Die Talente aus dem Teenie-Stall
Charlotte Roche, Sarah Kuttner, Markus Kafka: Statt eigenen Nachwuchs aufzubauen, bedienen sich die Öffentlich-Rechtlichen munter im Pool ehemaliger Viva- und MTV-Moderatoren
Ich hab’ in meinen Vertrag reinschreiben lassen, dass Giovanni alle Themen ,untenrum’ übernehmen muss“, sagt Charlotte Roche und lacht. Sie selbst werde im Radio-Bremen-Talk „3 nach 9“ nämlich „nie über Sex“ reden.
Die Ex-Viva-Moderatorin, die mit ihrem Bestseller „Feuchtgebiete“ im vergangenen Jahr Aufsehen erregte, löst am 11. September Amelie Fried als Co-Moderatorin von Giovanni di Lorenzo ab. Am Gesamtkonzept der ältesten Talksendung im deutschen TV soll sich nichts ändern. „Das ist ja schon Schock genug für die Zuschauer, dass ich jetzt da sitze – da müssen die erst mal mehrere Folgen lang drüber wegkommen“, scherzt die 31-Jährige und fügt hinzu: „Natürlich wäre es toll, wenn künftig mehr junge Leute einschalten würden.“
Betagter Sender sucht junge Zuschauer. Mit dem Griff in den Pool ehemaliger Viva- und MTV-Moderatoren wollen sich die Öffentlich-Rechtlichen vor der Komplett-Vergreisung retten. Im vergangenen Jahr wurde Ex-MTV-Plappertasche Sarah Kuttner in der ARD auf Jugendfang geschickt – sprich auf Zuschauer diesseits der 50. Das Publikum konnte sich mit der vorlauten 30-Jährigen zwar nicht recht anfreunden, das Erste schickte „Kuttners Kleinanzeigen“ dennoch in die zweite Runde. Sonntags um 23.35 Uhr traut sich der Sender eben mal, wild zu sein.
Auch das ZDF versucht sich mit einem Moderator aus dem Teenie-Fernsehen zu verjüngen. Markus Kavka – mit 41 Jahren selbst schon längst der Spätpubertät entwachsen – wurde gar zur Programmklausur nach Mainz geladen. „Ich MTV-Heini“, sagt Kavka, „eine absurde Situation“. Auch den ZDF-Verantwortlichen war’s wohl nicht ganz geheuer, denn sie verstecken Kavka auf dem Spartenkanal ZDF-Info und im Netz: „Mitreden, mitsurfen mit Kavka“ heißt es dort im Wahljahr.
Die Generation Viva macht sich auf zu neuen Ufern – beziehungsweise ist dort längst angekommen. Heike Makatsch und Nora Tschirner gehören zur deutschen Kino-Elite. Oliver Pocher durfte erst Harald Schmidts Late Night Show verjüngen, jetzt soll er Sat1 aufmischen. Christian Ulmen ist Kult – im TV, Internet und Kino. Am 6. August startet die Jan-Weiler-Verfilmung „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ mit Ulmen in der Hauptrolle.
Auch Stefan Raab gehörte zu den Viva-Gesichtern der ersten Stunde. Doch das Musikfernsehen von einst mit seinen jungen, flippigen Moderatoren ist tot. Woher soll also in Zukunft der Nachwuchs kommen? Eigene Nachwuchsarbeit vernachlässigen die Öffentlich-Rechtlichen. Und aus dem Internet hat bis auf die „Ehrensenf“-Moderatorin Karin Bauerfeind, die erst Tita von Hardenberg bei „Polylux“ vertrat und heute ein Popkulturmagazin auf 3sat moderiert, noch keiner den Sprung auf den TV-Bildschirm geschafft. Aber was soll’s, wird man sich bei ARD und ZDF denken. Sie streiten sowieso lieber um Jörg Pilawa. A. Kahl
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