläutert aber generell, wie solche Disziplinarverfahren ablaufen: „Wenn wir von der Staatsanwaltschaft über Verfehlungen von Amtsinhabern informiert werden, tritt das Kirchengericht zusammen.“ Dies würdigt die Straftat und stellt fest, ob sie gegen das von einem Amtsträger erwartete Verhalten verstößt. Mädler: „Die Sanktionen können von Verweisen bis zu Geldstrafen reichen.“ Eine Amtsenthebung gibt es nur bei ganz schweren Delikten, zum Beispiel bei Gewalttaten.
Ob das Alkoholvergehen der Bischöfin tatsächlich Konsequenzen in ihrem Amt als höchste Repräsentantin der rund 25 Millionen Protestanten nach sich zieht, werde beraten, erklärte die EKD. Zunächst einmal hat die Bischöfin sämtliche Termine in den kommenden Tagen abgesagt. Die geplanten öffentlichen Auftritte finden nicht statt. Von Rücktrittsforderungen sei der Kirche bislang nichts bekannt, sagt EKD-Sprecher Reinhard Mawick. Allerdings kam Kritik vom Vorsitzenden der konservativen Protestanten, dem Hamburger Pfarrer Ulrich Rüß, der schon gegen die Wahl Käßmanns zur Ratsvorsitzenden gestimmt hatte: „Diese Alkoholfahrt von Frau Käßmann ist der Super-Gau, der wohl auch Konsequenzen haben muss.“
Dagegen nahm der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer die EKD-Ratsvorsitzende in Schutz. „Das ist ein Blackout, der leider immer wieder Leuten passiert, die in öffentlichen Ämtern unter Dauerstress stehen“, sagte er. Gleichwohl sei die Alkoholfahrt eine Verfehlung, die nicht einfach zu rechtfertigen sei.
Schon gar nicht, weil Käßmann selbst in der Vergangenheit Alkohol am Steuer gegeißelt hatte. So beklagte sie 2007 in einem Interview „mangelndes Verantwortungsbewusstsein von Autofahrern, besonders wenn Alkohol oder Drogen mit im Spiel sind“.
Dass Käßmann die Trunkenheitsfahrt ausgerechnet in der Fastenzeit passierte, ist besonders peinlich: „Fasten bringt eine Chance für einen neuen Blick auf das Leben“, sagte sie noch vor einem Jahr. Aber auch, dass ihr persönlich der Verzicht auf Alkohol während der Fastenzeit schwer falle: „Ich merke auf einmal, wie sehr ein Glas Wein am Abend zur Gewohnheit werden kann.“
Kritik würde Bischöfin Käßmann wohl auch von ihrem Kirchenvater Martin Luther einstecken müssen. Denn der hatte schon vor mehr als 500 Jahren geklagt, „dass Saufen in unserem Land eine Art Pest ist“. Michael Heinrich
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